Zu dieser Einschätzung kommen die Experten des britischen Vermögensverwalters Legal & General Investment Management (LGIM) in ihrem aktuellen makroökonomischen Ausblick. Sie raten daher Investoren, sich bei ihren Anlageentscheidung nicht von der Krisenstimmung an den Märkten und der Furcht vor weiteren starken Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten anstecken zu lassen. „Die vergangenen Wochen haben uns vor Augen geführt, dass ein Investment in Aktien mit Risiken verbunden ist“, sagt Bruce White, Anlageexperte bei LGIM. „Die historische Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass das Erholungspotenzial nach solchen Episoden enorm ist. Sich in solchen Situationen gegen die Schwäche aufzulehnen als davor zu kapitulieren, dürfte langfristig belohnt werden.“ Gleichwohl besteht durchaus die Gefahr, dass der Aufruhr an den Märkte in den vergangenen Wochen Folgen für die Realwirtschaft haben kann. „Die Marktteilnehmer sorgen sich über die Möglichkeit einer Rezession. Das hat in der Folge bereits zu einer Verschlechterung des Finanzierungsklimas geführt, so dass das Risiko, dass sich die negativen Erwartungen praktisch selbst erfüllen, gestiegen ist“, warnt Emiel van den Heiligenberg, Chef-Anlagestratege bei LGIM. Er mahnt die Investoren jedoch, kühlen Kopf zu bewahren. „Angesichts der Marktturbulenzen sollte man sich klar machen, dass ein Konjunkturaufschwung üblicherweise nicht allein aufgrund seiner vorangeschrittenen Dauer von heute auf morgen endet. Zudem spricht im Moment nur wenig dafür, dass sich der Aufschwung in einer spätzyklischen Phase befindet.“
Der LGIM-Experte weist darauf hin, dass Rezessionen typischerweise aus einer Kombination überschäumender gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, Ungleichgewichten in der Binnenwirtschaft und starken externen Schocks entstehen. „Die Märkte bekommen zwar im Moment in der Tat externe Schockwellen zu spüren, die ausgelöst wurden durch das schwache Wachstum in den Emerging Markets und die steigenden Kreditrisiken, ebenfalls speziell in den Schwellenländern“, so van den Heiligenberg. „Doch während eine Reihe von Emerging Markets unter Druck stehen, sind wir vergleichsweise zuversichtlich für die Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer.“ Als Argumente dafür führt van den Heiligenberg die weiterhin stabilen Einkommen der US-Haushalte an, die gestützt werden durch niedrigere Energiepreise und einen stabilen Arbeitsmarkt. „Ein Schlüsselreiz für eine Rezession wäre es, wenn sich die Unternehmen entscheiden, ihre Produktion zurückzufahren. Dann würden die Arbeitsmarktindikatoren automatisch mehr Bedeutung bekommen und in den Fokus rücken.“
Von den Kursrückgängen seit Jahresanfang besonders betroffen waren Aktien der etablierten Großbanken. Sinkende Erträge und steigenden Refinanzierungskosten haben die Kurse vieler Institute stark unter Druck gebracht. „Die Neubewertung reflektiert zum einen die Überzeugung des Marktes, dass ein Abschwung bevorsteht“, sagt LGIM-Kollege White. „Zum zweiten sind Banken aufgrund ihres Finanzierungsmodells besonders verwundbar gegenüber jedem Anstieg notleidender Kredite – und genau das ist zu erwarten, vor allem im Energiesektor.“ Dazu zehren strengere Aufsichtsregeln, höhere Kapitalanforderungen und die geringen Zinsmargen aufgrund des niedrigen Zinsniveaus langfristig an der Profitabilität vieler Geldhäuser. „Die neuen Regeln haben zweifellos unerwünschte Nebeneffekte. Sie wurden entwickelt, um Banken für Sparer und Steuerzahler sicherer zu machen“, so White. „Dies bedeutet aber auch, dass Anteilseigener und Gläubiger mehr als bisher damit rechnen müssen, dass sie im Falle einer Schieflage zur Kasse gebeten werden.“ Das führt White zufolge potenziell zu einem Teufelkreislauf: Eine schwächere Wirtschaft bedeutet höhere Kreditausfälle, was auf die Aktien und Anleihen der Banken drückt. Durch diesen Druck haben die Geldhäuser einen Anreiz, ihre Ausleihungen an die Realwirtschaft zurückzufahren.
An den Aktienmärkten beschäftigen sich dagegen die Investoren zum wiederholten Male mit der Frage, ob die Notenbanken in der Lage sind, das Vertrauen wiederherzustellen. „Die Dynamik dieses Prozesses wird aktuell vor allem in Japan beobachtet. Trotz der geldpolitischen Lockerung tendiert der Yen stärker und die Aktienkurse sind schwächer. Es ist also genau das Gegenteil davon eingetreten, was die Notenbank beabsichtigt hat.“ Die beiden LGIM-Experten warnen jedoch vor der Annahme, dass die Geldpolitik wirkungslos geworden sei. „Die politischen Entscheidungsträger werden sich auch weiterhin unkonventioneller Instrumente bedienen bei ihren Versuchen, das Wachstum und die Inflation zu stimulieren.“