Der Markt für12 zeichnet sich durch eine bislang nicht gekannte Dynamik aus, die im Wesentlichen regulatorischen Maßnahmen, allen voran dem EUAktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums, geschuldet ist. Auch wenn die Privatanleger direkt von dieser Entwicklung noch nicht viel mitbekommen haben dürften, bei den Finanzdienstleistern steht das Thema Nachhaltigkeit derzeit ganz oben auf der Agenda. Die Auswirkungen der EU-Gesetzgebung werden allerdings spätestens im nächsten Jahr bei den Anlegern ankommen. Dann werden sie in den Beratungsgesprächen verpflichtend nach ihren Nachhaltigkeitsvorstellungen gefragt werden müssen.
Die EU beschleunigt die Marktdynamik
Neben Offenlegungspflichten für Finanzdienstleister, Benchmarks für Klimawirkungen und einer Nachhaltigkeitstaxonomie, die festschreiben soll, welche ökonomischen Aktivitäten nachhaltig sind und welche nicht, treibt die EU vor allem das Thema Nachhaltigkeit in der Anlageberatung voran. Es ist geplant, die europäische Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) dahingehend zu erweitern, dass Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil eines jeden Beratungsgesprächs wird. Obwohl noch nicht geklärt ist, in welcher Form dies genau geschehen soll, steht fest, dass die Kunden befragt werden müssen, ob sie eine Nachhaltigkeitspräferenz für ihre Produktauswahl haben. Die geäußerte Kundenpräferenz ist auf jeden Fall zu dokumentieren.
Nachhaltige Geldanlagen auf deutlichem Wachstumskurs
Dass die Finanzdienstleister sich dieser Anforderung bereits stellen, spiegelt sich in den Marktzahlen für das nachhaltige Investment wider, die jährlich vom Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), dem Fachverband für nachhaltige Investments, für den deutschsprachigen Raum erhoben werden. In Deutschland sind Ende 2018 1,53 Billionen Euro anhand von Nachhaltigkeitskriterien angelegt und verwaltet worden. Die Summe nachhaltiger Investmentfonds belief sich zum Stichtag auf 44,7 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr ist eine Steigerung um fast 15 Milliarden Euro zu verzeichnen, mit Blick auf das Vergleichsjahr 2014 bedeutet dies fast eine Verdreifachung. Das wachsende Volumen nachhaltiger Investmentfonds zeugt davon, dass die Investmentbranche ihr Angebot nachhaltiger Fonds ausweitet, um der potenziellen Nachfrage durch die Nachhaltigkeitsabfrage im Anlagegespräch begegnen zu können.
Das Gesamtvolumen nachhaltiger Investments ist differenziert zu betrachten. Das FNG unterscheidet seit 2018 methodisch zwischen verantwortlichen Investments und nachhaltigen Geldanlagen. Von den 1,53 Billionen Euro verantwortlicher Investments sind rund 220 Millionen Euro nachhaltigen Geldanlagen zuzuordnen. Letztgenannte zeichnen sich gegenüber erstgenannten dadurch aus, dass sie konkrete Nachhaltigkeitskriterien für ihre Finanzprodukte in ihren jeweiligen Fondsprospekten explizit ausweisen, also Nachhaltigkeit als Ziel dort verankert haben. Bei den verantwortlichen Investments finden aufgrund des Treuhandprinzips Nachhaltigkeitskriterien lediglich im Anlageprozess der Investmenthäuser als Aspekt einer umfassenden Risikobewertung Anwendung.
Beratungskompetenz als künftiger Engpass
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz in der Privatkundenberatung großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Marktes für verantwortliche Investments und nachhaltige Geldanlagen nehmen wird. Zu klären ist dabei, ob etwa auch verantwortliche Investments zukünftig unter dem Label „Nachhaltig“ angeboten werden dürfen. Dies ist nach derzeitigem Diskussionsstand durchaus im Bereich des Möglichen. Es stellt sich dann die spannende Frage, wie man möglichen Greenwashing-Vorwürfen begegnen will. Bekunden die Anleger im Beratungsgespräch, dass sie eine Nachhaltigkeitspräferenz haben, muss dies durch den Anlageprozess des Produktes auch entsprechend gewährleistet sein. Ein zusätzlicher Nachhaltigkeitsnachweis für den Kunden könnte zum Beispiel durch die Etablierung von Mindeststandards für Ausschlüsse erfolgen, wie ihn das FNG-Siegel bietet. Bislang nimmt die Sprachverwirrung auf Angebots- und auf Nachfrageseite aber eher zu als ab. Für die Anleger muss jedoch inhaltliche Klarheit und Verständlichkeit geschaffen werden, um die verschiedenen Nachhaltigkeitsprodukte vergleichen zu können. Nicht zuletzt ist danach zu fragen, welche Kompetenzen und Qualitätsstandards die Berater für den Verkauf nachhaltiger Finanzprodukte mitbringen müssen, um die stark zunehmende Komplexität bei den Produkten vermitteln zu können.
Wirkungsorientierung als nächste Qualitätsstufe
Nachhaltigkeit steht für Wirkung. Bislang konzentrierte sich diese auf die finanzielle Wirkung nachhaltiger Geldanlagen. Nachhaltigkeit wirkt
sich performancesteigernd und/ oder risikomindernd auf die Wertentwicklung der Geldanlage aus. Doch Wirkung lenkt den Blick auf einen weiteren Aspekt, der zukünftig verstärkt in den Blick zu nehmen sein wird. Welche Nachhaltigkeitswirkung hat mein Investment? Zunehmend mehr Anleger wollen mit ihren Investments negative Wirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung verhindern und positive fördern. Hierfür sind erst noch Messverfahren anhand spezifischer Kennzahlen zu entwickeln, die vergleichbar einen konkreten nachhaltigen Nutzen für Mensch, Gesellschaft und Natur ausweisen. Auch dies wird absehbar dazu führen, dass eine nachhaltigkeitsorientierte Kundenberatung eine sehr anspruchsvolle Aufgabe sein wird, die Gefahr läuft, dass man sie mit unerfüllbaren Ansprüchen überfrachtet.
(fng)