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Nicht alles gesellschaftlich Notwendige ist gleichzeitig nachhaltig

Wenn etwas nicht definiert ist, heißt das noch lange nicht, dass es alles sein kann. Trotz aller regulatorischen Bemühungen bleibt Nachhaltigkeit ein Konzept, dessen Definition keine klaren Grenzen und genau beschreibbare Merkmale hat, dass ein für alle Mal klar ist, was es nun damit auf sich hat. Beliebig ist dieser – mittlerweile zugegebenermaßen überstrapazierte – Begriff deshalb aber nicht.

In der Art und Weise, wie wir nachhaltig wirtschaften wollen, wie die Kapitalmärkte Lösungen zur Finanzierung dieser langfristigen Wohlstandsprophylaxe entwickeln und Anlegende ihr Geld dafür zur Verfügung stellen, hat man sich in den letzten 20 Jahren auf allgemeine Prinzipien verständigt, sind Grundsätze entstanden und haben sich mittlerweile Rahmenwerke etabliert, die den
Nachhaltigkeitsbegriff mit konkreten Eigenschaften ausstatten und damit eingrenzen.

Selbstverständlich bleibt es jeder und jedem Einzelnen von uns überlassen, was sie oder er individuell unter Nachhaltigkeit versteht, jedoch möchte ich an dem aktuell kontrovers diskutierten Beispiel, ob Waffen als nachhaltig gelten sollen, Argumente anführen, dass es keine opportunistische Beliebigkeit ist, mal etwas als nachhaltig zu deklarieren und mal nicht:

„Opportunistisch“ gleich zu Beginn, da es vor dem verdammenswerten Angriffskrieg von Putins Russland auf die schützenswerte Ukraine auch bereits viele andere bewaffnete Konflikte auf der Welt gab, bei der zumindest die Schar derer, die nun sogar Waffen als „Mutter aller Nachhaltigkeit“ ausrufen, in keiner Weise Forderungen formulierten, Waffen als nachhaltig einzustufen. Es ist schon eine gewisse Doppelmoral, nur dann den „nachhaltigen“ Verteidigungseffekt von Waffengewalt anzuführen, wenn es den eigenen Interessen dient. Im Gegenteil, Waffen waren lange Zeit unbestrittenes Ausschlusskriterium ersten Ranges, wenn es um die Bestückung entsprechender Portfolios ging.

Und was etablierte Rahmenwerke angeht, so kennt jede und jeder von uns aktuell die drei Buchstaben „ESG“ als deren zugrundeliegenden Merkmale. Also die Erreichung ökologischer und sozialer Ziele unter einer verantwortungsvollen beziehungsweise „guten“ (Unternehmens-)Führung. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Pariser Klimaziele, die EU-Taxonomie als Katalog umweltbezogener Wirtschaftsaktivitäten oder das (naturwissenschaftliche) Konzept planetarer Belastungsgrenzen sind solche Rahmenwerke. Keines dieser Konzepte sieht Waffen als einen nachhaltigen Lösungsweg, im Gegenteil. Die von positiven Beiträgen sprechenden UN Sustainable Development Goals (SDGs) fordern sogar deren Reduzierung.

Eine weitere wichtige Maßgabe ist das sogenannte „Do not (significant) harm“- Prinzip, das durch die EU-Taxonomie populär wurde: Etwas ist nicht nachhaltig, wenn es mit einer Aktivität verbunden ist, die (signifikanten) Schaden anrichtet. Und hier liegt wohl das gewichtigste Argument bei Waffen: Rüstungsgüter sind per se auf Zerstörung angelegt. Der (nachhaltige) Zweck (Frieden) heiligt daher noch lange nicht das (zerstörerische) Mittel.

Verstehen Sie mich bitte nun nicht falsch: Dass nicht nur wir für das geopolitische Gleichgewicht auf der Welt, unsere Landesverteidigung und den Schutz unserer Bevölkerung im Rahmen der inneren Sicherheit Waffen benötigen, steht außer Frage. Das ist leider eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Panzer lassen sich nicht mit Wattebäuschen aufhalten. Durch das primäre Ziel des Kaputtmachens mutet ein expliziter Nachhaltigkeitsstempel für Waffen und Rüstung jedoch als Pervertierung des Nachhaltigkeitsgedankens an. Denn nicht außer Acht zu lassen ist auch folgendes: Rüstungsgüter gelangen trotz Exportkontrollen auch regelmäßig in die Hände von Despoten. Dort werden sie für Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtswidrige Kriege missbraucht – auch Russland hat während und nach der Krim-Krise 2014 weiter Rüstungsgüter von EU-Unternehmen erhalten. Bomben werden an Saudi-Arabien geliefert, U-Boote und Fregatten nach Ägypten bzw. in die Türkei exportiert. Und auch ein demokratischer Staat wie das belieferte Israel agiert trotz des verabscheuenswürdigen Terror-Überfalls der Hamas in nicht wenigen Augen zunehmend unverhältnismäßig, indem es – abgesehen von der Traumatisierung einer heranwachsenden Generation und nicht gerade zukünftigen Hass und Gewaltbereitschaft eindämmenden Aktionen – viele zivile Kollateralschäden, inklusive Kranke und Kinder, in Kauf nimmt. Über die weitere fatale Verwendung von Waffen in den falschen Händen seien beispielhaft die Stichworte Schulmassaker, Drogenbanden oder Kindersoldaten genannt.

Es bleibt weiterhin ein individuelles Ermessen, ob Waffenhersteller in Nachhaltigkeits- Portfolios landen sollten. Viele Argumente sprechen jedoch dagegen. Meines Erachtens gehört diese gesellschaftliche Notwendigkeit nicht mit einem Nachhaltigkeits- Stempel ausgestattet. Es gibt genügend andere Finanzierungsmöglichkeiten friedenssichernder Maßnahmen durch Waffengewalt,
damit Nachhaltigkeit gedeihen kann. Diese Maßnahme an sich erscheint nicht nur mir aber als nicht nachhaltig.

ROLAND KÖLSCH

 

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