Ob dies das Vorbild war, an dem sich der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi orientierte, als er im Sommer 2012 London besuchte, ist nicht sicher. Jedenfalls stellte er sich auf die Bühne und sprach die nun unsterblichen Worte: „Die EZB ist bereit, alles Notwendige zur Sicherung des Euros zu tun.“ Dann hielt er kurz inne und fügte hinzu: „Glauben Sie mir, das wird genug sein.“
Die Märkte drehten sich um 180 Grad, nachdem sie lange an der Einsatzbereitschaft der EZB gezweifelt hatten, für Stabilität auf den Anleihemärkten zu sorgen. Die Zinsen in den krisengeschüttelten Ländern waren viel zu hoch. Kurz danach kündigte die EZB ein Programm an, in dem erklärt wurde, was nötigenfalls passieren würde, doch der Markt hatte Draghi bereits verstanden. Die Zinsen waren bereits kräftig gefallen.
Im Rückblick erscheint Draghis Rede als der entscheidende Wendepunkt der Krise – und ihr hat er den Spitznamen „Super Mario“ zu verdanken. Stehen wir heute erneut vor einem Wendepunkt?
Die EZB strebt eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Das ist sehr schwer.
Der letzte Satz von Draghi nach der EZB-Sitzung im Januar 2016 war: „Wir geben nicht auf.“ Ein weiterer Einzeiler für die Geschichtsbücher. Er war darauf gemünzt, dass die EZB noch viel zu weit vom Ziel der zwei Prozent Inflation entfernt ist. Auf derselben Pressekonferenz versprach er fest weitere Lockerungen der Geldpolitik – vorwiegend aus zwei Gründen. Der Euro war stärker und der Ölpreis niedriger als noch bei Veröffentlichung der Inflationsprognose der EZB im Dezember. Somit war es noch unwahrscheinlicher geworden, dass die bereits im Dezember recht optimistische Prognose eintreffen würde.
Zwei große Herausforderungen
Abgesehen von den niedrigen Energiepreisen, die zeitweilig die Inflationsrate nach unten drücken, kämpft die EZB im Wesentlichen mit zwei Herausforderungen:
Die erste Herausforderung ist eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit. Sie führt dazu, dass die Löhne auf niedrigem Niveau stagnieren und mancherorts sogar rückläufig sind. Die USA können nun auf über sechs Jahre Wirtschaftswachstum und einer Halbierung der Arbeitslosigkeit zurückblicken. Und davon kann man lernen, dass es äußerst schwer sein kann, die Inflationsrate zu erhöhen, wenn die Arbeitslosigkeit längere Zeit konstant hoch war.
Die zweite Herausforderung ist einfach der Umstand, dass die Inflation jetzt über einen längeren Zeitraum so niedrig war. Dementsprechend haben sich Privathaushalte und Unternehmen darauf eingestellt, was die Tendenz der Inflation praktisch festschreibt. Die Schlussfolgerung ist klar: Es wird für die EZB sehr schwierig sein, die Inflation wieder auf zwei Prozent zu bringen.
Bislang konnte die EZB zumindest auf ein solides Wachstum verweisen. Die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Banken vergeben wieder Kredite und auch die schwerfällige Investitionsbereitschaft beginnt sich wieder stärker zu rühren.
Vorbereitung auf etwas Großes
Doch damit enden die guten Nachrichten auch! Die Eurozone hat – im Gegensatz zu den USA – Schützenhilfe durch eine schwächere Währung, eine lockerere Geldpolitik und einen niedrigeren Ölpreis erhalten. Letzteres ohne die gleichen Kreditsorgen, die derzeit das amerikanische Bankensystem plagen. Doch alle diese Faktoren haben eines gemeinsam: Sie sind nur temporär. Genau wie sie nur zeitweilig das Wirtschaftswachstum in den USA nach unten gedrückt haben, haben sie das Wachstum in der Eurozone nun zeitweilig nach oben gedrückt. Wenn sie schwächer werden, bleibt nur noch ein einziger wachstumstreibender Faktor – die Banken!
Die EZB bereitet sich auf etwas Großes vor. Die Finanzmärkte entscheiden dann, wie groß es wird.
Die EZB muss ganz einfach die Wirtschaft so sehr anschieben, wie sie nur kann. Daher war sie schon im Januar bereit, die Geldpolitik weiter zu lockern. Seitdem gehen die Überlegungen weiter und der Markt hat bereits bis zu 0,3 Prozent an weiteren Zinssenkungen in den nächsten Quartalen eingepreist. Es wird viel darüber gemutmaßt, was die EZB mit ihrem Aufkaufprogramm machen wird. Wird noch mehr Geld gedruckt? Werden außer Staatsanleihen auch andere Anleihen gekauft?
Wir erwarten, dass die EZB im März ihre Geldpolitik weiter lockert. Doch für uns ist etwas Anderes viel entscheidender: In der jetzigen Situation, in der die Märkte erneut die Banken angreifen und es sogar schwache Anzeichen für eine neuerliche Bankenkrise gibt, ist unsere Haltung völlig klar: Dies darf die EZB ganz einfach nicht zulassen.
EZB auf der Seite der Optimisten
Auf der einen Seite wurden viel Zeit und Ressourcen darauf verwendet, ein Bankensystem wiederherzustellen, das Wachstum unterstützen kann. Die Banken verfügen nun über mehr Kapital, bessere Liquidität und sind transparenter geworden.
Auf der anderen Seite steht die jetzige Situation: Wenn die Banken erneut ausgebremst werden, werden alle Hoffnungen der EZB auf eine Inflationsrate von zwei Prozent zunichte gemacht. Daher ist unsere Botschaft klar – je mehr die Märkte die Banken unter Druck setzen, desto stärker muss die Reaktion der EZB sein. Gegenwärtig werden die Banken schwer von den niedrigen – und negativen – Zinsen getroffen. Dies könnte dadurch abgemildert werden, dass die EZB ein Stufensystem für Einlagenzinsen einführt, wie man es beispielsweise in Dänemark oder Japan gemacht hat. Hierbei wird eine Grenze für die negativen Zinsen festgesetzt, die die Banken für ihre Einlagen in der Zentralbank zahlen müssen. Die EZB hat dies immer abgelehnt. Aber je negativer die Zinsen ausfallen, desto mehr gerät sie in dieser Frage unter Druck. Entscheidend ist für uns jedoch, dass die EZB bei einem Stillstand der Finanzmärkte Unternehmensanleihen kaufen wird. Auch solche, die von Banken ausgegeben werden.
Die Krise ist noch nicht überwunden, aber die EZB ist auf unserer Seite – der Seite der Optimisten. Sie wird das Notwendige tun – und gibt nicht auf!
Von Bo Bejstrup Christensen, Chefanalytiker bei Danske Invest