Während sich die Schüler wieder mit vollgepacktem Ranzen auf den Weg zur Schule machen, kehren die Notenbanker mit vollgepacktem Terminkalender in die Stille ihrer Büros zurück.
USA: Steiniger Weg zur geldpolitischen Normalisierung
In den USA wurde Ende August auf der Konferenz in Jackson Hole der Weg zur schrittweisen Beendigung der Wertpapierkäufe – dem Tapering – geebnet. Von konkreten Plänen hinsichtlich Zeitpunkt, Tempo und Umfang ist man allerdings noch weit entfernt. Wenngleich über die Einführung notfallbedingter Lockerungsmaßnahmen ein genereller Konsens bestand, herrscht über das Ende der geldpolitischen Finanzspritzen Uneinigkeit. Das könnte an den Märkten Turbulenzen auslösen.
Überdies führt der Vorsitzende der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, gerade eine Kampagne für eine zweite Amtszeit. Dies könnte ihn dazu verleiten, eher im Interesse der exekutiven Gewalt als im Interesse der Fed zu handeln. Der Weg zur Normalisierung der Geldpolitik, sprich dem Ende der Liquiditätsspritzen und anschließende Zinsanhebung, erscheint daher schmal und gefährlich. Die Flutung der Märkte mit Liquidität ist einfach, die Eindämmung dagegen eine ganz andere Sache. Für Ende des Jahres ist eine erste Prüfung anberaumt.
Inflationsdruck in Europa steigt – Parallelen zur US-Entwicklung?
In Europa, das den USA in Sachen Konjunkturaufschwung um einige Monate hinterherhinkt, wird der Inflationsdruck allmählich spürbar. Dies zeigen auch die am 31. August gemeldeten Inflationszahlen, die deutlich gestiegen sind und über den Erwartungen lagen: 3 % Gesamtinflation bzw. 1,6 % Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel. Die bisher gegen den Inflationsdruck relativ immune Eurozone kann sich dem allmählich nicht mehr entziehen. Auch wenn die August-Zahlen teilweise durch saisonale Effekte verzerrt sind, ähnelt der Mechanismus auf seltsame Weise der Entwicklung in den USA in den vergangenen Monaten: Spannungen in den globalen Lieferketten, steigende Rohstoffpreise, ein Ansturm auf die Dienstleistungsbranche nach der Wiederöffnung der Wirtschaft usw.
Es gibt derzeit zahlreiche Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage. All diese Faktoren können, sofern sie sich als dauerhaft erweisen, eine Lohn-Preis-Spirale auslösen und für eine zunächst weniger lockere und schließlich restriktive Geldpolitik sorgen. Hiervon scheint Europa noch weit entfernt, doch sollte die sich abzeichnende Inflationsentwicklung eindeutige Parallelen zu den USA aufweisen, werden die Anleger dies bei ihren Prognosen entsprechend berücksichtigen.
In den Fluren der in Frankfurt ansässigen Europäischen Zentralbank (EZB) munkelt man zudem, das PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) als Instrument zur Pandemiebekämpfung solle bald abgeschafft werden. Dieses soll ohnehin im kommenden März automatisch auslaufen und das dürfte mit dem Zeitpunkt zusammenfallen, an dem das BIP der Eurozone sein Vorkrisenniveau wieder erreicht. Die Vorbereitung könnte für Christine Lagarde bereits am 9. September beginnen – dem Tag der ersten Notenbankersitzung der Eurozone nach der Sommerpause.
Während es von Woche zu Woche weniger positive Überraschungen bei der Konjunkturentwicklung zu vermelden gibt, scheint das zunehmend unsichere geldpolitische Umfeld zu größerer Vorsicht zu mahnen. Es sei denn, die Notenbanker können ihre Prüfungen mit Bravour bestehen!
(LFDE)