In Deutschland hat sich der Marktanteil der Rosés in den letzten zehn Jahren auf nunmehr zehn Prozent sogar verfünffacht. Wie bei den Rotweinen kommen den rosafarbenen Weinen, die meist für unter zehn Euro in den Handel kommen, natürlich die idealen Bedingungen links und rechts der Gironde sowie das immense Winzerwissen in der Region zugute. Selbst die verwendeten Rebsorten sind identisch: viele Rosés sind typische Cuvées aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc. So auch der Delor Rèserve Rosé 2013, bei dem man auch die charakteristische Bordeaux-Stilistik herausschmeckt. Der Wein ist längst nicht so ein flaches Geschöpf wie so viele andere Rosés, sondern gefällt durch eine intensive Aromatik nach roten und schwarzen Johannisbeeren, eine feine Mineralität und Frische zugleich. Er rauscht auch nicht nur einfach so durch die Kehle, sondern verabschiedet sich mit einem recht ansehnlichen Abgang. Zu den Johannisbeeren gesellen sich beim 2013er Rosé vom Château Lamothe-Vincent noch Erdbeeraromen und Zitusnoten inzu. Auch einige florale Akzente sind nicht zu überschnuppern. Das Weingut hat sich bei seinem Rosé vom Merlot verabschiedet und einen harmonischen Tropfen je zur Hälfte aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc kreiert, der locker jedem kräftigen BBQ stand hält, aber sich auch solo bestens wegbechern lässt.
Die bekannte Winzerin Veronique Barthé aus Entre Deux Mers geht mit ihrem Rosé noch einen Schritt weiter und zeigt, dass man im Bordelais auch rebsortenrein kann. Mit ihrem Château La Freynelle 2013 hat sie einen lupenreinen, kräftig pinkfarbenen Cabernet Sauvignon in die Flasche gebracht, der neben roten Beerenaromen auch die typischen Cabernet-Noten wie Kirsche, grüne Paprika und Kräuter aufweist. Der Wein ist eigentlich auch kein „normaler“ Rosé, sondern ein so genannter Claret oder Clairet. Dabei werden die Trauben nicht gepresst und kurz vergoren, sondern verbleiben 24 bis 48 Stunden auf den Schalen, was dem „Rosé“ später feine Tannine und mehr Struktur verleiht. Dann werden zehn bis fünfzehn Prozent des Saftes abgeschöpft und zu Claret verarbeitet, der Rest wird ein guter roter und manchmal sogar ein großer Bordeaux.
Uwe Lehmann