Der grüne Regulierungszug fährt weiter unter Volldampf. Nach Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung (SFDR) hat die EUKommission im April nun eine Verordnung zur Klimataxonomie beschlossen. Damit wird ein erster Schwung an technischen Bewertungskriterien eingeführt, mit deren Hilfe bestimmt werden soll, welche Tätigkeiten wesentlich zur Erreichung von zwei der in der Taxonomie-Verordnung festgelegten Umweltzielen beitragen: Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz. Diese Kriterien stützen sich auf wissenschaftliche Empfehlungen der Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen. Obwohl die Hauptstreitpunkte der Energiegewinnung aus Gas und Atomkraft ausgeklammert wurden, bleibt den Brüsseler Beschlüssen erhebliche Kritik nicht erspart. Sie kommt vor allem aus dem Bereich der Wissenschaft als auch von den NGOs. Der Vorwurf: Verschiedene Kriterien seien wenig hilfreich, um den Kampf gegen den Klimanotstand zu gewinnen. Im Gegenteil, ein effektiver Klimaschutz würde mit dem vorgelegten Entwurf untergraben.
BERATERGREMIUM FÜHLT SICH ÜBERGANGEN
Derart etwa argumentierten verschiedene Wissenschaftler und Experten in einem Brandbrief an die EU-Kommission. Das Pikante: Alle Unterzeichner gehören der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen an, die von der EU-Kommission eigens ins Leben gerufen worden war, um sich von Experten in Sachen Nachhaltigkeit beraten zu lassen. Eben jene Experten kommen nun zu dem Ergebnis, dass die Verordnung in zahlreichen Bereichen „einen Bruch mit den vorab aufgestellten Regeln der Taxonomie“ darstelle. „Insbesondere die Kriterien für Forstwirtschaft, Bioenergie und fossiles Gas stehen in klarem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Klimawissenschaft“, heißt es in dem Brief. Naturgemäß zeigen sich dessen Verfasser enttäuscht. Sie konstatieren eine Politisierung des Prozesses, der sich über die Arbeit der Experten hinwegsetze. Und sie schreiben: „Sollten Politik und Lobbyismus die Oberhand über die Wissenschaft gewinnen, ist es unsere Verantwortung, Sie zu informieren, dass wir gezwungen wären, unseren Beitrag zur Plattform zu überdenken.“ Diesen Schritt haben andere bereits vollzogen. Als Reaktion auf die Verordnung der EU-Kommission erklärten Vertreter von fünf NGOs geschlossen ihren Rückzug von der Plattform für nachhaltige Finanzen. Sie forderten Gespräche mit der Kommission über Regeln, die wirksam verhindern sollen, dass die wissenschaftliche Grundlage der EU-Taxonomie-Bemühungen weiter gefährdet werde. Im weiteren Verlauf setzen die Kritiker vor allem auf das EUParlament, dessen Zustimmung in diesem Gesetzgebungsverfahren benötigt wird. Von dort hatte es zuletzt ebenfalls Kritik an der Verordnung gegeben. Einige Abgeordnete bezeichneten die Verordnung als nicht vereinbar mit der zugehörigen Taxonomie-Rahmenverordnung, auf die sich das Parlament und die Finanzminister der Mitgliedsstaaten im Dezember 2019 geeinigt hatten.
GREEN LABEL PRAXISUNTAUGLICH
Ebenfalls im April wurden die Pläne der EU-Kommission zur Einführung eines grünen Labels für Finanzprodukte bekannt. Mit dessen Hilfe sollen Privatanleger mehr Klarheit darüber erhalten, wie grün ein Finanzprodukt tatsächlich ist. Bei Praktikern aus der Fondsbranche sind die Vorschläge zum Öko-Label bisher nicht gut angekommen. „Nach Stand der Dinge bedauern wir feststellen zu müssen, dass das Öko-Label auf dem Weg ist, an die Wand zu fahren“, äußerte sich etwa Philippe Zaouati, CEO des auf nachhaltige Investmentstrategien spezialisierten Asset Managers Mirova. Aus seiner Sicht sind die Kriterien zu eng gefasst, als dass sie von den meisten Fonds am Markt vernünftigerweise eingehalten werden könnten. Die Menge an grün gelabelten Fonds, die am Ende übrigbleibe, sei zu gering, um den für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft erforderlichen Finanzbedarf signifikant zu aktivieren.
Auch andere Experten warnen vor zu engen Bedingungen bei der Vergabe des Öko-Labels. So etwa Dr. Magdalena Kuper, seit März dieses Jahres Head of Sustainability beim deutschen Fondsverband BVI. Dem Handelsblatt sagte die Juristin: „Wir sehen kritisch, dass die Schwellenwerte für den grünen Portfolioanteil nach wie vor zu ambitioniert sind und zu wenig Raum für die Diversifikation lassen. Überdies halten wir die Listen für ökologische und soziale Ausschlüsse für zu lang.“ Hinter den Bedenken der Experten steht die Sorge, dass bei Umsetzung des vorliegenden Kommissionsentwurfs nachhaltigen Fondsmanagern ein zu enges Korsett vorgeschrieben wird. Die Folge: Ein ansprechendes Rendite-Risiko-Profil ließe sich dann ohne Weiteres nicht mehr erzielen. Die Fondsmanager nachhaltiger Fonds müssten dann entweder unverantwortliche Klumpenrisiken auf sich nehmen oder ganz auf das Öko Siegel verzichten.
„Das wäre weder im Sinne der Anleger noch im Sinne der Fondsanbieter“, so Kuper.
(MEIN GELD)