Zusätzlich verkünden immer mehr Anbieter von Investmentfonds, dass sie es ihren Analysten und Portfoliomanagern jetzt ermöglichen, Nachhaltigkeitskriterien bei der Titelauswahl und der Portfoliokonstruktion zu berücksichtigen. Positiv betrachtet könnte man sagen, dass die Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien bei der Kapitalanlage endlich den Weg aus der Nische in den Massenmarkt gefunden hat. Aber hält diese Aussage auch einer kritischen Betrachtung stand?
EU-Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums als Treiber
Meiner Ansicht nach ist der Boom bei nachhaltigen Anlageprodukten ganz klar von dem EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ausgelöst worden. Zwar bezieht sich die Vorlage der EU-Kommission im ersten Schritt „nur“ auf die Erreichung der „Pariser Klimaziele“, al lerdings ist davon auszugehen, dass die EU mit zukünftigen Aktionsplänen und den folgenden Regulierungen die Agenda zur Erreichung der „Sustainable Development Goals (SDGs)“ der UN, die bis 2030 umgesetzt sein soll, aufgreifen wird.
Dies bedeutet, dass die EU-Kommission nach den Umweltkriterien, dem E in ESG, auch Vorgaben für die Erreichung der Ziele im Bereich des S (Social) und des G (Governance – verantwortungsvolle Unternehmensführung) machen wird. Da die Ankündigung des Aktionsplans auf ein großes Medienecho und damit verbunden auf ein großes öffentliches Interesse gestoßen ist, ist es nicht verwunderlich, dass die Anbieter von Investmentfonds von diesem Trend profitieren wollen und ihre Produktpalette um entsprechende Fonds erweitern, obwohl die EU-Kommission bisher noch keine Details zur Umsetzung veröffentlicht hat.
Marketing-Gag oder echtes Umdenken?
Etwas anders stellt sich die Situation bei den Fondsanbietern dar, die es ihren Analysten und Fondsmanagern ermöglichen, mit Hilfe von neu entwickelten Analysesystemen nachhaltige Kriterien bei der Titelauswahl und der Portfoliokonstruktion zu berücksichtigen. Auch wenn dieser Schritt grundsätzlich positiv zu beurteilen ist, könnte man hier auch von einem sogenannten „Greenwashing“ sprechen, denn in den meisten Fällen sind die Analysten und Fondsmanager nicht dazu verpflichtet diese Daten zu nutzen, sondern können diese, auf freiwilliger Basis, in ihren Investmentprozess integrieren.
Meiner Ansicht nach ist es aber derzeit nicht angebracht, den Fondsanbietern „Greenwashing“ zu unterstellen, denn schließlich ist es nur richtig, wenn die Anbieter ihren Analysten und Portfoliomanagern eine Übergangsfrist geben, insbesondere da die Nutzung nachhaltiger Auswahlkriterien bisher in keiner Weise vorgeschrieben ist. Ich persönlich gehe davon aus, dass die Fondsanbieter sich mit der Einführung der neuen Daten und entsprechender Analysesysteme auf zukünftige Anforderungen von Seiten der Regulatoren und der Investoren vorbereiten. Da solche Umstellungen in etablierten Portfoliomanagementprozessen erprobt werden müssen und entsprechend Zeit benötigen, ist es aus meiner Sicht richtig, dass dieser Übergang von den Fondsanbietern Schritt für Schritt angegangen wird, bevor entsprechende Vorschriften sie dazu zwingen. Ebenso ist es sicherlich kein Nachteil, wenn ein Fondsanbieter auf Nachfrage sagen kann, dass er seinen Analysten und Fondsmanagern bereits heute entsprechende Daten zur Verfügung stellt.
