Investmentfonds

„Wir müssen die Anleger beim Thema Nachhaltigkeit mitnehmen“

Für Mein Geld nahm Charles Neus, Leiter Altersvorsorgelösungen und ESG-Beauftragter bei Schroders, Stellung zur Nachhaltigkeitspolitik seines Hauses.


Herr Neus, nachhaltige Geldanlage ist zwar in aller Munde, längst jedoch nicht in jedem Portfolio.
Wie wird das bei Schroders gesehen?

CHARLES NEUS: Es muss zwischen institutionellen Investoren und Privatanlegern unterschieden werden. Während sich nachhaltig ausgerichtete Strategien bei den Profi-Investoren allein schon aufgrund des poli- tischen Regulierungsdrucks durchgesetzt haben, sieht es bei den Privatanlegern anders aus. Eine erst vor einem guten halben Jahr von uns auf globaler Ebene durchgeführte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Anleger dem Thema Nachhaltigkeit grundsätzlich einen hohen Stellenwert einräumen, in der Umset- zung allerdings noch zögerlich sind. Dieser Befund gilt auch für Deutschland.

Was muss getan werden, um auch Privatanleger stärker an die Nachhaltigkeit heranzuführen?

CHARLES NEUS: Viele Anleger sind offen für nachhaltige Investments, scheuen aber in letzter Konse- quenz vor diesen zurück. Dies mag einerseits daran liegen, dass nachhaltige Investments fälschlicher- weise noch immer mit geringeren Renditen verbunden werden. Zahlreiche Studien haben aber bewiesen, dass dies nicht der Fall ist. Zum Zweiten zeichnet sich der Markt für nachhaltige Geldprodukte nicht gerade durch ein erhöhtes Maß an Transparenz aus. Insofern braucht es hier mehr Klarheit in Form von ESG-Siegeln, wie sie zum Beispiel vom Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) angeboten werden.
Was die institutionellen Investoren angeht, so gibt es hier keinen eindeutigen Lösungsweg.
Denn je nach Investorengruppe oder auch Einzelinvestoren sind die Anforderungen an ESG in der Regel sehr individuell.

Was genau sind denn nachhaltige Investments und in welchem Verhältnis stehen dabei Rendite und Nachhaltigkeit?

CHARLES NEUS: Nimmt man beispielsweise die Definition des FNG, so versteht man darunter solche Produkte und Strategien, welche ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) in ihre Finanzanalyse einbeziehen. Nachhaltige Investments brauchen zudem eine explizite schriftlich formulierte Anlagepolitik zur Nutzung von ESG-Kriterien. In der Regel kommen dabei etwa Ausschlusskriterien, der Best-in-Class-Ansatz oder auch der langfristige, aktive Dialog zwischen Investor und Unternehmen (Engagement) zum Einsatz. Nachhaltigkeit und Rendite sind dabei in der Regel kein Gegensatzpaar. Auch mit nachhaltigen Fonds lassen sich also je nach Assetklasse attraktive Renditen erwirtschaften. Zudem wirkt die Berück- sichtigung von ESG-Kriterien als Stabilitätsfaktor. So hat auch die aktuelle Corona-Krise gezeigt,
dass nachhaltig ausgerichtete Investmentfonds häufig deutlich besser durch turbulente Marktphasen kommen können.

Inzwischen wird das Thema ebenfalls auf der Anbieterseite großgeschrieben. Jedes Haus ist plötzlich ein ESG-Experte. Ist das glaubhaft?

CHARLES NEUS: Da gibt es sicherlich Unterschiede. Letztlich kann ich aber nur für unser Haus
sprechen und feststellen, dass wir das Thema Nachhaltigkeit schon frühzeitig auf die Agenda gesetzt haben. Begonnen haben wir bereits Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrtausends. In den vergan- genen zwanzig Jahren haben wir dann unsere Expertise über alle Assetklassen hinweg kontinuierlich weiterentwickelt. Gleichzeitig haben wir unser Know-how durch die Mitgliedschaft in zahlreichen Organisationen und Initiativen beständig erweitert. Bereits 2007 haben wir etwa die Principles for Responsible Investment (PRI) unterschrieben.

Unser ESG-Ansatz hat erst zuletzt wieder die beste PRI-Bewertung A+ erhalten. Insgesamt sind wir auf- grund unserer langjährigen Vorarbeiten beim Thema Nachhaltigkeit derzeit wirklich sehr gut aufgestellt. Das gilt auch für den Bereich des Klimaschutzes. Für unsere Fähigkeiten, die finanziellen Risiken des Klimawandels in unseren Kundenportfolios besonders gut zu berücksichtigen, wurden wir 2017 in die
Top Five Liste der Non- Profit-Organisation AODP aufgenommen.

