„Die Weltwirtschaft wächst so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr – mit Ausnahme von 2010. Damals basierte die Wachstumsrate jedoch auf dem sehr schwachen Vorjahr,“ so Heger. Rund 3,5 Prozent dürfte die globale Wirtschaft 2017 und 2018 zulegen. „Bemerkenswert ist, dass das Wirtschaftswachstum in den einzelnen Regionen, etwa in den USA, Japan und der Eurozone, über dem Potenzialwachstum liegt,“ sagt Heger. Das Potenzialwachstum stellt den Zuwachs der arbeitsfähigen Bevölkerung plus Produktivitätsgewinne dar. In der Eurozone liegt es bei rund 1,5 Prozent, die Wirtschaft wächst hier hingegen mit über 2,0 Prozent.
Globaler Aufschwung gewinnt an Breite
Das Wachstum erstreckt sich über die Industrieländer bis hin zu den Emerging Markets inklusive der zuvor rezessionsgeplagten Rohstoffländer Brasilien und Russland. Neben dem Konsum als Antriebsmotor sind, speziell in den USA und der Eurozone, zunehmend Anlageinvestitionen zu verzeichnen. „Die regionale und strukturelle Breite des Aufschwungs lässt erwarten, dass sich das Wachstum zumindest 2018 fortsetzt. Aktuell sehe ich keinerlei Ungleichgewichte, die oft das Ende eines Aufschwungs auslösen,“ erklärt Heger. Auch die drohende Inversität der Zinsstrukturkurve in den USA beunruhigt ihn nicht. Eine abflachende Kurve ist in der Regel ein guter Indikator für eine bevorstehende Rezession. „Dies gilt diesmal nicht, da die Kurve durch Notenbankkäufe verzerrt ist. „ Die Notenbanken in Japan und der Eurozone halten mit ihren Anleihekäufen die Anleiherenditen niedrig. Daher weichen Investoren in die USA aus und drücken dort die langfristigen Renditen nach unten.“
Liquiditätsberg der Notenbanken wächst zunächst weiter
Ebenfalls nicht erkennen kann Heger Hinweise auf einen deutlichen Anstieg der Inflation. Die meisten Notenbanken in den Industrieländern haben ihre Zielmarke von zwei Prozent noch immer nicht erreicht. „Für eine Inflationsbeschleunigung müssten die Löhne stärker steigen. Darauf gibt es trotz ausgelasteter Arbeitsmärkte in den USA, Japan und Deutschland zurzeit keine Hinweise.“. Hierfür sieht er strukturelle Gründe, wie die Digitalisierung, deren Auswirkungen vor allem die Lohnverhandlungen für Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich erschweren.
Aufgrund des fehlenden Inflationsdrucks können sich die Notenbanken Zeit lassen bei ihrem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik. Der in den vergangenen Jahren durch Anleihekäufe aufgebaute Liquiditätsberg dürfte zunächst noch moderat anwachsen. Im vierten Quartal 2018 könnte sich das Bild jedoch drehen. Der dann geplanten Rückführung der US-Notenbankbilanz um monatlich 50 Mrd. Dollar und dem möglichen Ende des Aufkaufprogramms der EZB stünden dann nur noch Käufe der japanischen Notenbank gegenüber. „Für die liquiditätsverwöhnten Kapitalmärkte könnten durchaus Entzugserscheinungen drohen,“ so Heger. Immerhin dürften die tatsächlichen Zinserhöhungen nur sehr zurückhaltend ausfallen. Heger rechnet in den USA mit einem Zinsschritt im Dezember 2017 und mit ein bis zwei Erhöhungen 2018. Für die EZB ist der erste Zinsschritt erst 2019 zu erwarten.
Aktien sind 2017 in der Bewertung nicht teurer geworden
Für die Aktienmärkte droht von der Notenbankseite also zunächst keine Gefahr. Stattdessen erhalten sie Rückenwind durch die gute Konjunktur, die die Gewinne der Unternehmen steigen lässt. Bei acht bis zwölf Prozent dürfte das Gewinnwachstum für 2017 in der Eurozone und den USA liegen. Der Zehn-Jahres-Zins ist auf ähnlichem Niveau wie zu Jahresanfang. „Die Bewertung der Aktien hat sich in diesem Jahr also nicht verteuert, und insbesondere gegenüber Anleihen sind Aktien immer noch sehr attraktiv ,“ schlussfolgert Heger.
Ansprechende Risikoprämien können Anleger in der Eurozone, Japan und anderen asiatischen Ländern finden. „Wir sind zwar in der Spätphase des Aufschwungs. Aber das ist kein Grund, bereits jetzt aus Aktien auszusteigen. Für 2018 sind durchaus noch zweistellige Kursgewinne möglich,“ meint Heger, der gegenüber Rohstoffländern vorsichtig ist. Der HSBC-Experte erwartet, dass China in den nächsten Jahren weniger auf Wachstum um jeden Preis setzt, sondern Präsident Xi Jinping die Schuldensituation entschärft und seine Reformagenda angeht. Folglich würden die Investitionen in Infrastruktur und Immobilien sinken, was weniger Rückenwind für Rohstoffe bedeutet.
Risikoprämien sind in den meisten Anleihesegmenten nicht mehr ausreichend
Für Anleihen ist Hegers Ausblick deutlich pessimistischer als für Aktien, auch wenn er nur mit leicht steigenden langfristigen Zinsen rechnet. „Trend-Segmente aus 2017, wie Eurozonen-Unternehmensanleihen aus dem Investmentgrade- und dem High-YieldBereich, haben Attraktivität eingebüßt. Durch die Käufe der EZB sind die Risikoprämien hier nicht mehr ausreichend,“ urteilt Heger. Im Anleihesegment ist Feinjustieren das Gebot der Stunde. „Wir erwarten zumindest vergleichsweise gute Chancen bei Emerging-Markets-Anleihen oder in spezielleren Segmenten wie inflationsindexierten Bonds und Wandelanleihen. Staatsanleihen aus Industrieländern sollten allerdings im Portfolio als Versicherung gegen Kurseinbrüche am Aktienmarkt nicht ganz fehlen,“ erläutert Heger seinen Allokationsansatz für das kommende Anlagejahr.
(HSBC)