Seit die regulatorischen Vorgaben rund um die EU-Offenlegungsverordnung, die ESMA-Leitlinie für nachhaltigkeitsbezogene Fondsnamen etc., sich weiter konkretisiert und verdichtet haben, treten doch oft um einige Themenkomplexe noch immer Fragezeichen auf. Welches Derivat wird zu Investitions-, welches zu Absicherungszwecken gehalten und welches dient der Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale und welches ist ein nachhaltiges Investitionsziel?
Eine weitere Frage, die viele am Markt latent umtreibt, ist die Frage nach Nachhaltigkeit von Rohstoffen. Der Goldpreis erreicht regelmäßig neue Höchststände. Ist also ein ETC auf Rohstoffe oder im Speziellen Gold in einem auf Nachhaltigkeit ausgelegten Finanzprodukt zulässig? Wenn ja, ist dies neutral zu betrachten? Gibt es Rahmenbedingungen oder Vorgaben? Oder ist es sogar eine nachhaltige Investition im regulatorischen Sinne? Schließlich ist Gold als Rohstoff ja nur zu einem gewissen Teil das Ausgangsprodukt für Schmuck als Luxusgut, sondern dient vielmehr als Rohstoff für Zukunftstechnologien, beispielsweise in der Halbleiterindustrie. Also klar nachhaltig, oder? Das Beispiel Gold veranschaulicht ganz gut die derzeitige Auslegung der Regulatorik rund um Artikel 9 der Offenlegungsverordnung.
Die Antwort lautet bislang klar „nein“. Zumindest solange es an einer Argumentation mangelt, warum der Rohstoff Gold für sich allein betrachtet einen ökologischen oder sozialen Beitrag leistet. Oder warum es für einen Finanzmarktteilnehmer eine Investition, eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, die zur Erreichung eines Umwelt- oder Sozialziels beiträgt. Technologiefirmen, die mit Gold arbeiten, können unter gewissen Vorgaben sehr wohl dazu beitragen, ein Umwelt- oder Sozialziel zu erreichen, indem sie mit dem Rohstoff eine Zukunftstechnologie herstellen, somit geeignet für ein Artikel-9-Produkt. Genauso gut kann aber auch ein Luxuskonzern, der mit Gold arbeitet und der in seinem generellen Geschäftsmodell internationale Verhaltensrichtlinien und Normen beachtet und nicht gegen diese verstößt, die ökologischen und sozialen Merkmale eines Finanzproduktes bewerben, kurz: in einem Artikel-8-Produkt. Was aber sind diese Vorgaben? Eines ist Do-No-Significant-Harm: Schädigt der Emittent mit der Tätigkeit ein anderes Umweltziel, beispielsweise den Erhalt der Biodiversität? Vielleicht, denn den Ursprung des Rohstoffs Gold darf man nicht außer Acht lassen. Eine weitere Vorgabe sind die Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung, zum Beispiel die Beziehung zu Arbeitnehmern. Vermutlich nicht ganz einfach, wenn man bedenkt, wo und wie Gold gefördert wird.
Betrachten wir nur Gold als Rohstoff alleine, ohne das Dazutun eines Unternehmens, so ist dieser Rohstoff bestenfalls neutral. Die Gewinnung kann jedoch mit einem ausbeuterischen Umgang mit der Umwelt oder der Verletzung grundlegender Arbeitsrechte einhergehen, insbesondere in Entwicklungsländern, wo der Bergbau oft im Mittelpunkt von Konflikten steht. In einem ETC-Produkt wird Gold oft als physische Besicherung verwendet. In den letzten Jahren geht die Industrie hier mehr und mehr dazu über, ETCs mit sogenanntem Responsible Gold¹ zu verwenden. Hier gibt es beispielsweise Vorgaben der London Bullion Market Association (LBMA) oder das sogenannte Xetra-Gold², um zumindest die negativen äußeren Einflüsse zu minimieren. Ob man mit diesem ETC wirklich ökologische und soziale Merkmale bewerben kann im Artikel-8-Kontext, ist Geschmacks- und Auslegungssache (oftmals nicht, meist neutral). In jedem Fall sind diese ETCs bis auf Weiteres keine nachhaltige Investition. Die Firmen, die damit arbeiten, können dies jedoch sehr wohl sein. Nach jüngsten Entwicklungen fordern einige Institutionen verstärkt, recyceltes Gold zu verwenden und den weltweiten Goldabbau massiv zu reduzieren. Recyceltes Gold könnte auf ein anderes Umweltziel einzahlen: Kreislaufwirtschaft. Aber bislang ist dieser Teil noch zu klein, um als Besicherung in physischen Gold-ETCs dienen zu können.
Es bedarf also mehr Innovation: in der Bergbaubranche, in der Finanzindustrie oder mehr Engagement der Finanzindustrie mit Minenkonzernen, um die Mindestanforderungen einzuhalten. Dann wird Gold auch nachhaltig(er).
DR. ROBIN BRAUN
1 https://www.lbma.org.uk/publications/responsible-gold-guidance-v9