Investmentfonds

ESG-Anlageberatung: ein erster Schritt in die richtige Richtung

 

Seit August sind Anlageberater verpflichtet, ihre Kunden nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen und ihnen gegebenenfalls entsprechende Produkte anzubieten. Was in der Theorie richtig und wünschenswert erscheint, bringt in der Praxis zunächst jedoch erhebliche Probleme mit sich. Offenbar fehlt es an plausiblen Vorgaben und auch das Produktangebot hinkt an manchen Stellen hinterher. „Die Zeit ist reif dafür. Aber die Praxis ist noch nicht so weit“, urteilte unlängst Kamil Kaczmarski, Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Der Handlungsdruck kommt insbesondere aus Brüssel. Hier ist längst klar, dass der CO2-neutrale Umbau der Wirtschaft ohne privates Kapital nicht zu bewerkstelligen ist. Privatanleger sind aufgefordert, ihr Scherflein beizutragen. Und sie sind bereit dazu. Nach einer im Dezember 2021 veröffentlichten Studie von Nordea Asset Management gaben hierzulande 73 Prozent der befragten Privatanleger an, künftig mehr Geld in nachhaltige Investmentprodukte stecken zu wollen. Diesem Wunsch allerdings steht ein nicht unerhebliches Hindernis entgegen: die Finanzberatung. Denn auch folgendes Ergebnis förderte die Nordea-Umfrage zutage. Immerhin 65 Prozent der Privatanleger bekamen in den zwölf Monaten vor der Befragung von ihren Beratern keinerlei ESG-Produkte vorgeschlagen. Diese Zurückhaltung ist heikel. Denn vor allem in Deutschland, aber in anderen Ländern auch, sind Finanzberater das wichtigste Bindeglied zwischen Fondsanbietern und Privatanlegern. Nach wie vor gilt hierzulande die Erkenntnis: „Fonds werden nicht gekauft, sondern verkauft.“

Das ist natürlich auch in Brüssel bekannt. Ab August sind Finanzberater daher verpflichtet, Kunden nach ihren Wünschen zur Nachhaltigkeit zu befragen. Konkret bedeutet dies, dass die Eignungsbeurteilung des Anlegers um den Aspekt der Nachhaltigkeit erweitert wird. Finanzinstrumente, die im Rahmen der Anlageberatung empfohlen werden, müssen nun auch auf die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des Anlegers geprüft werden. Fortan reicht es also nicht mehr aus, allein nach Rendite, Risiko und Liquidität zu fragen. Zusätzlich müssen jetzt die Vorstellungen der Anleger zu ESG-Aspekten abgeklopft werden. Die entsprechenden Ergebnisse sollen dokumentiert werden.

HERAUSFORDERUNGEN IN DER PRAXIS

Die komplikationslose Umsetzung des Regulierungsvorhabens dürfte keine einfache Sache werden. Dies liegt vor allem in der Natur der Sache. Nachhaltige Investments sind eine noch relativ junge Anlageform, deren Umfeld sich dynamisch weiterentwickelt. Nicht selten fehlt es noch an allgemeinen Standards oder relevanten Daten. Die Materie ist zudem komplex. Das Wissen mancher Akteure ist vor diesem Hintergrund mitunter unzureichend, und davon sind längst nicht nur die Anleger selbst betroffen. Wie in einem solchem Kontext eine substanzielle Beratung stattfinden kann, bleibt eine Aufgabe, die auf Anhieb nicht befriedigend gelöst werden kann.

Die nun geltenden Vorschriften sehen vor, die Nachhaltigkeitspräferenzen drei Kategorien zuzuordnen. So können Anleger auf Fonds setzen, deren Portfoliounternehmen im Sinne der Taxonomie-Verordnung als nachhaltig eingestuft werden. In die zweite Kategorie fallen Fonds mit Portfoliounternehmen, die gemäß der Offenlegungs-Verordnung darlegen müssen, inwieweit sie nachhaltig operieren. Und schließlich können sie in Fonds investieren, bei denen die aus ihrer Sicht wichtigsten nachteiligen ESG-Auswirkungen vermieden werden. Was sich in der Theorie einfach anhört, scheint in der Praxis komplizierter. Während die Bestimmung von Ausschlusskriterien noch vergleichsweise einfach ist, dürfte es bei nachhaltig ausgerichteten Fonds schon schwieriger sein, deren spezifische Ansätze nachzuvollziehen und mit den Präferenzen der Anleger abzustimmen. Zudem weisen Kritiker darauf hin, dass das Produktangebot taxonomiekonformer Fonds derzeit offenbar noch nicht ausreicht, um entsprechenden Kundenwünschen zuverlässig zu genügen. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass der Start der ESG-Beratungspflicht eine holprige Angelegenheit werden wird.

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