Die Finanzmärkte zeigen sich weiterhin fragil. Besonders kritisch sind derzeit die Kapriolen an den Anleihemärkten. Dass die Zinspapiere auf den strukturellen Inflationsdruck und die Zinswende im bisherigen Jahresverlauf mit signifikanten Kursverlusten reagiert haben, war zu erwarten. Doch zuletzt hat sich der Abverkauf auf den Anleihemärkten noch einmal stark beschleunigt und ein Ende ist nicht in Sicht. Für eine anhaltende Verkaufswelle sprechen verschiedene Gründe: Zum einen gehen Anleiheinvestoren dazu über, ihre Verluste durch Notverkäufe zu begrenzen. Zum anderen zwingt der starke US-Dollar viele Schwellenländer dazu, ihre US-Dollarbestände, die häufig in Form von Anleihen gehalten werden, zu verkaufen, um die Lokalwährung zu stützen. Gleichzeitig fehlen wichtige Akteure auf der Nachfrageseite: Die Notenbanken der Industrieländer sind auf einen Kurs der monetären Straffung umgeschwenkt und ziehen sich von den Anleihemärkten zurück. Auch die großen institutionellen Anleger warten mit Käufen derzeit ab. Dort rechnet man damit, dass die Emissionsvolumina von Anleihen in naher Zukunft noch einmal steigen, weil sich die Staaten vor allem in Europa massiv neu verschulden werden, um die Energiekrise abzufedern. Angebots- und Nachfrageseite befinden sich damit in einem extremen Missverhältnis. Folglich ist die Liquidität an den Anleihemärkten derzeit so gering wie zuletzt vor zwei Jahren beim Corona-Crash.
Turbulenzen strahlen auf Aktienmärkte ab
Diese Illiquidität erschwert eine rationale Informationsverarbeitung an den Anleihemärkten. Ungewöhnlich ist etwa, dass die Zinsen erneut steigen, obwohl der Höhepunkt der Inflation vielfach kurz bevorsteht oder wie in den USA sogar schon erreicht ist und die globale Konjunktur schwächelt. Zudem verhindern die Turbulenzen an den Anleihemärkten, dass sich die Aktienkurse nachhaltig stabilisieren können: Das generelle Zinsniveau ist eine wichtige Determinante für die Bewertungen an den Aktienmärkten. Wenn die Zinsen weiter spürbar steigen, drohen dort neue starke Abverkäufe. Hier wird es entscheidend darauf ankommen, wie sich die globalen Notenbanken positionieren. Sollten sie außerplanmäßig von ihrem Straffungspfad abweichen, weil sie weitere Verwerfungen an den Aktienmärkten als unkalkulierbares Risiko für das Finanzsystem einstufen, wäre definitiv die Zeit gekommen, um in größerem Umfang in Aktien zu investieren. Anleger sollten in den kommenden Monaten deshalb die Geldpolitik genau im Blick behalten.
(FERI Gruppe)