Am 23. März jährte sich der Tiefpunkt des S&P 500 Index. Seitdem hat er um 77% zugelegt. Wagen wir einen Blick nach vorn.
Mit Daten von Bernstein Research haben wir für jeden Monatsultimo seit 1882 den Ertrag der jeweils letzten zwölf Monate berechnet. Dann haben wir die Zwölfmonatserträge gruppiert (siehe Abbildung 1 im Anhang). Wie außergewöhnlich war also das letzte Jahr? Es war extrem!
12-Monats-Erträge von mehr als 75% gab es vor Corona genau fünfmal, und zwar ausschließlich während der Großen Depression in den 1930ern. Auch damals hatte der Staat massiv interveniert. Das Besondere an der Antwort auf Corona ist, wie schnell die US-Wirtschaft die Rezession hinter sich ließ, als die Fed die Kreditrisiken begrenzte.
Märkte mögen kurzsichtig sein, aber sie sind nicht dumm
Finanzmärkte sind Diskontierungsmaschinen. Scheinbar wichtige Faktoren wie eine hohe Arbeitslosigkeit werden ignoriert. Stattdessen fokussieren sie sich auf das, was wirklich zählt, etwa auf die Höhe des freien Cashflows. In den Monaten vor Roosevelts New Deal ließen sich die Investoren durch Krise und Depression nicht irritieren, erwarteten sie doch für 1934 eine Wachstumsexplosion. Tatsächlich folgte eine starke, aber auch kurze Erholung. Als 1937 die ersten Maßnahmen des New Deal ausliefen, machte das hohe Haushaltsdefizit Sorgen. Die Staatsausgaben wurden gekürzt, und die Wirtschaft schrumpfte wieder. Auch damit hatte man an den Märkten gerechnet. Entsprechend groß waren in den 1930ern die Schwankungen.
Zurück zur Gegenwart: Nach dem Tiefpunkt im März 2020 legten zunächst die Aktienkurse von Unternehmen zu, die von den Kontaktbeschränkungen profitieren – etwa Streamingdienste oder Videokonferenzanbieter. Mehr und mehr machte dann aber die Verunsicherung durch das Virus der Hoffnung auf eine kräftige Erholung der US-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2021 Platz. Die Investoren änderten ihren Fokus und schichteten um – aus Unternehmen mit dauerhaft hohen freien Cashflows, die ihr Schicksal weitgehend selbst in der Hand haben, in besonders konjunktursensitive Aktien und Credits. Jetzt waren Zykliker gefragt.
Große Mehrerträge hoch verschuldeter Unternehmen mit eher geringer Kreditqualität sind typisch für den Beginn eines Marktzyklus. Aber auch unabhängig davon schätzt der Markt in solchen Zeiten die konjunktursensitivsten Titel oft am meisten. So war es auch die beiden letzten Male, nach dem Zusammenbruch der Dotcom-Blase und nach der internationalen Finanzkrise.
Schon oft habe ich geschrieben, dass mir die Sicht des Marktes nicht gleichgültig ist. Märkte mögen kurzsichtig sein, aber sie sind nicht dumm. Man muss kein Volkswirt sein, um zu verstehen, dass das amerikanische Wirtschaftswachstum wohl deutlich zulegen wird – ausgelöst durch die Kombination aus einer extrem hohen Sparquote (dank staatlicher Transfers nach Corona) und dem Nachfragestau bei den Verbrauchern nach über einem Jahr Lockdown. (siehe Abbildung 2 im Anhang)
Zykliker einstweilen vor Titeln mit stabilem Gewinnwachstum
Die meisten Investoren denken kurzfristig, was sich wohl niemals ändern wird. Es überrascht deshalb nicht, dass die Kurzfristprognosen des Marktes sehr viel besser sind als seine Mittel- und Langfristprognosen. Genau deshalb denken wir stets längerfristig.
Irgendwann kommt stets der Punkt, an dem auch die Märkte nicht mehr nur auf die aktuellen Wirtschaftszahlen achten. Man wird sich fragen, was mit den Fundamentaldaten geschieht, wenn sich die Geld- und Fiskalpolitik wieder normalisiert. Wenn sich die Vergangenheit wiederholt, wird man auch diesmal wieder in wenig konjunktursensitive Titel mit stabilem Gewinnwachstum umschichten. Sie machen viele unserer Kernpositionen aus. Die große Zeit der Zykliker ist dann vorbei. Zu Beginn eines Konjunkturzyklus liegen sie oft vorn, doch auf Dauer setzen sich die Langfristtrends wieder durch. Geduldige Investoren werden belohnt, wenn der Konjunkturzyklus erwachsen wird.
(MFS Investment Management)