Vor diesem konjunkturellen Hintergrund und einem Kapitalmarktumfeld mit anhaltend niedrigen Zinsen und geringen Kapitalerträgen bieten Aktien weiterhin gute Anlagechancen, glauben die Experten des britischen Vermögensverwalters Legal & General Investment Management (LGIM).
„Die Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer haben sich 2015 vergleichsweise gut entwickelt“, fasst Tim Drayson, Head of Economics bei LGIM, die makroökonomische Ausgangssituation für das kommende Jahr zusammen. „Dabei wurde das Wachstum von steigenden realen Arbeitseinkommen, einer lockeren Geldpolitik der Notenbanken, einem nachlassenden Sparzwang bei den Staatshaushalten und steigendem privaten Konsum getragen. Diese Trends sollten sich 2016 fortsetzen.“ Als Positivfaktor zählt er hinzu, dass sich die Situation in den Schwellenländern, von denen viele die Anleger 2015 enttäuscht hatten, verbessern wird. Zwar wird die Konjunktur in China wohl weiter abbremsen, aber das Wachstum in Brasilien und Russland sollte sich im kommenden Jahr verbessern, wenn auch weiter im negativen Bereich bleiben. „Der robuste Konsum in den Industrieländern sollte zudem die moderate Erholung der weltweiten Industriekonjunktur weiter vorantreiben“, so der LGIM-Experte. „Dazu wird die Kerninflationsrate 2016 in vielen Wirtschaftsregionen aller Wahrscheinlichkeit nach stabil bleiben, auch wenn die Inflationsrisiken insgesamt steigen.“
Speziell in Japan und der Eurozone wird die Inflationsrate seiner Prognose zufolge jedoch weiterhin unter der von dem Notenbanken vorgegebenen Zielmarke bleiben. Die Geldpolitik in diesen Ländern wird daher wahrscheinlich weiterhin von außergewöhnlichen Maßnahmen geprägt sein, so wie das die Europäischen Zentralbank (EZB) bereits Anfang Dezember demonstriert hat, als sie eine Ausweitung ihrer Anleihekäufe bekannt gegeben hatte. „Für die Fed hingegen ist das Ziel einer Vollbeschäftigung im eigenen Lande nahezu erreicht, so dass sie ihre Leitzinsen nach dem ersten Zinsschritt im Dezember 2015, 2016 schrittweise anheben dürfte“, schätzt Drayson. Dies wird seiner Meinung nach zwar zunächst keine direkten Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben, dennoch wird die Fed ihre Sätze schneller anheben als dies von den Märkten bislang antizipiert wird.
Unabhängig davon schätzen die LGIM-Experten die Aussichten der weltgrößten Volkswirtschaft nicht mehr ganz so gut ein wie noch vor einem Jahr. „Das Arbeitskräftepotenzial ist weitgehend abgeschöpft, so dass sich das Wachstum des Arbeitsmarktes 2016 verlangsamen wird. Dies wird in der Folge zu Lohnsteigerungen führen“, so Drayson. „Die niedrigen Energiepreise haben jetzt noch einmal für einen positiven Effekt auf die realen Einkommen gesorgt. Aber wir rechnen damit, dass sich 2016 der starke Dollar zunehmend in der Handelsbilanz bemerkbar machen wird, wodurch sich vor allem im Konsumgüterbereich Importe verbilligt haben. Dazu bleibt die Nachfrage aus den Schwellenländern schwach.“
