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Gutachten: Autofahrer dürfen Radfahrer nur mit mindestens 1,5 Metern Seitenabstand überholen

Forschungsprojekt der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zur Sicherheit und Nutzbarkeit markierter Radverkehrsführungen.

Radfahrer nur mit genügend Seitenabstand überholen

Es gibt Fragen zu Verkehrsregeln, die auch geübte Autofahrer häufig nicht korrekt beantworten können. Einige davon betreffen das Überholen von Radfahrern, insbesondere auf Straßen mit Radfahrstreifen und Schutzstreifen: so zum Beispiel, wie groß der seitliche Abstand beim Überholen von Radfahrern auf markierten Radfahr- und Schutzstreifen sein muss? Oder ob – und wenn ja wann – Autofahrer einen Schutzstreifen für den Radverkehr befahren dürfen? Da solche Markierungen für Radfahrer immer öfter auf Straßen zu finden und viele Kraftfahrer unsicher sind, wie sie sich dabei zu verhalten haben, hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) ein Forschungsprojekt zur Sicherheit und Nutzbarkeit markierter Radverkehrsführungen durchgeführt.

Dabei fanden auch Abstandsmessungen beim Überholen von Radfahrern statt. Das Ergebnis: Radler auf Radfahrstreifen und entsprechenden Schutzstreifen werden von anderen Verkehrsteilnehmern oft mit sehr geringem, vielfach zu geringem Abstand überholt. Wie die UDV feststellte, orientierten sich die überholenden Kraftfahrer dabei meist an den vorhandenen Markierungen. Da die Straßenverkehrsordnung keine konkreten Vorgaben zu dem Abstand macht, der beim Überholen von Radfahrern einzuhalten ist, und keine expliziten Gerichtsurteile zum Überholen von Radfahrern auf markierten Radfahr- und Schutzstreifen vorliegen sollen, gab die UDV zur Klärung der oben genannten Fragen ein Rechtsgutachten bei dem Verkehrsrechtler Prof. Dr. jur. Dieter Müller in Auftrag.

Der Experte macht in seinem Gutachten deutlich, dass Autofahrer beim Überholen von Radlern grundsätzlich einen seitlichen Abstand von mindestens 1,5 Metern einzuhalten haben. Diese Vorgabe gilt demnach „unabhängig von der angeordneten Art der Radverkehrsführung“, also losgelöst davon, ob der Radfahrer auf der Fahrbahn, einem Radweg oder einem Schutzstreifen unterwegs ist. Und wenn dieser vorgeschriebene Abstand nicht eingehalten werden kann, gilt für Autofahrer ein sogenanntes „faktisches Überholverbot“. Das bedeutet, dass Pkw, aber auch Lkw und Busse so lange hinter einem Radfahrer herzufahren und zu warten haben, bis ausreichend Platz für einen korrekten Überholvorgang mit ausreichendem Sicherheitsabstand vorhanden ist. Prof. Müller begründet seine Auslegung der unsicheren Rechtsbegriffe „bei Bedarf“ und „ausreichender Seitenabstand“ beim Überholen von bzw. Vorbeifahren an Radfahrern mit dem „Grundprinzip der Verkehrssicherheit als oberster Auslegungsmaxime sämtlicher Verhaltensvorschriften der StVO“.

Die genannten unsicheren Rechtsbegriffe stammen aus den rechtlichen Vorgaben zu Radfahrstreifen bzw. Schutzstreifen. Klar ist, dass diese der alleinigen Benutzung durch Radfahrer dienen sollen. Deshalb sind jene Streifen in der Regel mit dem Fahrradsymbol auf blauem Grund gekennzeichnet. Verkehrsrechtlich unterscheiden sich die Radwege, wie sie im Volksmund heißen, jedoch voneinander. Auf einem Radfahrstreifen, der als separater Weg mit einer durchgezogenen Linie gekennzeichnet ist, dürfen Kfz grundsätzlich weder fahren, halten noch parken – auch nicht teilweise. Eine Ausnahme besteht lediglich für den Fall, dass sich dahinter Parkplätze befinden, die anders nicht erreichbar sind.

Anders verhält es sich bei den Schutzstreifen: Hier lassen die entsprechenden Formulierungen in der StVO einen Interpretationsspielraum zu, in welchen Fällen dieser Streifen überfahren werden darf. Hierzu heißt es in Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO, dass das Überfahren eines so markierten Fahrstreifens für den Radverkehr vom übrigen Verkehr „bei Bedarf“ zulässig ist, wenn der Radverkehr dabei nicht gefährdet wird. Als Gemeinsamkeit bei beiden Streifen machte Prof. Müller nun den einzuhaltenden Seitenabstand von Kfz zu Rad deutlich.

Da diese Vorgaben nach den Erkenntnissen der UDV jedoch vielen Verkehrsteilnehmern nicht geläufig sind und deshalb vor allem Schutzstreifen, aber auch Radfahrstreifen aus den verschiedensten Gründen sehr häufig von motorisierten Verkehrsteilnehmern überfahren werden, was vielfach eine Gefährdung von Radfahrern zur Folge hat, plädiert die Unfallforschung der Versicherer dafür, Kraftfahrer „wesentlich besser“ über die entsprechenden Vorschriften zu informieren. Außerdem sollen die Ordnungsbehörden „der weitgehend üblichen Missachtung“ der Regeln zum Überholen von Radfahrern klarere Grenzen setzen.

(Goslar Institut)

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