Investmentfonds

Verfolgt die EZB noch das richtige Ziel?

Ein formelles Inflationsziel hat die EZB gar nicht. Sie verklausuliert ihre Inflationsnorm dafür hinter einer komplizierten Formulierung, die ihre Vorstellung von Preisstabilität erklärt.

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Umso deutlicher macht Präsident Draghi allerdings, dass er alles zu tun beabsichtigt, dass die Inflationsraten wieder in Richtung 2% zurückkehren. Dabei scheint ihm jedes Mittel recht zu sein. Die Statuten der EZB begrenzen ihn nicht, sodass sich die Frage ergibt, ob der geldpolitische Kurs der EZB nicht zunehmend unerwünschte Nebenwirkungen hat und zu hohe Risiken birgt.

Es ist klar, dass die EZB ihre Inflationsprojektionen von Dezember herunterrevidieren muss: Ein 40 prozentiger Rückgang des Ölpreises, eine schwächere Weltkonjunktur und auch eine überraschend niedrige Kerninflationsrate bei den letzten veröffentlichten Daten von Ende Dezember machen das unerlässlich. Fraglich ist aber, ob Zentralbanken darauf sofort mit einer expansiveren Geldpolitik reagieren müssen. Ja, sagen die einen, da auch die mittelfristigen Inflationserwartungen gesunken sind und man verhindern müsse, dass die offiziellen Inflationsziele unglaubwürdig werden. Nein, sagen andere, da die Inflationsziele sowie so zu hoch seien für das aktuelle und zukünftige Umfeld. Demographische Trends und ein hoher globaler Wettbewerb würden höhere Inflationsraten auch mittelfristig verhindern. Die EZB argumentiert, dass man weder das aktuelle Unterschiessen der Inflationserwartungen akzeptieren oder die Inflationsnorm absenken dürfe, da dies de facto eine Verschärfung der Geldpolitik zur Folge habe. Schließlich würden sich die Realzinsen aus der Differenz von aktuellen Nominalzinsen abzüglich der Inflationserwartungen ergeben.

Die Geldpolitik hätte daher die Aufgabe, mit ihrer Geldpolitik alles zu tun, um die Inflationserwartungen wieder zu erhöhen. Am besten unverzüglich, sodass die Realzinsen sich erst gar nicht auf niedrigerem Niveau einpendeln. Dabei scheint der EZB jeder Mitteleinsatz recht zu sein. „There is no limit“, liess Präsident Draghi auf der Pressekonferenz letzten Donnerstag wissen. Das Mandat der EZB ist tatsächlich nicht konditioniert. Aber darf und sollte sie daher wirklich alles und in jedem Umfeld versuchen, ihre Preisstabilitätsdefinition zu erreichen? Oder müsste sie nicht auch die Kollateralschäden ihrer Geldpolitik mitberücksichtigen? Diese bestehen beispielsweise in einem niedrigeren Wechselkurs, der die inländische Kaufkraft von ausländischen Waren reduziert. Würde beispielsweise der Wechselkurs durch Devisenmarktinterventionen um 90% abgewertet, dann wäre die Inflationsrate in Euroland sicherlich höher. Aber heißt die Aussage, dass es beim Instrumenteneinsatz keine Grenze gibt, dass dies wirklich möglich ist? Bei der Bilanzsumme stellt sich eine ähnliche Frage.

Die EZB könnte durch den massiven Aufkauf von privaten Schuldtiteln, die Risikoprämien soweit senken und Liquidität soweit erhöhen, dass die Kreditvergabe noch stärker ansteigt – wahrscheinlich dann auch verstärkt nicht-rentable Projekte finanziert würden. Erkauft würde das mit hohen Risiken für ihre eigene Bilanz und damit letztlich für die europäische Finanzpolitik, die bei Zahlungsausfall für die Rekapitalisierung der EZB zuständig wäre. Die Schweizerische Nationalbank hatte vor rund einem Jahr entschieden, dass sie nicht mehr alle Bilanzrisiken akzeptiert, um den Wechselkurs stabil und die Inflation im positiven Bereich zu halten. Die EZB scheint dies anders zu sehen und ihr Mandat scheint sie dabei nicht zu begrenzen. Wenn das aber so ist, dann braucht es eine öffentliche Diskussion, welche Kosten wir bereit sind zu tragen, damit die EZB ihre Definition von Preisstabilität erreicht. Zu vermuten wäre, dass die Steuerzahler, Importeure und Verbraucher nicht mit „there is no limit“ antworten würden.

 

Von Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG

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