Der Markt für nachhaltige Geldanlagen steckt nicht mehr in den Kinderschuhen. Bereits vor mehr als 30 Jahren wurden die ersten Produkte entwickelt. Inzwischen hat sich viel getan. Der Markt ist vielschichtiger, differenzierter und volumenstärker geworden. Ende 2021 waren nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlage (FNG) allein hierzulande rund 410 Milliarden Euro in nachhaltigen Publikums- und Spezialfonds angelegt. Laut dem deutschen Fondsverband BVI lag die Nachhaltigkeitsquote des deutschen Fondsvermögens zu diesem Zeitpunkt bei 16 Prozent. In Europa war sie sogar noch höher. „Bereits knapp ein Viertel (22 Prozent) aller Fonds auf dem europäischen Fondsmarkt werden nachhaltig gemanagt“, so das Ergebnis einer Studie von PricewaterhouseCoopers über den europäischen Markt für nachhaltige Geldanlagen im Jahre 2021.
Nach Einschätzung aller Beobachter wird das Wachstum grüner Finanzprodukte weiter anhalten. Ebenso einig sind sich die Experten aber auch, dass die bisherige Erfolgsgeschichte nur dann weiter fortgeschrieben werden kann, wenn es in Zukunft substantielle Fortschritte in Sachen Produktklarheit und -wahrheit geben wird. Es geht also um Transparenz. Gerade in dieser Hinsicht steht der Markt für nachhaltige Finanzprodukte aber noch am Anfang. Sich im Dschungel der ständig wachsenden ESG-Angebotspalette zurechtzufinden, fällt nicht nur Anlegern schwer. Auch professionelle Finanzberater, die seit vergangenem Jahr im Kundengespräch neben den Risiko- und Renditepräferenzen nun auch die ESG-Erwartungen ihrer Kundschaft abfragen müssen, haben ihre Probleme. Und das ist nicht weiter verwunderlich. Denn heute sind in der Europäischen Union weit über 5.000 Fonds zum Vertrieb zugelassen, die in unterschiedlichster Art und Weise versuchen, den Nachhaltigkeitsgedanken in ihre Investmentstrategie zu integrieren. Manch einer sieht hier den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Dies liegt auch daran, dass allgemeinverbindliche Standards kaum zu finden und gerade erst im Entstehen begriffen sind.
REGULIERUNG NOCH NICHT AUSREICHEND KONSISTENT
Die Europäische Union hat dieses Manko erkannt und versucht, im Rahmen ihres Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern. Diese reichen von der EU-Taxonomie und Offenlegungsverordnung bis hin zur CSRD Berichterstattung. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Einordnung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten. Ein EU-Referenzrahmen für sozial nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten muss erst noch in Angriff genommen werden, so dass das „S“ im ESG nach wie vor noch weitgehend unreguliert ist. Beobachter weisen darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen zwar ein Schritt in die richtige Richtung seien, allerdings noch nicht als ein in sich stimmiges Gesamtkonzept betrachtet werden könnten. „Indem die EU bei den verschiedenen Regulatorik-Strängen, die einzeln für sich genommen alle Sinn ergeben, recht unkoordiniert und teilweise aktionistisch vorging, ist die Summe der einzelnen Regulatorik-Stränge leider ein in sich nicht konsistentes und oft mehr Fragen als Antworten lieferndes Wirrwarr“, sagt etwa Roland Kölsch, Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen. Auch wird bemängelt, dass manche Regelung nicht immer hinreichend präzise genug sei, um in der Praxis tatsächlich einen Nutzwert zu erbringen. Sichtbar wurde dieses Problem zuletzt bei der EU-Offenlegungsverordnung und der Einteilung nachhaltiger Fonds in solche nach Artikel 8 und Artikel 9. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens im März 2021 stand die Spezifizierung der Vorgaben durch die technischen Regulierungsstandards noch nicht vollständig fest. Dieses Versäumnis wurde zum Ende des vergangenen Jahres durch eine weitere Konkretisierung geheilt. Im Ergebnis führte dies in nicht wenigen Fällen zu einer Rückstufung von Nachhaltigkeitsfonds durch die Asset-Management- Branche. Für diese könne eine solche Maßnahme aber mit erheblichen Reputationsrisiken verbunden sein, warnt Lahcen Knapp vom Investmentmanager Empira im Handelsblatt.
ANLEGER BLEIBEN GEFORDERT
Vor diesem Hintergrund kommen Anleger nicht darum herum, sich in Sachen Nachhaltigkeit weiterhin verstärkt ein eigenes Bild zu machen. Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Informationen zum Thema ist dies keine einfache Aufgabe. Eine erste Orientierung können da sogenannte ESG-Siegel geben, in Deutschland etwa das Qualitätssiegel des Forums Nachhaltige Geldanlage. Dabei handelt es sich nicht um ein Scoring oder Rating, das den Grad der Nachhaltigkeit entsprechender Fonds – in der Regel mit Blick auf die Einzeltitel im Portfolio – beurteilt. Das FNG-Siegel setzt vielmehr auf der organisatorischen Ebene eines Fonds an, schaut also auf die dahinterliegenden Prozesse. Es bewertet, wie solide und professionell die nachhaltige Portfoliosteuerung erfolgt. Fonds, die sich in den Bereichen „institutionelle Glaubwürdigkeit“, „Produktstandards“ und „Portfolio- Fokus“ besonders hervorheben, erhalten bis zu drei Sterne.
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