Die Weltwirtschaft befindet sich in einer synchronen Wachstumsphase, da scheint es unverständlich, warum es gerade jetzt zu Kursrückgängen an den Aktienmärkten kommt. Vier Aspekte fallen bei täglicher Marktbeobachtung ins Auge. Die derzeit so hoch in den Schlagzeilen rangierende Handelspolitik von Donald Trump gehört nach unserer Einschätzung nicht an den Anfang dieser Liste.
I. Frühindikatoren
Die Börse ist ein Antizipationsmechanismus. Wenn die volkswirtschaftlichen Daten eine Rezession melden, dann gab es den damit im Zusammenhang stehenden Kursrückgang mindestens sechs bis zwölf Monate vorher. Auch in dieser Woche wurden wieder Frühindikatoren veröffentlicht, die andeuten, dass die so schön synchron weltweit laufende Aufwärtsbewegung vielleicht doch nicht mehr so lange dauert, wie gedacht.
II. Europa
Nach den Wahlen in Europa, schienen auch die Probleme vorerst vorbei zu sein. Allerdings fiel Mario Draghi damit auf, dass er – für seine Verhältnisse – die europäischen Banken ziemlich rüde aufforderte, die letzten Altlasten aus der Krise von 2008 endlich zu beseitigen. Die schneller als erwartet ablaufenden Schritte zur Regierungsbildung in Italien könnten Europa die Unsicherheiten bescheren, vor denen sich die Märkte in den letzten Jahren bereits mehrfach gefürchtet haben.
III. US-Tech-Sektor
Technologie ist für die US-Börsen der wichtigste Sektor und dieser wird seit Tagen von einer Vielzahl negativer Nachrichten erschüttert. Stichworte wie Cambridge Analytica und Facebook, Ubers Autounfall in Arizona und ein weiterer mit einem Tesla-Fahrzeug haben das Potential die Lieblingsthemen „Social Media“, „Autonomes Fahren“ und „Elektro“ in bisher nicht gekannter Weise auf den Prüfstand zu stellen.
Zum ersten Mal seit längerer Zeit erhöht sich der Druck auf die sogenannten „FANG“-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix, Google), weil es Entwicklungen gibt, die sich zu fundamentalen Problemen für die Geschäftsmodelle ausweiten können. Facebook wirkt sich auf den gesamten Bereich Social Media und alle Gesellschaften aus, die vom Datenverkauf leben. Entsprechende Schockwellen sind im Bereich der Zulieferer für autonomes Fahren und Elektromobilität zu beobachten. Der hohe prozentuale Anteil der FANG-Aktien in vielen Indizes und anderen passiven Produkten birgt die Gefahr, dass sich Rückschläge in diesem Bereich viel stärker negativ auswirken, als die meisten Investoren erwarten.
IV. Markttechnik
Sie müssen kein Anhänger der technischen Aktienanalyse sein. Es reicht, dass sie akzeptieren, dass viele Anlageprodukte und Strategien defacto Methoden der technischen Analyse verwenden, auch wenn sie sich „Smart“ oder „Low Vol“ nennen. Das hat zur Folge, dass in den heutigen Märkten technische Marken eine Bedeutung haben, die ihnen früher so nicht zukam.
Die Markttechnik sieht derzeit nicht gut aus. Nehmen Sie den Chart der Deutschen Bank zur Hand. Dieser ist seit Tagen Top-Thema im US-Börsenfernsehen und das ist ein wichtiges Zeichen für die Stimmung unter den Investoren – „behavioral finance“ lautet das Stichwort. Intransparentes Derivatebuch, steigende Refinanzierungskosten und ein überdimensioniertes Investmentbanking sind nur einige Aspekte. Wir haben das Thema schon früher beleuchtet in unserer Notiz „Deutsche – living the ‚Glencore-Moment‘ vom 16. Oktober 2016.
Zur Markttechnik gehört auch der Hinweis, dass der derzeit weltgrößte Hedgefonds Bridgewater von Ray Dalio Ende letzter Woche seine Shortpositionen bei DAX-Aktien weiter erhöht hat. Interessant wäre natürlich zu wissen, welche Positionen Bridgewater auf der Long-Seite hält. Dafür gibt es aber keine so kurz laufende Meldepflicht wie für Short-Positionen. Deshalb ist die Long-Seite des Bridgewater-Portfolios derzeit noch nicht bekannt.
Und zu guter Letzt: CNBC meldet, dass die Zuversicht unter den Investoren trotz der gestiegenen Volatilität weiterhin auf einem 17-Jahres-Hoch liegt – nur im Jahr 2000 waren die Investoren euphorischer. Das stimmt leider auch nicht gerade zuversichtlich für die Phase die vor uns liegt.
(Mellinckrodt)