Dabei bleibt die Qual der Wahl: Lieber individuell auswählen oder doch auf einen ETF-Dachfonds setzen? Wo genau der Unterschied liegt und warum aktive Portfolio-Entscheidungen in 2023 noch eine wichtige Rolle spielen können, erläutert Christian Hein, Portfolio Manager bei der Apo Asset Management GmbH.
Nach der Finanzmarktkrise 2008 wurden sowohl Aktien als auch Anleihen vor allem von der insgesamt lockeren Geldpolitik der Notenbanken auf neue Höchststände gebracht. „Die Flut hebt alle Boote“ war das Credo und die fundamentale Analyse der Investments wurde von Vielen vernachlässigt. Damit entstand der Eindruck, dass ein bis zwei ETFs im Depot ausreichend sein könnten, um auf einfache Weise Gewinne zu erwirtschaften. Für aktive Ansätze war es schwierig sich gegen die einfache „Aktien-Welt-ETF“-Lösung zu behaupten.
ETF-Dachfonds versus eigene ETF-Auswahl
Seit Beginn 2022 hat sich das Markumfeld jedoch grundlegend geändert. Geopolitische Spannungen, hohe Inflationsraten und die restriktive Geldpolitik haben zu einer Neubewertung aller Anlageklassen geführt. Damit wurden die Kurse von Aktien und Anleihen im letzten Jahr insgesamt deutlich belastet und mit der abnehmenden Geld-Flut zeigt sich, wer „keine Badehose trägt“. So mussten Depots, die beispielsweise nur auf einen Aktien-Welt-ETF und einen globalen Staatsanleihen-ETF mittlerer Duration setzten, hohe Verluste hinnehmen. Im aktuellen Marktumfeld ist die Auswahl der richtigen Anlagebausteine und die fundamentale Analyse der Investments wieder wichtiger denn je und hätte gerade im letzten Jahr den meisten Anlegerinnen und Anlegern großen Kummer ersparen können. Mit einem aktiven Vorgehen z.B. mit einer Verkürzung der Duration auf der Rentenseite oder einer breiten Diversifikation über Regionen, Sektoren und Währungen auf der Aktienseite hätten größere Verluste vermieden oder reduziert werden können.
Gute Erträge in schwierigen Zeiten?
Vor 5 Jahren beinhaltete ein ausgewogenes ETF-Portfolio eine Mischung aus Aktien- und Renten-ETFs. Bei vielen Lösungen hätte eine Kombination aus Aktien-ETFs, die über Regionen und Währungen breit aufgestellt sind, sowie globale Staatsanleihen-ETFs, die in schwierigen Zeiten einen gewissen Schutz bieten, bis Anfang letzten Jahres sehr gut funktioniert. Der Kurswechsel der US-Geldpolitik zeigte jedoch, das vermeintlich sichere Anlagen aktienähnliche Verluste haben können. Die klassischen sicheren Häfen, wie z.B. 10-jährige deutsche Staatsanleihen, konnten letztes Jahr keinen Schutz vor Kursverlusten bieten und selbst Gold konnte nicht wirklich glänzen. Dementsprechend gibt es nicht die eine Lösung. Vielmehr sind es die aktiven Entscheidungen der Managerin bzw. des Managers, das Portfolio in schwierigen Zeiten entsprechend „wetterfest“ zu machen.
Aussichten für 2023
Das Thema Inflation wird uns auch in diesem Jahr weiter begleiten. Auf der einen Seite sehen wir rückläufige Energiepreise, die Kernrate (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) zeigt sich jedoch hartnäckiger als gedacht. Daher erwarten wir aktuell keine kurzfristige Abkehr der Leitzinserhöhungen. Die Erhöhung der Zinsen hat dazu geführt, dass die Attraktivität von Anleihen insgesamt gestiegen ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass hier entsprechende Umschichtungen stattfinden werden. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, dass sich die gestiegenen Zinsen zunehmend auf die Wirtschaft und den Bankensektor auswirken. Sollte sich dies fortsetzen, könnte das Dilemma der Notenbanken zwischen hoher Inflation und schwieriger Wirtschaftslage sehr spannend werden. Aktive Portfolioentscheidungen werden also auch in diesem Jahr eine wichtige Rolle spielen.
(Christian Hein, Apo Asset Management GmbH (apoAsset))