Die japanische Entscheidung, Negativzinsen einzuführen, hat die Hausse an den westlichen Rentenmärkten erneut angeschoben und die Renditen von westlichen Staatsanleihen vor dem Hintergrund sich abschwächender Konjunkturen, niedriger Inflationszahlen und politischer Unruhen weiter nach unten gedrückt. Zehnjährige Obligationen rentierten am Monatsende in der Nähe ihrer bisherigen Tiefststände in England mit nur noch 1.41%, den USA mit 1.74% und in Deutschland gar noch mit 0.10%.
Auf der anderen Seite hatten die Aktienmärkte bis zur Monatsmitte weiter an Terrain verloren, um sich zum Ende hin nur marginal erholen zu können, ohne dass sich eine Wende zum Besseren abgezeichnet hat. Die zunehmende Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Weltwirtschaft, allen voran China mit einem geschätzten diesjährigen Wachstum von nur noch 3% plus, und die schlechteren Unternehmensgewinnausweise haben die Anleger davon abgehalten, auf niedrigeren Kursniveaus wieder in Aktien zu investieren. Die immer unsicher werdende politische Gemengelage im Nahen Osten und in der EU mit der fragwürdigen Flüchtlingsbewältigung, der mögliche BREXIT und die bisherigen Vorwahlen in den USA haben das ihre zur allgemeinen Verunsicherung an den Kapitalmärkten beigetragen. Der Ernst der Lage wird auch durch die den Aktienmärkten entgegengesetzte Erholung des Goldpreises von seinem Dezembertief von $1.050 auf $1.232 veranschaulicht.
Ebenso ernst zu nehmen sind die weiter ansteigenden Aktienliquidationen aus den Ölstaaten, mit denen die aufgerissenen Haushaltslöcher gestopft werden müssen, da ihnen die Finanzierung über Anleihen oder Bankkredite zunehmend verwehrt wird. Es ist nur dem wachsenden Liquiditätsrahmen der Zentralbanken geschuldet, dass den Aktienmärkten nicht noch Schlimmeres passiert ist. Die Politik des leichten und billigen Geldes hat bisher wie ein Auffangnetz gewirkt, auch wenn dabei die heftigen wöchentlichen Kursausschläge nach beiden Seiten nicht vermieden werden konnten.
Ausblick
Auch wenn die Zentralbanken noch weitere Munition in ihren Liquiditäts- und Zinsköchern zur Stützung des Finanzsystems bereithalten, so ist mittlerweile glasklar, dass ihre Spielräume, auf die globale wirtschaftliche Erholung Einfluss zu nehmen, nicht nur begrenzt, sondern nahezu ausgeschöpft sind. Das konnte auch niemals ihre eigentliche Aufgabe sein. Niedrige Zinsen und die Geldschöpfung haben zwar seit der Finanzkrise 2008 die Bankensysteme gerettet und die Zinslasten von unterkapitalisierten und hoch verschuldeten Ländern und Unternehmen vor allem in Italien und Spanien erheblich gemindert, sie haben aber nicht dazu beitragen können, das volkswirtschaftliche Wachstum und die Arbeitsmärkte nachhaltig zu beleben oder langfristige Modernisierungs- und Strukturinvestitionen anzustoßen.
Das ist die eigentliche Aufgabe der Gesetzgeber, die es in den letzten Jahrzehnten versäumt haben, die wirtschaftliche und soziale Zukunft ihrer Völker und der kommenden Generationen über eine nachhaltigen Ordnungs- und Strukturpolitik zu gestalten und zu sichern. Das gilt gleichermaßen für alle hochentwickelten Industrieländer. Der seit Jahrzehnten zum Beispiel in Europa und in Deutschland angewachsene öffentliche Stau von Zukunftsinvestitionen kann heute nur durch gezielte fiskalpolitische Maßnahmen, wie z.B. die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung oder der strukturellen Wirtschaftsförderung aufgelöst werden. Vor dem Hintergrund einer strukturell schwächelnden Weltwirtschaft und gefährlich niedriger Inflationsraten sollte es daher ein Gebot der Stunde sein, die in Richtung Minuszinsen sinkenden zukünftigen Schuldenfinanzierungen der Staaten dazu zu nutzen, jetzt die dringlichen Generationsaufgaben anzupacken.
Wie weit alle Regierungen davon entfernt sind, haben einmal mehr die mageren Konsultationsergebnisse der Finanzminister der G20 Staaten in Shanghai gezeigt. Zwar waren sich alle Beteiligten darüber im Klaren, dass mehr als bisher geschehen müsse, aber bei dem Wie, dem Wer und dem Wann ist eine mögliche Umsetzung wie schon in früheren Zusammenkünften in Absichtserklärungen stecken geblieben. Die beschwichtigenden Presseerklärungen von Minister Schäuble über den wahren Zustand der EU-Wirtschaft passen dann auch in das Bild. Wie kurzgesteckt aber die politischen Entscheidungshorizonte seit langem sind, bezeugen die schon vor Jahren verloren gegangenen deutschen Vorstellungen einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft und der Zustand und schleichende Zerfall der Europaidee. Heute ist jedes Land nur noch von Eigeninteressen getrieben, und das große Europa-Bild ist in weite Ferne gerückt.
Die Erklärung aller Staaten, nach den Währungsunruhen der letzten Jahre einem weiteren Abwertungswettlauf eine Absage zu erteilen, ist lediglich ein Lippenbekenntnis und ist gleichzeitig Ausdruck der allgemeinen Hilflosigkeit in der Bewältigung von solchen Problemen. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie wenig die Politiker von den Funktionen der Kapitalmärkte verstehen und welche Bedeutung dieser Transmissionsriemen für die vernetzte Weltwirtschaft hat.
Kapitalmarktaussichten
Die Kapital- und Arbeitsmärkte und deren Unternehmen warten bis heute vergebens auf eine grundsätzliche Änderung in der politischen Auffassung, wie die soziale und wirtschaftliche Zukunft der westlichen Demokratien nachhaltig gestaltet werden soll. Daran konnte auch das Treffen in Shanghai nichts ändern. Deshalb werden die Kapitalmärkte ihre bisherigen Verläufe wohl auch in den kommenden Wochen beibehalten. Aus Sorge vor Kapitalverlusten werden die Anleger auch bei weiter sinkenden Zinsen Gelder in westlichen Staatsanleihen parken und die Aktienmärkte vielleicht mit Ausnahme der USA lediglich für kurzfristige, spekulativ ausgerichtete Anlagen nutzen. Die hektischen Aktienbewegungen der letzten Monate haben den Anlegern einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig die Aktienauswahl und das gezielte Markt-Timing für den Anlageerfolg gewesen sind. Daran sollte sich auch in naher Zukunft nichts ändern. Nach der scharfen Aufwärtsbewegung der letzten Wochen werden die nächsten Monate zeigen, ob das Gold nach dem Allzeithoch von über $1900 in 2011 seinen Bärenmarkt beendet hat und Gold als Sicherheitsanlage wieder in den Anlegerfokus zurückkehrt.
Von Frank Th. Zinnecker, Geschäftsführer, HollyHedge Consult GmbH