Gegenstimmen der Fondsindustrie
Irritierend finde ich allerdings, dass einige Fondsanbieter sich öffentlich darüber beschweren, dass die EUKommission mit ihrem Aktionsplan in die Gestaltungsfreiheit der Produktanbieter eingreifen würde. Auch wenn ich dem Argument, dass man es dem Markt überlassen sollte, ob nachhaltige Anlageprodukte gewünscht sind oder nicht, grundsätzlich ebenso nachvollziehen kann wie das Argument, dass Art und Umfang der einzelnen Kriterien, die zur Titelauswahl genutzt werden, dem einzelnen Portfoliomanager überlassen werden sollten, denke ich, dass der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums wichtig und richtig ist, denn mit der Umsetzung wird zum ersten Mal eine einheitliche Taxonomie geschaffen, die es Anlegern ermöglicht, einzelne Produkte auf Basis standardisierter Begrifflichkeiten miteinander zu vergleichen. Ebenso ist vorgesehen, dass das Thema Nachhaltigkeit in jedes Beratungsgespräch eingebunden werden muss, so dass die Anleger zukünftig informierte Entscheidungen bei der Geldanlage treffen können.
Diese beiden Punkte zeigen, dass es anscheinend nötig war, dass die EU regulierend in den Markt eingreift, da es die Anbieter von nachhaltigen Investmentfonds in den letzten Jahren nicht geschafft haben, sich auf eine einheitliche Taxonomie zu verständigen.
Ich denke, dass die Kritiker aus der Fondsindustrie bei all ihren Überlegungen einen wichtigen Punkt übersehen. Ein Portfolioverwalter ist immer der Treuhänder des Kunden und hat somit die Pflicht, im besten Interesse des Kunden zu handeln. Wie kann er dies erreichen, wenn er nicht alle verfügbaren Informationen zu einem Unternehmen bei seinen Analysen und den daraus resultierenden Anlageentscheidungen für den Kunden berücksichtigt?
Auswirkungen für Anleger und deren Berater
Auch die Berater standen dem Thema nachhaltige Geldanlage bisher eher zurückhaltend oder gar negativ gegenüber, da sie die einzelnen Ansätze für zu komplex hielten beziehungsweise sich aufgrund der fehlenden Taxonomie nicht sicher waren, ob und wenn ja, welcher Fonds am besten für einen bestimmten Kunden geeignet ist. Da sich immer noch viele Mythen um das Thema nachhaltige Geldanlage ranken, wird das Verständnis für die zu erwartenden Rendite/Risiko-Profile dieser Produkte allerdings nicht einfach nur durch die Einführung einer Taxonomie und eindeutiger Kennzahlen erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird es neben den genannten Grundvoraussetzungen auch einen erhöhten Schulungsbedarf für Anlageberater geben. Aus diesem Grund sollte es im Segment der Anlageberater, genauso wie bei den Analysten und Fondsmanagern, eine Eingewöhnungsphase geben, in der die Berater erproben können, wie sie das Thema der nachhaltigen Geldanlage den Kunden am besten erläutern können.
Zusammenfassung
Die derzeitigen Entwicklungen in der europäischen Fondsindustrie mit Hinblick auf das Thema nachhaltige Geldanlage sind meiner Ansicht nach sehr positiv zu beurteilen. Zum einen trägt der Trend zur Auflage nachhaltiger Anlageprodukte dazu bei, dass alle Arten von Anlegern dadurch eine größere Auswahl haben. Mit der einheitlichen Taxonomie und der daraus resultierenden Vergleichbarkeit der Produkte sollte sich durch die höhere Anzahl der Produkte die Komplexität des Marktes aus Anlegersicht nicht erhöhen. Ebenso ist zu vermuten, dass der höhere Wettbewerb, in Kombination mit der angesprochenen Vergleichbarkeit, insgesamt zu niedrigeren Kosten für die Anleger führen wird. Das wirklich Bahnbrechende an den derzeitigen Trends im europäischen Fondsmarkt ist jedoch, dass immer mehr „konventionelle“ Fondsanbieter beginnen, nicht finanzielle Daten und damit nachhaltige Kriterien in ihre Investmentprozesse zu integrieren. Durch diesen Schritt kommt die nachhaltige Geldanlage im Massenmarkt an, ohne dass sich der Kunde explizit für die Nutzung dieser Kriterien entscheiden muss.
(Detlef Glow, Lipper & Mein Geld)