„Der Zeitplan der Internationalen Energieagentur (IEA) für eine Netto-Null-Emission bis 2050 zwingt zu sofortigem Handeln, wollen wir das Ziel erreichen.
Die IEA fordert eine massive Steigerung aller Ambitionen und den uneingeschränkten Fokus der Regierungen, insbesondere in den nächsten entscheidenden zehn Jahren.
Zwar sieht die IEA die Elektrifizierung als Hauptquelle für die Erreichung von Netto-Null, vor allem die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien.
Aber sie hat auch dargestellt, dass dies allein nicht ausreichen wird. So plädiert sie für eine Ergänzung durch andere Energiequellen und Technologien wie Kohlenstoffabscheidung, Bioenergie und Wasserstoff.
Das Kapital wandert ab
Für die Öl- und Gasindustrie bedeutet dies einen grundlegenden Wandel. Ist es überhaupt noch sinnvoll, in Öl- und Gasunternehmen zu investieren, und wenn ja, warum?
Das hängt meiner Meinung nach vom Zeithorizont ab. Längerfristig muss eindeutig eine Abkehr von Öl und Gas hin zu erneuerbaren Energiequellen erfolgen.
Einige große Ölgesellschaften haben diesen Prozess bereits eingeleitet. Europäische Ölkonzerne, wie Total, BP und Royal Dutch Shell, arbeiten an Projekten für erneuerbare Energien.
Erhöhtes Geschäftsrisiko
CO2-emittierende Aktivitäten werden auch in Zukunft im Fadenkreuz der Regulierungsbehörden bleiben und müssen wahrscheinlich mit Einschränkungen und/oder Strafen rechnen, wie zum Beispiel höheren Steuern.
Dies wird das mit solchen Investitionen verbundene Geschäftsrisiko erhöhen. In dem Maße, in dem Investoren ihre Portfolios zunehmend gemäß dem Pariser Abkommen CO2-bewusster gestalten, wird sich der Pool des für solche Aktivitäten verfügbaren Kapitals und letztlich auch das Volumen des weltweit in diese Industrie fließenden Kapitals verringern.
Kurzfristig werden sich, wie bei allen Investitionen, aber auch Chancen ergeben. Erdgas wird weiterhin eine wichtige Rolle als Übergangskraftstoff spielen, während wir die Infrastruktur für erneuerbare Energien aufbauen und von Kohle und Öl – den viel schmutzigeren Energieformen – wegkommen.
Öl und Gas werden noch gebraucht
Das Engagement in Öl- und Gasunternehmen wird sehr wichtig bleiben. Die Zukunftssicherheit dieser Unternehmen erfordert die aktive Beteiligung von Investoren, um die Überführung von Kapital und Investitionen in saubere Energie voranzutreiben und um den Firmen einen klaren Weg für die Rolle aufzeigen, die sie im Hinblick auf Netto-Null bis 2050 spielen.
Ungefähr ein Drittel der weltweiten Emissionen stammt heute aus Tätigkeiten, die möglicherweise nicht elektrifiziert werden können, wie Stahl- und Zementherstellung und Luftfahrtindustrie.
Hier bietet sich für die großen Ölkonzerne eine gute Chance, sich mit neuen, umweltfreundlicheren Energietechnologien, wie grünem Wasserstoff, zu befassen.
Ökosystem zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung einrichten
In Bereichen, in denen Kohlenwasserstoff noch gefördert werden muss, sollte ein Ökosystem zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung eingerichtet werden, um sicherzustellen, dass dies mit den Netto-Null-Zielen vereinbar ist.
Der kürzlich veröffentlichte IPCC-Bericht zur Erderwärmung erinnert alle Beteiligten an die Dringlichkeit zu handeln. Wir haben in öffentlichkeitswirksamen Fällen gesehen, dass den Unternehmen, die diese Dringlichkeit nicht sehen wollen, Entscheidungen aus der Hand genommen werden.
Aktivistische Investoren und Vertretungen im Aufsichtsrat von Exxon Mobil sowie die gerichtliche Ermahnung für Royal Dutch Shell verdeutlichen die Herausforderungen für Ölunternehmen, die überwiegend an einer Kohlenwasserstoff-Zukunft festhalten oder sich nur sehr langsam bewegen wollen.“
(M&G Investments) / surpress