Wie funktioniert der ESG-Prozess bei Schroders?

CHARLES NEUS: Unternehmen agieren nicht in einem betriebswirtschaftlichen Mikrokosmos. Sie sind vielmehr eingebettet in ein Geflecht wirtschaftlicher, sozialer, umwelt- und gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen langfristig dann am erfolgreichsten wirtschaften, wenn sie all diese Interessen berücksichtigen. Unser Investmentprozess zielt darauf ab,
diese Unternehmen in einem systematischen Prozess zu identifizieren.

Am Anfang steht die Einschätzung der wichtigsten ESG-Trends, um sowohl Risiken als auch Chancen der ökologischen und sozialen Veränderungen verstehen zu können. In einem zweiten Schritt übernimmt das Research dann die entsprechende Analyse. Danach erfolgen die Bewertung und die Analyse, inwieweit sich die Befunde auf den Investment Case auswirken könnten. Steht die Ampel auf Grün, erhält der entsprech- ende Titel einen positiven ESG-Score und kann von den Fondsmanagern genutzt werden. Dabei bleibt es allerdings nicht. Sollten die Aussichten eines Unternehmens sich verschlechtern oder ESG-Probleme auftauchen, werden diese im Rahmen unseres aktiven Engagement-Ansatzes direkt adressiert.
Darüber hinaus erfolgen laufend die Überprüfungen unserer einmal gemachten ESG-Einschätzungen.

Ist Ihr Haus dabei auf eine Assetklasse fokussiert?

CHARLES NEUS: Nein, mit einem diversifizierten Produktangebot bietet Schroders nachhaltige Invest- mentstrategien über verschiedene Assetklassen hinweg an. Im Aktienbereich wäre da zum Beispiel der Schroder ISF Global Sustainable Growth. Was Anleihen angeht, so haben wir erst kürzlich einen Fonds für nachhaltige Euro-Unternehmensanleihen aufgelegt. Darüber können Anleger mit uns zum Beispiel auch in nachhaltige Wandelanleihen oder nachhaltige Multi Asset-Fonds investieren. Und natürlich haben wir auf spezielle ESG Ziele ausgerichtete Themenfonds wie den Schroder ISF Global Energy Transition Fonds. Der erste dieser Themenfonds war übrigens unser Global Climate Change Fonds. Er wurde bereits 2007 aufgelegt.

Was tut Schroders in Sachen ESG-Information?

CHARLES NEUS: Wir versuchen, unsere Kunden bestmöglich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit mitzunehmen. Dies gilt nicht nur mit Blick auf unsere Nachhaltigkeitsprodukte, sondern auch mit Blick auf den Rahmen, in dem sich ihre Bedeutung für Anleger entfaltet. Lassen Sie mich ein Beispiel geben.
Sie werden Anleger nur dann von klimafreundlichen Investmentstrategien überzeugen können, wenn diese sowohl die Notwendigkeit als auch den Nutzen und die Wirkungsweise entsprechender Produkte verstehen. Wichtig ist daher, dass Anleger die Gesamtzusammenhänge verstehen können.

Ein Hilfsmittel hierbei ist unser regelmäßig aktualisiertes Climate Progress Dashboard. Dieses gibt einen Überblick, wie schnell und in welchem Umfang notwendige Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Der Anleger kann sich so selbst ein Bild darüber machen, wie es weltweit in Sachen Klimaschutz steht und welche Folgen sich daraus für ein Investment ergeben können. Darüber hinaus setzen wir in der Nach- haltigkeitsinformation stark auf Vermittler. In Deutschland, wo Fonds nach wie vor zumeist verkauft und weniger gekauft werden, spielen sie bei der Informationsweitergabe eine wichtige Rolle. Über eine spezi- elle Online-Seite von Schroders können Finanzberater alle wichtigen und aktuellen Informationen gut aufbereitet auffinden, um sie im Gespräch mit ihren Kunden zu nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

  VITA CHARLES NEUS  

Studium
Studium Betriebswirtschaftslehre, Universität Maastricht

Berufliche Stationen
Schroder Investment Management: Head of Insurance Sales Deutschland

J.P. Morgan Asset Management: Head of Insurance Sales Deutschland
und Member of the Board

Fidelity International: Head of Insurance Sales Deutschland

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