Investmentfonds

Die Tücken des Erfolgs

Die nachhaltige Kapitalanlage hat in den vergangenen Monaten Fahrt aufgenommen. Mit dem Erfolg werden nun auch Schwachstellen deutlich. Zu große Interpretationsspielräume in Sachen Nachhaltigkeit sorgen für Irritationen

Schnelles Wachstum bringt häufig Herausforderungen mit sich. Dies scheint auch auf den Markt für ESG-Anlagen zuzutreffen. Hauptproblem: Das Fehlen einheitlicher Standards macht eine verlässliche Orien- tierung schwierig. Das fängt bereits bei den Statistiken zum Marktvolumen an. Während das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) für Ende 2019 ein Gesamtvolumen von 269,3 Milliarden Euro für Deutschland ermittelt hat, vermeldete der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) im September: „Der ESG-Fondsmarkt in Deutschland wächst dynamisch. Das in nachhaltigen Fonds angelegte Vermögen hat inzwischen die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten.“

Beide Untersuchungen berücksichtigen das ESG-Anlagevermögen von Privatanlegern und institutionellen Investoren. Der Volumenunterschied ist dennoch beträchtlich und damit erklärungsbedürftig. Ohne einen tiefergehenden Blick in die jeweilige Methodik der Zahlenermittlung lässt er sich kaum verstehen.

Auch die Handhabung des Begriffs ESG durch die Marktakteure ist alles andere als einheitlich. Viele Asset-Manager greifen daher auf die Erkenntnisse von Ratingagenturen zurück, die auch eine ESG-Bewertung von Unternehmen anbieten. Entsprechende Dienstleistungen haben zuletzt stark zugenommen. Doch wer dachte, die Lage sei dadurch einfacher geworden, wurde enttäuscht. Denn die ESG-Bewertungen von externen Analysehäusern fallen oftmals höchst unterschiedlich aus. „Diese Unterschiede können mit Blick auf denselben Markt oder dieselbe Branche erheblich sein“, weiß Charles Neus, ESG-Beauftragter bei der Investmentgesellschaft Schroders in Frankfurt. Sein Haus hat daher ein eigenes Analysetool entwickelt, das die Portfoliomanager bei ihren Entscheidungen unterstützen soll. Kritik kommt unter anderem auch vom schottischen Fondshaus Baillie Gifford. „Viele ESG-Ratings basieren auf starren Vorlagen“, sagt Andrew Cave, Nachhaltigkeitschef bei Baillie Gifford. Ihre Aussagekraft sei oft begrenzt. „Das Problem liegt zudem darin, dass die große Bandbreite der ESG-Themen, die nur schwer zu operationalisieren und auch nur schwer voneinander abzugrenzen sind, es sehr kompliziert macht, eine Bewertung in einem Ziffern- oder Buchstabensystem zu verdichten.“ Zusätzlich sieht der ESG-Experte ein weiteres Problem. Viele Ratingagenturen erteilen Firmen eine schlechte Bewertung, wenn diese nicht umfassend zu ihren ESG-Bemühungen informieren. Doch das sei keinesfalls immer gerechtfertigt. „Nur weil ein Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen keine umfassenden ESG-Berichte veröffentlicht, ist es noch lange keine schlechte Firma“, so Cave.

Inzwischen beschäftigt dieses Thema bereits deutsche Gerichte. Anfang März war in Deutschland zum ersten Mal ein Unternehmen gerichtlich gegen das Nachhaltigkeitsrating vorgegangen, das ihm von einer auf solche Bewertungen spezialisierten Agentur zugesprochen worden war. Die Ratingagentur hatte offenbar überall dort, wo in ihrem Prüfprozess keine Informationen öffentlich erhältlich waren, negative Punkte vergeben, was zu einer schlechten Gesamtnote geführt hatte. Daran hatte das geprüfte Unter- nehmen Anstoß genommen und vor Gericht Recht bekommen. Der Rechtsstreit ist bisher ein Einzelfall, wirft aber ein Schlaglicht darauf, wie wichtig die Nachhaltigkeitsratings für Unternehmen und Investoren sind – und wie kontrovers man über ein Rating diskutieren kann, das vermeintlich objektiven Maßstäben folgt.

SCHWARZE SCHAFE AUF DER GRÜNEN WIESE

Unsicherheit herrscht auch bei Anlegern. Die Fondsanbieter haben das Thema für sich entdeckt. Am Markt findet sich inzwischen eine Vielzahl von Fonds, die in der einen oder anderen Weise einen ESG-Bezug aufweisen. Laut dem Fachmagazin EcoReporter schätzt das Fondsanalysehaus Morningstar die Zahl der gegenwärtig in Europa angebotenen Nachhaltigkeitsfonds auf etwa 2.400. Angesichts dieser Größen- ordnung wächst in der Branche der Verdacht, dass auf der grünen Wiese auch einige schwarze Schafe weiden könnten. Von Greenwashing ist die Rede, also vom Versuch, einem Fonds ein grünes Mäntelchen umzuhängen, ohne dass dieser wirklich hinreichend nach ESG-Kriterien investiert ist. Diese Gefahr scheint nicht aus der Luft gegriffen. „Je mehr Produkte es gibt, die vorgeblich an die ESG-Performance geknüpft sind, desto stärker müssen wir dafür Sorge tragen, dass Anleger keine Produkte kaufen, die als nachhaltig vermarktet werden, ohne dies tatsächlich zu sein“, erklärte erst kürzlich Steven Maijoor, der Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Die EU hat das Thema im Rahmen ihres Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums in Angriff genommen. Doch wich- tig für das Verständnis der EUTaxonomie ist, dass diese kein Label für Investmentprodukte einführt. Sie definiert Nachhaltigkeitsanforderungen an ökonomische Aktivitäten. Werden diese dann in Finanzpro- dukten verpackt und Anlegern angeboten, setzt die EU-Taxonomie Transparenzanforderungen, an die sich die Anbieter zu halten haben. Das ist immerhin ein erster Schritt.

(MEIN GELD)

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