Deutschland soll führender Standort in Sachen nachhaltige Finanzwirtschaft werden.
Im internationalen Vergleich steht Deutschland nicht im Ruf, zu den Vorreitern beim Umbau der Finanzwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu zählen.
Das soll sich ändern. Im Sommer des vergangenen Jahres gab die Bundesregierung mit der Einberufung des Sustainable Finance-Beirats den Startschuss zu einem ehrgeizigen Projekt:
Deutschland soll führender Standort in Sachen nachhaltige Finanzwirtschaft werden. Unter dem Vorsitz von Karsten Löffler von der Frankfurt School of Finance & Management war ein 37-köpfiges Expertengremium fortan mit der Erarbeitung einer Rahmenplanung befasst. Im März legte das Gremium, dem neben Finanzwirtschaft, Realwirtschaft und Wissenschaft auch Vertreter der Zivilgesellschaft angehören, nun einen Zwischenbericht vor. Vorgestellt wurden 53 Handlungsempfehlungen.
Die Adressaten: Bundesregierung und öffentliche Hand, die Unternehmen der Realwirtschaft sowie die Akteure am Finanzmarkt. Nach der Auswertung des bis Anfang April dauernden Feedbackprozesses soll der Abschlussbericht voraussichtlich im September veröffentlicht werden.
„Die Finanzierung des Übergangs in eine nachhaltige Wirtschaft wird einem europäischen Plan folgen.“
EIN DEUTSCHER SONDERWEG?
Der Zwischenbericht gibt einen ersten Überblick, an welchen Stellschrauben künftig gedreht werden sollte, damit die Finanzströme den Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft unterstützen. Dabei geben sich die Autoren überaus ambitioniert. Ziel ist es, so heißt es wörtlich, „dass Finanzakteure und Regierungen weltweit die deutsche Sustainable Finance-Strategie
als einerseits ehrgeizig in ihren Zielen und andererseits erfolgreich in der Erreichung dieser Ziele bewerten und für ihre eigenen Aktivitäten als handlungsrelevant ansehen.“
Das klingt etwas verklausuliert, heißt aber wohl nichts anderes, als dass Deutschland in Sachen Sustainable Finance zur internationalen Benchmark aufsteigen möchte. Und genau hieran übt die Finanzwirtschaft hierzulande deutlich Kritik. Vor allem mit Blick darauf, dass Deutschland Regelungen anstrebe, die auf EU-Ebene bereits beschlossen, initiiert und schon umgesetzt worden sind. Teilweise gehe Deutschland sogar darüber hinaus, etwa beim Klassifizierungssystem für nachhaltige Anlagen. Der deutsche Fondsverband BVI hält solcheAlleingänge für nicht zielführend. Sein Hauptgeschäftsführer, Thomas Richter, wies in einer ersten Stellungnahme darauf hin, dass die deutschen Vorschläge die bestehenden Regulierungsinitiativen auf EU-Ebene nicht ausreichend berücksichtigen würden. „Die Finanzierung des Übergangs in eine nachhaltige Wirtschaft wird einem europäischen Plan folgen“, zitierte ihn die Börsen-Zeitung.
In die gleiche Kerbe schlug der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. „Als Anbieter nachhaltiger Finanzprodukte müssen wir uns auf einen europaweiten Regelungsrahmen verlassen können. Daher halten wir die Forderung des Sustainable Finance-Beirats für kontraproduktiv, ergänzend zum europäischen Regelwerk zusätzlich nationale Regelungen zu schaffen“, sagte dessen Präsidentin, Marija Kolak, in einem Pressestatement. Ein solches Vorgehen würde den Standort Deutschland im Wettbewerb belasten anstatt zu stärken. Vielmehr sollte sich die Bundesregierung in den europäischen Regulierungsprozess aktiv einbringen und sich für ein praxistaugliches Regelwerk einsetzen. Gelegenheit dazu hat diese jedenfalls, wenn sie in der zweiten Hälfte des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Die Vorbereitungen zur Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sind noch nicht abgeschlossen. Das Programm soll im Juni 2020 veröffentlicht werden, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium.
„ Die Entwicklung einer Sustainable Finance-Strategie für Deutschland ist eine zentrale Maßnahme des Klimaschutzprogramms 2030.“
Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth zum Zwischenbericht des Sustainable Finance-Beirats
DER DAX WIRD GRÜN
Derweil ist man bei der Deutschen Börse in Frankfurt schon einen Schritt weiter. Seit März gibt es dort neben dem DAX 30, dem MDAX, dem TecDAX und dem SDAX nun auch den DAX 50 ESG Index. Der neue Index bildet die 50 größten und liquidesten Unternehmen im deutschen Aktienmarkt ab, die nicht in den Geschäftsfeldern kontroverse Waffen, Tabak, Kernenergie, Kraftwerkskohle oder Rüstungsgüter aktiv sind und die vergleichsweise gute ESG-Scores aufweisen. Zu den Gründen für die Erweiterung der DAX-Familie sagte Kristina Jeromin, Head of Group Sustainability, bei der Deutschen Börse: „Die Realwirtschaft steht vor einem Transformationsprozess und es liegt in der Verantwortung des Finanzsektors, diesen zu finanzieren. Indizes wie der DAX 50 ESG bieten dafür eine wichtige Grundlage.“
Die Indexkomponenten werden nach ihrer Marktkapitalisierung gewichtet und die einzelnen Gewichte bei sieben Prozent gekappt. Ein Rebalancing erfolgt vierteljährlich. Der grüne DAX eignet sich als Grundlage für Derivate, strukturierte Produkte und ETFs. Mit ihm möchte die Deutsche Börse einen „Standard für ESG-Investments in Deutschland“ setzen, heißt es dort selbstbewusst. Ob dies gelingt, wird sich zeigen. Eine gewisse Bedeutung für Unternehmen, die sich den ESG-Kriterien verpflichtet fühlen,dürfte er in jedem Fall haben. Denn in Zeiten des von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen propagierten „Green Deals“ würde der Rauswurf aus dem Green DAX einem Unternehmen öffentlich wohl keine Pluspunkte einbringen. Überbewerten sollte man ein solches Ereignis allerdings auch nicht. Denn der nachhaltige Aktienindex der Deutschen Börse ist nicht der einzige und schon gar nicht der erste seiner Art.
Tatsächlich gibt es für die großen Märkte dieser Welt bereits einige nachhaltig ausgerichtete Indizes verschiedener Anbieter. Je nach angewandter Methodik und Schärfe der Auswahlkriterien kann ein Unternehmen daher in einem Index vorhanden sein, während es aus einem anderen herausfliegt. Nachhaltige Investmentindizes bieten vor diesem Hintergrund immer nur eine erste Orientierung. Je nach individuellen ESGPräferenzen bleibt den Investoren daher ein zweiter, genauerer Blick nicht erspart.
(Mein Geld)