Von Bankenrettungsaktionen bis hin zum „Fed Put“ stellt das „Moral Hazard“-Problem seit langem eine wichtige Determinante der Marktpreise und des Anlegerverhaltens dar. Emittenten, Märkte und Anleger bauen dabei darauf, dass die Politik bei Fehlentwicklungen am Ende einspringt. In den Schwellenländern war der Internationale Währungsfonds (IWF) seit vielen Jahren schlichtweg der Kreditgeber letzter Instanz. Der IWF unterstützt zahlreiche Krisenländer, versucht aber auch, das „Moral Hazard“-Risiko zu minimieren, indem er verlangt, dass die Kreditnehmer bestimmte Bedingungen erfüllen und finanzielle Ziele definiert haben.
Der IWF ist jedoch nicht mehr der einzige Akteur auf diesem Gebiet: Während der wirtschaftliche und politische Einfluss der USA abnimmt, nutzen andere Länder mit den entsprechenden Mitteln zunehmend Finanzhilfen, um ihr geopolitisches Gewicht zu stärken. Diese Kreditgeber sind teils im direkten Wettbewerb mit dem IWF bereit, Finanzierungen zu nicht-kommerziell kalkulierten Bedingungen für Länder in Not bereitzustellen, teils ohne oder mit nur wenigen Auflagen. Infolgedessen haben die „Moral Hazard“-Fälle in den Schwellenländern deutlich zugenommen, insbesondere bei Emittenten, deren Ratings im Hartwährungsbereich mit einem niedrigen Single-B und darunter bewertet werden.
Zu diesen nicht-kommerziellen Kreditgebern gehört vor allem China, das seine Bilanz im Ausland – vor allem über chinesische Banken, die Projekte von chinesischen Auftragnehmern finanzieren – als Mittel zur Einflussnahme und Ressourcensicherung sowie zur Subventionierung seiner staatlichen Unternehmen einsetzt. Diese Form der Kreditvergabe gibt es schon seit geraumer Zeit, hat sich aber seit 2013, als die so genannte chinesische „Belt and Road“-Initiative Gestalt angenommen hat, dramatisch beschleunigt. Der Umfang chinesischer Finanzierungen in den Emerging Markets steht nun im Wettbewerb mit derjenigen des IWF und umfasst Kredite ähnlich derer von Exportkredit-Agenturen, bilaterale Kredite, die durch physische Rohstoffe gesichert sind sowie bilaterale Währungsswapvereinbarungen auf Zentralbankebene.
Andere Länder mit hohen Devisenreserven treten in die Fußstapfen Chinas und leisten finanzielle Unterstützung in der gesamten Region des Nahen Ostens und Nordafrikas, in anderen Teilen Afrikas und Asiens. Ebenso nutzt Russland seit langem Finanzhilfen, um die Beziehungen zu den GUS-Staaten (ehemalige Sowjetunion) aufrechtzuerhalten (insbesondere zu Belarus und früher auch zur Ukraine).
Während ein Großteil der bilateralen Kredite zwischen Schwellenländern vergeben wurde, haben auch die USA in letzter Zeit die Bilanz der Overseas Private Investment Corporation (OPIC) erhöht und damit noch mehr Mittel für Schwellen- und Grenzstaaten bereitgestellt.
Auswirkungen auf Schwellenlandanlagen
Die rasche Verfügbarkeit von Geld hat mehrere Konsequenzen für Schwellenlandinvestoren.
– Erstens neigt sie dazu, den Grad an Kreditfinanzierung bereits schwacher Kreditnehmer zu erhöhen, manchmal zur Finanzierung von Projekten, die wirtschaftlich nicht tragfähig sind. So sind beispielsweise in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara zahlreiche Länder, die die 1996 eingeleitete Initiative der Weltbank/IWF für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) zum Abbau ihrer Verschuldung genutzt haben, wieder zu nicht nachhaltigen Schuldenlasten zurückgekehrt, weil sie viel Kapital von China (und den Märkten) aufgenommen haben.
– Darüber hinaus werden die bestehenden offiziellen Gläubiger flexibler bei der Umstrukturierung und schwache Kreditnehmer können nun länger von der „geliehenen Zeit“ leben. Aber die Unterstützung durch die neuen Kreditgeber ist unvorhersehbar und weniger hilfreich als die Kredite des IWF. Die Kreditvergabe durch Nicht-IWF-Akteure erfolgt in der Regel ohne makroökonomische Auflagen, was angesichts der mangelnden Rechenschaftspflicht und Aufsicht dazu führt, dass die finanzielle Schwäche des Kreditnehmers fortbesteht. Dies schwächt auch die Wirksamkeit der IWF-Programme, da sie den Kreditnehmern den Druck nehmen, die Bedingungen des IWF zu erfüllen. So hat beispielsweise die pakistanische Regierung kürzlich das Engagement des IWF verschoben, als andere Gelder zur Verfügung standen. Der Libanon und Bahrain haben auch nicht nachhaltige Verschuldungspraktiken gezeigt, über die viele Investoren in der Hoffnung hinwegschauten, dass Geld aus der Golfregion oder China zur Verfügung stehen würde, um die Schulden dieser Länder auszugleichen.
– Schließlich können im Fall eines Zahlungsausfalls die Rückzahlungsquoten aufgrund der Fülle von Gläubigern und neuer Schuldenstrukturen wie etwa überbesicherter Repo-Vereinbarungen mit Cash-Margins geringer ausfallen, die Verluste also größer. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Krediten des IWF und Krediten von Nicht-IWF-Gläubigern besteht in der mangelnden Transparenz der Konditionen, die insbesondere in Zeiten der Umstrukturierung Fragen nach dem Rang der Forderungen und dem Regress der Anleihegläubiger aufwirft. Dies muss sich in der Realität noch zeigen, wobei wir der Meinung sind, dass das derzeitige chaotische Schuldenbild in Venezuela, das unzählige Arten von Gläubigern umfasst, in Zukunft typischer für Zahlungsausfälle in Schwellenländern werden könnte.
Tendenzielle Verschlechterung bei schwächeren Emittenten
Kurzfristig ist die Zunahme der Kreditgeber letzter Instanz für Schwellenlandemittenten förderlich, doch mit der Zeit dürfte sich die Kreditqualität des schwächeren Segments der Anlageklasse verschlechtern. Wir sind der Ansicht, dass die zunehmende Unsicherheit über die Rückzahlung von Schulden und höhere erwartete Verluste aufgrund von Ausfällen die Bedeutung eines aktiven Managements bei der Auswahl einzelner EM-Kredite und damit bei der Absicherung gegen plötzliche Großschäden unterstreichen. Als Investoren halten wir uns nicht völlig fern vom gefährdeten Single-B-Segment der Schwellenlandhartwährungsanleihen, aber wir suchen nach Möglichkeiten in Krediten mit stärkeren Bilanzen und wo jedes externe Engagement eine Brücke zu einem besseren Fundamentalpfad ist, nicht eine Verlängerung eines unhaltbaren Ungleichgewichts.
(Francesc Balcells, Brian Holmes, PIMCO, Portfolio Manager Emerging Markets)