Nicht dass wir glauben, die britische Hauptstadt wäre nach dem EU-Austritt weniger attraktiv, aber man kann nie wissen und wir werden uns das zu gegebener Zeit ansehen. Der Fokus der Pre-Brexit-Tour: kein übliches Sightseeing, kein Big Ben, kein Buckingham Palace, kein Tower of London, keine Tower Bridge, kein London Eye.
Statt im ruhigeren Chelsea, etwa im neu eröffneten Belmond Cadogan, oder in Belgrave, im schönen Boutique Hotel Jumeirah Lowndes, sondern mitten im quirligen Soho, nur einen Steinwurf entfernt vom Soho Square, haben wir uns einquartiert. Die Gegend rund um die Dixon und Frith Street ist uns noch aus den 1980er Jahren bekannt. Damals war hier Punk und Rotlicht. Heute ist es ein angenehmer, quirrliger Ausgehdistrikt mit Bars und Cafés, Imbissen und Sterne-Restaurants. Mittendrin zeigt das Mimi’s (mimishotelsoho.com/) seine restaurierte, unter Denkmalschutz stehende, viktorianische Fassade. Hinter der imposanten Front aus gebranntem Ziegel hat Eigentümer Lutz Strangemann, CEO des Immobilienunternehmens Land Union, dem beispielsweise in Berlin auch das Monbijou Hotel und das Mondrian Suites gehören, alles abreißen lassen und neugebaut. Herausgekommen ist ein schickes, sehr persönlich geführtes Boutique-Hotel mit 58 Zimmern auf sechs Etagen. Die Zimmer mit einer Größe von sieben Quadratmetern, Mini für Singles oder verliebte Paare ohne Gepäck, bis 21 Quadratmetern, Lux mit Kingsize-Boxspring-Bett und geräumigen Marmorbad, gefallen weniger durch großzügige Fläche, als vielmehr durch zahlreiche hochwertige und durchdachte Details. Der Stil ist eine Verbindung aus subtiler Eleganz mit klassischen Anklängen wie holzvertäfelten Wänden, Marmorbädern und traditionellen, englischen Sash-Schiebefenstern. Hochwertige Ausstattung, eine Technik auf neustem Stand und die Auswahl bester Materialien verleihen dem Mimi’s seinen besonderen Charakter und eine zeitlose Modernität.
Lunch und After Work
Hungrig von der Anreise geht es nach dem Einchecken gleich auf die Suche nach einer guten Lunch-Adresse. Das ist in Soho nicht weiter schwierig. Gleich um die Ecke in der Dean Street ist das Tonkotsu eine umkomplizierte Location. Spezialisiert ist man hier auf Ramen, eine japanische Brühe mit speziellen Nudeln. Die Wahl fällt auf die Chili-Chicken-Variante. Die kommt geschmacklich sehr gut daher und hält sich auch preislich, dem schwachen Pfund sei Dank, noch absolut im Rahmen. Nach dem etwas späten Lunch haben sich die Straßen Sohos merklich belebt, die Pubs sind bereits gut gefüllt. Es ist schließlich Freitagnachmittag und da trifft man sich in London traditionell zu ein, zwei, drei After-Work-Drinks. Auch in Mimi’s Hotelbar, Henson’s Bar & Social, eine der schönsten Bars von Soho, ist bereits einiges los. Morgens wird in der Bar ein leichtes Frühstück mit Gebäck, Bio-Porridge und Müsli aus hochwertigen Zutaten serviert. Jetzt genießt man klassische Cocktails am flackernden Kamin.
