Rund ein Jahr nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist klar, dass die politischen Entscheidungsträger bereit sind, die Volkswirtschaften „heiß laufen“ zu lassen, um eine über dem Ziel liegende Inflation zu erzeugen. Angesichts des exogenen Charakters des Covid-19-Schocks sind sie nicht durch Bedenken moralischer Risiken eingeschränkt, die ihre Entscheidungen während der globalen Finanzkrise immer wieder ins Stocken brachten. Dies zeigte sich sowohl im Ausmaß als auch in der Geschwindigkeit der politischen Reaktion auf die Covid-19-Krise im Vergleich zu 2008. Die Auswirkungen der Ausweitung der Zentralbankbilanzen auf wichtige monetäre Variablen sind offensichtlich (für Januar 2021: Geldmenge M2 in den USA +26%, M4 in Großbritannien und M3 im Euroraum +13% gegenüber dem Vorjahr). Bekanntermaßen besteht langfristig ein enger Zusammenhang zwischen dem Wachstum der erweiterten Geldmenge und der Inflation. Die Rhetorik der Zentralbanken verstärkt dies zusätzlich. Im Gegensatz zu früheren Zyklen, in denen die Federal Reserve (Fed) die Geldpolitik verschärfte, lange bevor die Inflation nachhaltig über 2 % stieg, haben die Zentralbanken deutlich gemacht, dass dies nun unwahrscheinlich ist. Ein Anstieg der Inflationsraten kann sich so dauerhaft etablieren.
Haushaltspolitisch existieren vermutlich nur drei Möglichkeiten, wie die Regierungen die enormen aufgenommenen Schulden bewältigen können: 1) Zahlungsausfall, 2) Erhöhung des nominalen Wachstums zur Schuldentilgung, 3) Deflationierung des realen Wertes der Schulden durch schleichende Inflation. Letzteres ist aktuell die einzig sinnvolle Option für die Politik. Was die Größenordnung der Auswirkungen auf den Staatshaushalt betrifft, so hat die pandemiebedingte Arbeitslosigkeit die privaten US-Haushalte 330 Mrd. USD an entgangenen Löhnen und Gehältern gekostet. Dieselben Haushalte erhielten jedoch bereits 1 Billion USD an Gesamttransfers aus der Staatskasse. In diesem Betrag sind die von Joe Biden angekündigten staatlichen Subventionen noch nicht einmal enthalten. Die US-Privathaushalte verfügen derzeit über Ersparnisse in Höhe von 1,4 Billionen USD. Dies stellt eine enorme aufgestaute Nachfrage dar, die mit der Wiederbelebung der Wirtschaft auf ein begrenztes Angebot treffen dürfte.
Erste Symptome erkennbar
In Sektoren mit hoher Nachfrage (Haushaltsgeräte, Hardware) sind bereits Anzeichen einer Margenausweitung festzustellen. Wohnungsmieten stellen einen Anteil von 40% des Kern-Verbraucherpreisindex (VPI) in den USA dar. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 stiegen die mittleren Angebotsmieten so schnell wie nie zuvor (+18 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Der Index der gezahlten Preise vom Januar, eine Unterkomponente des Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe des Institute of Supply Management (ISM), liegt auf einem Jahrzehnthoch. Außerhalb der USA sorgen die Rohstoff- und Ölpreise für einen kurzfristigen Inflationsimpuls. Die Spot-Frachtraten für Containerfracht ab Shanghai sind dreimal so hoch wie im Mai 2020, und diese Entwicklung ist auch bei anderen Frachtindizes zu beobachten.
Die Punktgrafik der Fed, die die Aussichten für die Zinsentwicklung wider gibt, signalisiert die erste Zinserhöhung im Jahr 2023. Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass die Kernausgaben für den persönlichen Verbrauch bis Ende 2021 über dem Zielwert der Fed liegen werden, was möglicherweise die Bühne für eine Kollision zwischen der Fed und dem Markt im weiteren Verlauf dieses Jahres bereitet.
Reflation, Inflationsschutz und “Value” zur Behandlung empfehlenswert
Wir sind der Meinung, dass die Marktteilnehmer Inflationsrisiken unterschätzen, und die Anlagechancen im Bereich festverzinslicher Wertpapiere und Währungen überzeugend sind. Aus unserer Sicht stellen Reflation, Inflationsschutz, nachhaltige Staatshaushaltsführung und “Value” derzeit die überzeugendsten Themen im Bereich festverzinslicher Wertpapiere und Währungen dar. Lange 10- und 30-jährige US-Inflations-Break-Even-Swaps bieten eine direkte Möglichkeit, potenziell von höheren Inflationserwartungen zu profitieren. Der US-VPI lag in den vergangenen 30 Jahren im Durchschnitt bei 2,5 %, während die 10- und 30-jährigen Break-Even-Swaps derzeit bei 2,2 bis 2,3 % gehandelt werden. Wir erwarten, dass die Kurven in Ermangelung der haushaltspolitischen Selbstbeschränkung steiler werden.
Etwas spezifischer könnten auch relative Value-Aussagen im weiteren Sinne berücksichtigt werden. Zum Beispiel bleiben die Wirtschaftsdaten in Norwegen solide. Das Land ist ein Rohstoffexporteur und die Norges Bank ist eine der wenigen Zentralbanken, die noch in diesem Jahr Zinserhöhungen prognostiziert. Unter Haushaltsgesichtspunkten profitiert die norwegische Krone unseres Erachtens von der Besonderheit, dass der norwegische Staatsfonds Devisen verkaufen muss, um mit dem Kauf norwegischer Kronen die Staatsausgaben zu finanzieren. Norwegen stellt in Bezug auf haushaltspolitische Nachhaltigkeit eine Ausnahme dar. Das verwaltete Vermögen des Staatsfonds übersteigt die öffentliche Verschuldung, was bedeutet, dass Norwegen den beneidenswerten Vorteil eines negativen Bruttofinanzierungsbedarfs aufweist. Weitere potenzielle “Relative-Value”-Trades, die neben den Divergenzen bei den Wachstums-/Inflations-/Haushaltsprognosen auch relative idiosynkratische Faktoren aufgreifen, könnten beispielsweise Positionen im Vereinigten Königreich und in Neuseeland gegenüber Kanada und am kurzen Ende des australischen Staatsanleihenmarktes gegenüber den USA umfassen.
(GAM)