Kein Tag vergeht mehr ohne eine Meldung über ESG. Ein breiter Konsensus, getragen von UN, Kirchen, namhaften und weniger namhaften Investoren sowie zahlreichen Politikern, fordert von der Asset Management-Branche die Einführung und Beachtung von ESG-konformen Anlageprinzipien.
„Researchbasiertes Anpassen der Investmentprozesse und die Hinwendung zu einem aktivistischen Abstimmverhalten auf Hauptversammlungen stehen dabei ganz oben auf der Wunschliste“, fasst Michael Klimek, Geschäftsführer der Dolphinvest Consulting GmbH, die derzeitige Lage im vierteljährlich erscheinenden Branchenecho zusammen. Die Botschaft an die Vermögensverwalter ist klar: „Ohne Divestments durch Vermögensverwalter keine Investments in ihre Fonds“, so Klimek.
ETFs und ESG ein Widerspruch?
Der Zeitgeist scheint allerdings bipolar gestört zu sein. Die Absatzzahlen der Fondsindustrie belegen eine nachhaltige Nachfrage nach kostengünstigen Index-ETFs, also nach Investmentvehikeln, die sich durch passives Anlagemanagement und fehlendes Unternehmensresearch auszeichnen. „Die Notwendigkeit eines vergleichsweise teuren Research im ethikbasierten Asset Management prallt auf das – konzeptionell bedingt – fehlende beziehungsweise eingeschränkte Unternehmensresearch im passiven beziehungsweise regelbasierten Asset Management“, konstatiert Klimek.
Ethisch gerechtfertigte Einmischung in Unternehmen und der in Knauserei begründete Verzicht auf Mitsprache in Unternehmen stehen sich diametral gegenüber. Irritierenderweise prägt beides den aktuellen Zeitgeist. BlackRock, der größte ETF-Anbieter der Welt, werde zum einen als einflussreicher Herrscher über die deutschen Großunternehmen dargestellt. Zum anderen sei BlackRock auch schon wegen Nichtausüben von Stimmrechten auf Hauptversammlungen, das heißt fehlende Einflussnahme öffentlich kritisiert worden, führt Klimek weiter aus.
Noch viel Luft nach oben
ESG-Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Im kürzlich vorgestellten H&K Responsible Investment Brand Index 2019 stellte man fest, „dass nur 29 von 220 Asset Management-Unternehmen einen ESG-Anspruch fest in ihrem Brand verankert haben“, zeigt sich Klimek überrascht. Daraufhin untersuchte Klimek die zehn am besten gerateten ESG-Brands.
Er wertete dabei den Frauenanteil in den Führungsetagen dieser zehn Vermögensverwalter aus sowie die Webseiten der zehn hinsichtlich Transparenz der Managementstrukturen. Klimeks Fazit: Die auf ESG eingeschworenen Vermögensverwaltungen tun sich schwer, diese zwei ESG-Basiskriterien selbst zu erfüllen.
Und was ist mit dem Fondssortiment?
Die Hälfte der derzeit 115 in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Publikumsfonds, die im Namen die Bezeichnung ESG oder SRI führen, ist jünger als drei Jahre. Gemessen am Gesamtuniversum von in Deutschland verfügbaren Fonds ist dies zwar eine sehr kleine Auswahl. Doch Klimek erwartet, dass durch die mediale ESG-Omnipräsenz weiter Druck auf die Vermögensverwaltungsbranche ausgeübt werde, mehr ESG-Fonds aufzulegen. „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“, so Klimek.
(Dolphinvest Consulting GmbH)