Glaubt man chinesischen Horoskopen, dann müssen sich Anleger im neuen Jahr auf eine hohe Ereignisdichte an den Finanzmärkten einstellen. Und sie sollten sich darauf gut vorbereiten, denn der Affe gilt als kluges, gerissenes, aber auch freches Tier. Die Prognosen der GAM-Experten für das neue Jahr in China können Anlegern dabei helfen, den Affen zu überlisten.
Liquiditätsmanagement in China
Jian Shi Cortesi, Fondsmanagerin, chinesische Aktien
Der chinesische Aktienmarkt hat nach dem Hoch des vergangenen Jahres eine dramatische Korrektur erlebt. Der A-Shares-Index CSI 300 hat fast 50 Prozent eingebüßt, während der MSCI China Index, der chinesische Aktien aus Hong Kong und den USA enthält, in den vergangenen neun Monaten um 40 Prozent gefallen ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI China unter Ausschluss der American Depository Receipts (ADRs) liegt nun bei acht und damit nur unwesentlich höher als während der Finanzkrise 2008. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 1,0 liegt sogar unterhalb des Finanzkrisenwertes von 1,2. Gerade beim jüngsten Abverkauf im Januar wurden praktisch keine Unterschiede bezüglich der Fundamentaldaten gemacht. Wir sehen zwar tiefgreifende Probleme in der chinesischen Schwerindustrie, glauben aber, dass eine Reihe innovativer Unternehmen aus dem Konsumgüter- und dem Technologiesektor hervorragende Zukunftsperspektiven hat. Angesichts der dramatisch niedrigen Bewertungen sehen inzwischen viele Unternehmen, unter anderem im Bereich Technologie, interessant aus.
Chinas Bedeutung für den Energiesektor
Evelyne Pflugi und Roberto Cominotto, Fondsmanager, Energieaktien
Im Gegensatz zur herrschenden Meinung ist Chinas Nachfrage nach Öl ungebrochen hoch. Eine schnell wachsende Flotte von Autos und eine Tendenz hin zum Kauf größerer Fahrzeuge haben im Jahr 2015 zu einem Anstieg der Benzinnachfrage um 11 Prozent geführt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das Wachstum 2016 merklich verlangsamt.
China ist zudem der weltgrößte Markt für erneuerbare Energien. Das Land gehört zu den wichtigsten Anbietern für Solarmodule. Angesichts der anhaltend starken globalen Nachfrage geht der Angebotsüberschuss allmählich zurück, insbesondere nach der Ankündigung der USA, ihre Politik zur Förderung nachhaltiger Energien auszuweiten. Auch bei Windturbinen steht China gut da. Chinesische Unternehmen versorgen dabei vor allem den heimischen Markt. Dies liegt zum einen in Qualitätsunterschieden begründet, aber auch in der Tatsache, dass die Nachfrage im Land hoch genug ist, um die im eigenen Land produzierten Turbinen selbst zu nutzen. Aufgrund der hohen Nutzung erneuerbarer Energiequellen bietet China auch eine Reihe von Investmentgelegenheiten in diesem Bereich. Interessant sind dabei unter anderem Windenergieversorger, die vom Ausbau des Leitungsnetzes profitieren sowie Unternehmen, die sich auf die Produktion und Installation von Solarmodulen spezialisieren und sich im untersten Preissegment positionieren.
China und der Luxussektor
Scilla Huang Sun, Fondsmanagerin, Luxusgüteraktien
Die Aktien von Luxusgüterherstellern reagieren sensibel, wenn sich die Stimmung in Bezug auf China verändert – immerhin kaufen die Chinesen ein Drittel aller Luxusgüter weltweit. Allerdings tätigen sie ihre Luxuseinkäufe meist nicht in China, sondern im Ausland, wenn sie auf Reisen sind. Das liegt daran, dass die Preise vor allem in Europa und Japan günstiger sind. Zudem zählt Shopping zu den Lieblingsbeschäftigungen chinesischer Touristen. Angesichts des nach wie vor hohen Wachstums der chinesischen Wirtschaft mit Wachstumsraten von mehr als 6 Prozent werden in den kommenden Jahren viele neue chinesische Luxuskonsumenten heranwachsen. Zudem ist die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft insgesamt gut für den Konsum. Die Einzelhandelsumsätze steigen derzeit mit einer Rate von über 10 Prozent, und auch der Dienstleistungssektor hat sich in den vergangenen Monaten gut entwickelt. Eine der positiven Überraschungen in den Geschäftszahlen zum vierten Quartal war, dass sich Unternehmen wie Richemont, Burberry und Remy Cointreau positiv zu China geäußert haben. Meiner Ansicht nach sieht der Markt die Verfassung des Landes derzeit zu negativ. Historische Trends legen nahe, dass wir uns in einem günstigen Umfeld für Aktieninvestments in den Luxussektor bewegen.
Chinas Effekte auf die Schwellenländer
Paul McNamara, Fondsmanager, Schwellenländeranleihen
Am Ende der Finanzkrise hatte China zu viel von allem: zu viele Investments und zu hohe Schulden. Seither hat sich beides abgeschwächt. Das Ergebnis ist eine schwächere Nachfrage, nachlassendes Wachstum, eine sinkende Inflation und ein Anstieg des Außenhandelsüberschusses. China ist der größte Verbraucher einer ganzen Reihe von Rohstoffen und die schwache chinesische Nachfrage nach diesen Gütern hat zum Sinken der Rohstoffpreise geführt.
Die Korrelation zwischen den Währungen der Schwellenländer und den Rohstoffpreisen liegt bei fast 70 Prozent, und viele rohstoffexportierende Länder haben im vergangenen Jahr einen Absturz ihrer Währungen um 20 Prozent erlebt. Doch die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft ist noch nicht vorbei. So lange sich das Wachstum abschwächt, werden die Rohstoffpreise niedrig bleiben. Doch sobald Anzeichen für eine Stabilisierung erkennbar werden, erwarten wir ein starkes Comeback der Schwellenländer. Das könnte aber möglicherweise noch etwas dauern. Für diejenigen Schwellenländer, die stark auf die Produktion ausgerichtet sind und daher Rohstoff-Importeure sind, zeigt sich schon heute ein besseres Bild: Sie profitieren von den niedrigen Preisen. Ihre Wirtschaft wächst daher derzeit schneller, während zugleich die Inflation fällt und sich ihre Außenhandelsbilanzen verbessern.
Die Schlüsselthemen für Chinas Zukunft
Michael Lai, Fondsmanager, chinesische Aktien
Derzeit beeinflussen vor allem drei Themen die Finanzmärkte: der Ölpreis, der US-Dollar (beziehungsweise die Geldpolitik der Federal Reserve) und die Aussichten der chinesischen Wirtschaft oder, genau genommen, der Ausblick für die Entwicklung der Währung. Es ist interessant, dass die Chinesen auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos offen zugegeben haben, dass die Kommunikation ihrer Politik verbessert werden muss. Größere Klarheit in Bezug darauf, wie die Regierung die eigene Währung und die Wirtschaft insgesamt managt, würde viel dazu beitragen, die Sorgen der Investoren über die gegenwärtigen Herausforderungen zu mildern.