Das Jahr 2022 wird sicherlich als eines der schwierigsten Jahre für Kapitalanleger in die Geschichtsbücher eingehen. Während sich Anleger zu Jahresbeginn noch mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, den weiterhin nicht reibungslos laufenden Lieferketten, einer steigenden Inflation sowie den möglichen Gegenmaßnahmen der Zentralbanken beschäftigten, änderte sich der Fokus seitens der Investoren mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine schlagartig, da niemand wußte, welche Folgen dieser Krieg auf die Volkswirtschaften in Europa und den Rest der Welt haben wird.
Die, aufgrund der Sanktionen gegen Russland, verknappten Öl- und Gasexporte führten zu stark steigenden Energiepreisen und damit einhergehend zu einer weiter ansteigenden Inflation. In der Folge begannen viele Notenbanken, allen voran die amerikanische Federal Reserve (FED), ihre Politik des billigen Geldes zu beenden und neben der Einschränkung von Anleihekaufprogrammen die Leitzinsen zu erhöhen. Da die Zinsen in vielen Staaten bei Null oder sogar darunter lagen, betreten die Zentralbanken mit diesen Schritten, bei ihrem Kampf gegen die Inflation, Neuland.
Die Maßnahmen der Zentralbanken wirken sich auch auf Anleger aus. Während Investoren, die bereits in festverzinsliche Wertpapiere investiert sind, Kursverluste aufgrund der steigenden Zinsen hinnehmen müssen, fürchten Aktienanleger, dass den Unternehmen durch die Verknappung der Liquidität und den steigenden Refinanzierungskosten der Treibstoff für weitere Gewinnsteigerungen entzogen wird. Hinzu kommt, dass die Nachfrage der Verbraucher nach Konsumgütern durch die stark gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten zurückgegangen ist, was sich ebenfalls negativ auf die Unternehmensgewinne auswirken könnte. Zudem stellen festverzinsliche Wertpapiere aufgrund der gestiegenen Zinsen für viele Anleger jetzt wieder eine Anlagealternative dar, wodurch sich die Nachfrage nach Anlagealternativen wie etwa Dividendentiteln etwas abschwächen dürfte.
Die schwierige Gesamtlage spiegelt sich auch in den Einschätzungen und Gewinnerwartungen der Analysten wider. Diese haben zuletzt die schon reduzierten durchschnittlichen Gewinnschätzungen für den amerikanischen S&P 500 um weitere neun Prozent reduziert.
Für das Jahr 2023 müssen sich die Aktieninvestoren aus meiner Sicht auf eine mögliche Rezession und weiterhin hohe Inflationsraten einstellen. Aufgrund dieser Ausgangslage erwarte ich für die Aktienmärkte eine schwierige erste Jahreshälfte, während die Aussichten für die zweite Jahreshälfte zumindest verhalten positiv sind.
DETLEF GLOW