Gute Küche und Kultur
Nach den Aperitifs ist es nur ein kleiner Spaziergang zum Social Eating House, das seit Jahren seinen Eintrag im Guide Michelin hält. Wer Sternerestaurants aus Deutschland kennt, reibt sich erst einmal die Augen. Der Laden ist rappelvoll, der Geräuschpegel hoch, in der Bar im ersten Stock legt ein DJ auf und tobt das pralle Leben – London Nightlife pur. Dennoch schafft es Chefkoch Paul Hood eine anspruchsvolle moderne britische Küche auf die Teller zu bringen wie etwa Lyme Bay Jakobsmuscheln-Ceviche, geräucherte Avocado, rohe Artischocke, Sonnenblumensamen und Rettich oder das langsam gegarte Salzwiesenlamm mit Olivenöl-Kartoffelpürree, eingelegten Rüben und einer Sauce nicoise. Am nächsten Morgen muss es dann unbedingt ein „full english breakfast“ mit Eiern, Speck, Würstchen, Hash browns geschmolzenen Tomaten und dem vollen Programm sein. Eine sehr gute Adresse hierfür ist das Dean Streat Townhouse. Die Portionen sind üppig, Ambiente und Atmosphäre herrlich „old school british“.
Nach dem Frühstück folgt der Kulturgenuss. Genauer gesagt die König Galerie, ein Ableger von Johann Königs bekannter Galerie in der St. Agnes Kirche in Berlin-Kreuzberg. Für seine Londoner Filiale ging der Künstler unter die Erde, in eine Tiefgarage. Wo einst Autos parkten, werden nun in der Ausstellung „Will be Dead“ Werke von Künstlern wie Norbert Bisky, Jeppe Hein, Andreas Mühe, Manfred Kuttner oder Rinus van de Velde gezeigt.
Kunst macht hungrig und so führt uns ein Spaziergang vorbei am ehemaligen Wohnsitz von Catherine Walters, der letzten viktorianischen Kurtisane Londons, und durch den frühlingshaften Hyde Park zum Lunch. Das The Punchbowl ist ein sogenannter Gastro-Pub. Das bedeutet, es gibt neben diversen Fassbieren von Lager über IPAs bis zu Pale Ales auch gutes Essen. Bekannt ist der Pub aber vor allem, weil er Guy Ritchie, dem Regisseur und Ex von Madonna gehört. Die Atmosphäre ist absolut wohlfühlmäßig, die Pints kommen umgehend, gut für den etwas trockenen Burger, dafür sind die Fish & Chips großartig.
Nightlife im Member Club
Abends dann ein echter Londoner Klassiker: London und Member Clubs gehören untrennbar zusammen. Das Annabel’s in Mayfair, von Wikipedia auch als „Symbol der Dekadenz“ bezeichnet, ist dabei auch nach seinem Umzug weiterhin on top. Einlass in die glamourösen Hallen ist nur für Mitglieder oder auf deren Einladung. Dafür geben sich hier auch die Promis die Klinke in die Hand, an unserem Abend immerhin Davis Furnish, der Ehemann von Elton John. Das Annabel’s, inzwischen ein „all-day and all-night Members Club“, ist auch der einzige Nightclub, den die Queen jemals besucht hat. In dem neuen Club in einem georgianischen Townhouse wurde an Luxus und Glamour nicht gespart. Immerhin hat Besitzer Richard Caring 55 Millionen englische Pfund in die neuen Räumlichkeiten investiert. Auf vier Etagen finden sich die Restaurants The Rose Room & Garden, The Elephant Room und The Mexican, private Dining Rooms, die Jungle Bar, ein Nightclub, eine Zigarren-Lounge und ein eigenes Spa. Wie es war, einmal Gast zu sein? Erst einmal beeindruckend, das hat selbst Berlin nicht zu bieten. Brechend voll, fast schon ausgelassene Stimmung, der Champagner etwas zu warm, das Essen – Thunfish-Sashimi, Ceviche vom Schottischen Lachs und US-Sirloin Steak mit einer Béarnaise – auch zu später Stunde ausgezeichnet und die Weine großartig. Kurz und gut: „Very amused“, und ohne einen Brexit-Gedanken zu verschwenden, kehrt man nach Soho und in sein behagliches Nachtquartier im Mimi’s zurück.
uwelehmann/surpress