Die wichtigsten Aktienindizes sind jüngst wieder stark angestiegen. So weisen die europäischen Indizes inzwischen seit Jahresbeginn ein Plus von rund 20 % auf. Grund für den Aufschwung waren zu einem großen Teil die im Oktober veröffentlichten Unternehmensergebnisse über die ersten drei Quartale – doch nicht überall hat die Berichterstattung Jubelstimmung ausgelöst.
„Everybody’s Darlings“ profitieren
Die Anleger scheinen mehr auf die Wachstumsdynamik als auf das Kursniveau der zugrundeliegenden Unternehmen geachtet zu haben. Denn die verkündeten Ergebnisse haben allen voran Titel begünstigt, die bereits im Vorfeld gut bewertet waren und nachgefragt wurden. Das beste Beispiel ist Tesla: Trotz der Überbewertung sorgten die Quartalsergebnisse für einen regelrechten Überschwang – der nur durch Elon Musks Twitter-Umfrage etwas eingedämmt wurde. Hinzu kommt, dass die makroökonomischen Nachrichten in den letzten Wochen unterstützend gewirkt haben: Der Konsum in den Vereinigten Staaten ist höher als erwartet, die französische Wirtschaft kehrt auf das Niveau vor der Pandemie zurück, und die Erklärungen der EZB zu künftigen Zinserhöhungen sollten die Lage beruhigen.
Gemischtes Bild bei Value-Titeln
Auf der einen Seite haben auch im Value-Bereich einige Titel Kurssteigerungen im Oktober verzeichnen können. Die Veröffentlichungen von Kion (+17%), Page (+7%) und Randstad (+7%) wurden positiv aufgenommen. Alle drei Unternehmen sind europäische Zykliker und vermeldeten einen Anstieg ihrer Auftragsbestände sowie die Anhebung ihrer Ziele. Und auch die Kurse von Finanzunternehmen wie Scor (+16%), BNP Paribas (+4,4%) und Société Générale (+6%) legten zu. Auf der anderen Seite wurden kleinste Enttäuschungen streng bestraft. Das Kontrastprogramm zur Entwicklung bei Tesla kam beispielsweise bei IBM zum Vorschein. Das Unternehmen ist zwar an der Börse sehr günstig bewertet, doch die Ergebnisse enttäuschten die Anleger, da die Aktivitäten der Abteilung für Infrastrukturdienste vor der Abspaltung Anfang November rückläufig waren. Auch Worldline musste nach Veröffentlichung seiner Pressemitteilung einen Kursabfall von 24 % im Laufe des Monats hinnehmen.
Anleihen nach wie vor mit Vorsicht zu genießen
Die starken Auswirkungen der Quartalsergebnisse – insbesondere im positiven Bereich – sind nicht zuletzt auf das sehr niedrige Zinsniveau zurückzuführen. 10-jährige Staatsanleihen notieren in den Vereinigten Staaten etwas über 1,5 %, in Deutschland und Frankreich immer noch um die 0 %. Das hat bei Unternehmen mit hoher Visibilität oder Wachstum zu hohen Bewertungsmultiplikatoren geführt. Die wieder aufkeimenden Inflationsängste könnten diese Übertreibungen allerdings in Zukunft wieder abschwächen und es stellt sich die Frage, ob sich die in den letzten zehn Jahren beobachtete Hierarchie tiefgreifender ändern würde, wenn die Inflation in der kommenden Zeit strukturell etwas über den Zielen der Zentralbanken (2 %) liegen würde. Auf jeden Fall ist bei Anleihen, die derzeit unter einer negativen Realrendite leiden, Vorsicht geboten. Der „faire Preis“ ist langfristig betrachtet bei allen Anlageentscheidungen ein immens wichtiger Faktor.
(Instinctif Partners)