Passive Anlageprodukte wie Indexfonds und ETFs sind seit mehreren Jahren eines der Top-Themen bei europäischen Investoren und so ist es auch nicht verwunderlich, dass immer mehr Anleger aus allen Segmenten diese Produkte in ihren Portfolios einsetzen. Ein ebenso heißes Thema ist die Nachhaltigkeit, also die Beachtung von Kriterien hinsichtlich eines positiven Umgangs mit der Umwelt, sozialen Fragestellungen und einer guten Unternehmensführung (engl. Environmental, Social, Governance = ESG). Dass diese beiden Trends im europäischen Fondsmarkt angekommen sind, ist unbestritten. Doch was passiert, wenn diese beiden Trends in einem Produkt vereint werden?
Die ersten ETFs, die einem Index mit nachhaltigen Auswahlkriterien folgen, wurden im Jahr 2006 aufgelegt, obwohl das Thema Nachhaltigkeit damals noch ein Nischendasein fristete. Daher überrascht es auch nicht, dass die Anbieter bei der Auflage von neuen Produkten in diesem Bereich eher zurückhaltend waren und im Laufe der folgenden Jahre nur vereinzelt neue Produkte auf den Markt kamen. Mit den neuen Produkten stiegen langsam, aber stetig die in nachhaltigen ETFs verwalteten Vermögen. Seit dem ersten Quartal 2015 verzeichnen wir einen Schub bei den Neuauflagen von nachhaltigen ETFs. Mit den neuen Produkten haben die Anbieter nicht nur verschiedene Märkte und Anlageklassen investierbar gemacht, sondern bieten den Investoren nun eine breite Auswahl an unterschiedlichen Nachhaltigkeitsstrategien an, die sich insbesondere bei den Kriterien für die Titelauswahl und Portfoliokonstruktion unterscheiden. Durch diese neuen Produkte ist das Segment der nachhaltigen ETFs deutlich attraktiver geworden. Mit dem wachsenden Erfolg von ETFs, die eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen, wächst auch die Kritik an diesen Produkten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Mittelzuflüsse im Jahr 2020 gezeigt haben, dass die Investoren im Bereich der nachhaltigen Investmentprodukte aktiv gemanagte Fonds bevorzugen.
Dass sich passive Produkte im Bereich der nachhaltigen Investments bisher nicht durchsetzen konnten, hat verschiedene Gründe. Einer der Hauptgründe für die Zurückhaltung der Investoren ist sicherlich darin zu finden, dass die Anbieter ihre nachhaltigen Anlageprodukte und die dahinterliegenden Auswahlkriterien in der Vergangenheit nicht oder nur eingeschränkt in ihrem Marketingfokus hatten. In der Folge gibt es sehr wahrscheinlich im Bereich der Privatinvestoren und der Fondsselektoren noch Wissenslücken hinsichtlich der Investitionsmöglichkeiten im Bereich von nachhaltigen ETFs.
Hierzu passt auch, dass viele Investoren glauben, dass die Anbieter von passiven Produkten, aufgrund der passiven Verwaltung der Anlagen, nicht auf den Jahreshauptversammlungen abstimmen oder versuchen, über Gespräche und Investorentreffen Einfluss auf das Firmenmanagement in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens zu nehmen, was diese aber durchaus machen. Somit gibt es für die Anbieter von passiven Produkten auch in diesem Bereich noch erhebliches Nachholpotenzial für die Kommunikation mit ihren Kunden.
Ein weiterer Punkt für die vermeintliche Zurückhaltung bei den Anlegern ist sicherlich darin zu sehen, dass ETFs in der Vergangenheit hauptsächlich von institutionellen Investoren genutzt wurden. Diese Investorengruppe definiert ihre Kriterien für Nachhaltigkeitsstrategien in der Regel selbst und setzt diese sehr strikt um. Somit kommen für diese Investoren nur Anlageprodukte in Frage, die ihre Kriterien exakt erfüllen, was bei Publikumsfonds und ETFs eher selten der Fall ist. Zudem sind viele institutionelle Portfolios immer noch an Standardindizes ausgerichtet, wodurch nachhaltige ETFs als Anlagealternative ausscheiden, da diese zum Teil eine erhebliche Abweichung zu diesen Indizes aufweisen.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass nachhaltig ausgerichtete ETFs für alle Arten von Investoren mit einem, den jeweiligen Anlageklassen entsprechenden, Risikoprofil geeignet sind. Denn die meisten Vorbehalte einzelner Investorengruppen können sicherlich durch eine klare und transparente Kommunikationsstrategie der ETF-Anbieter ausgeräumt werden, da zum Beispiel die Vorgehensweise der Anbieter im Bereich der Ausübung der Aktionärsrechte oftmals nicht oder zumindest nicht ausreichend kommuniziert wird. Auch die Unsicherheit in Bezug auf die konkreten Auswahlkriterien für die Titel in den jeweiligen Indizes könnte mit einer verbesserten Kommunikation ausgeräumt werden. Einzig Investoren, die nachhaltig investierende ETFs in Portfolios mit individuellen oder speziellen Anforderungen integrieren wollen, könnten trotz der großen Produktvielfalt Schwierigkeiten haben, einen ETF zu finden, der ihren Anforderungen genügt.
Meiner Ansicht nach sind einige der vorgebrachten Kritikpunkte zumindest im Ansatz richtig und müssen bei der Beurteilung der Nachhaltigkeitsstrategie beachtet werden. Andererseits nutzen viele ESGETFs eine Nachhaltigkeitsstrategie, die sie für eine Einordnung nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung (SFDR) qualifiziert. Somit müssen die Kritikpunkte von den Investoren bei der Fondsauswahl einzeln betrachtet und bewertet werden.
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