Deutlich besser schätzen die LGIM-Experten demgegenüber die Situation in der Eurozone ein. „Eine entschlossen vorgehende EZB, der schwache Euro und eine ausreichende Kreditversorgung verschaffen der Wirtschaft in der Eurozone Rückenwind. Die niedrigen Zinsen senken darüber hinaus die Finanzierungskosten für staatliche Schuldner ebenso wie für private Kreditnehmer“, zählt Drayson die positiven Faktoren auf. „Italien könnte dabei im kommenden Jahr zur positiven Überraschung werden, während sich der deutsche Industriesektor von der Schwäche der Schwellenländer, namentlich Russland, im laufenden Jahr erholen dürfte. Trotz dieser vergleichsweise guten Konjunkturaussichten bleiben die Inflationserwartungen niedrig. Wir rechnen damit, dass sich das Preissteigerungstempo nur sehr langsam beschleunigen wird.“
Zusammengefasst bietet das konjunkturelle Umfeld 2016 weiterhin eine gute Unterstützung für Aktien. „Aufgrund unseres Researchs wissen wir, dass Aktien dazu tendieren, in der Mitte einer konjunkturellen Aufschwungphase die attraktivsten risikoadjustierten Erträge zu liefern“, weiß Lars Kreckel, Global Equity Strategist bei LGIM. „Wir rechnen damit, dass dies auch 2016 der Fall sein wird – zumal vor dem Hintergrund niedriger erwarteter Erträge bei vielen anderen Assetklassen.“ Für Aktien erwarten die LGIM-Experten in 2016 Erträge zwischen 5 und 10 %. „Dies sind zwar keine besonders aufregenden Zahlen, ist aber vor dem skizzierten Hintergrund mehr als ordentlich und eine Outperformance gegenüber vielen anderen Anlageformen“, so Kreckel. Dabei bevorzugen die LGIM-Experten Aktien aus der Eurozone und Japan, deren Börsen ihrer Einschätzung zufolge gute Chancen besitzen, alle anderen Märkte im kommenden Jahr zu übertreffen. „Diese Volkswirtschaften haben nur eine geringe Abhängigkeit von Rohstoffen, die Aussichten für die Unternehmensgewinne sind überdurchschnittlich hoch und der Kurs der beiden Notenbanken wirkt zusätzlich stützend“, sagt Kreckel, „In Japan kommt eine Reform der Corporate Governance positiv dazu. Dagegen sehen wir die Chancen am US-Markt und in Großbritannien eher schlechter wegen des vorangeschrittenen Konkjunkturzyklusses, aber auch wegen der größeren Rohstoff-Exposures.“
Die LGIM-Experten weisen allerdings darauf hin, dass ihre Aktienprognose nur dann gilt, wenn das von ihnen skizzierte Basisszenario eintritt. „Dabei gibt es aber Risiken zu beachten – und zwar in beiden Richtungen“, schränkt Kreckel ein. „Wir wissen zwar auf Basis historischer Daten, dass eine langanhaltende Aufschwungsphase, also ein Bullenmarkt, in der Regel nur in Vorgriff auf eine Rezession beendet wird. Dennoch kann jedes Ereignis, dass das Wachstum der Weltwirtschaft bedroht, sehr schnell zu einem kurzfristigen Kurseinbruch von 5 bis 10 Prozent führen. Und solche Korrekturen wird es immer wieder geben.“ Als mögliche Auslöser im kommenden Jahr sehen Kreckel und Drayson unter anderem ein Wiederaufflammen von Inflationsängsten an. „Nach einer Phase mit einer sehr niedrigen Inflation, könnte 2016 das Jahr werden, in dem das Tempo der Preissteigerung wieder an Dynamik gewinnt“, prognostiziert Drayson. Auch sei das Problem der Überschuldung im Zuge der Finanzkrise in vielen Fällen noch nicht gelöst und nicht zuletzt könnten auch die niedrigen Rohstoffpreise zu einem Problem werden, insbesondere für Schwellenländer. „Die Ausfallraten von Schuldnern aus dem Energiesektor werden weiter steigen. Dies könnte negative Folgen haben für den gesamten Bereich der Unternehmensanleihen“, führt Drayson aus. „Dazu dürfte ein auf Dauer niedriger Ölpreis die Region Naher Osten weiter destabilisieren.“