Sachwerte / Immobilien

AGORA INVEST: Wohnimmobilienmarkt 2023 – Aufwärtstrend setzt sich nach Delle fort

• Wohn- und Sozialimmobilien bleiben in diesem Jahr Favoriten • Geringes Neubauvolumen verstärkt Wohnungsmangel • Differenzierung des Marktes notwendig

Schluesseldienst / Pixabay

Der auf die Finanzierung von Wohnimmobilienprojekten in Deutschland spezialisierte Investmentberater AGORA INVEST rechnet damit, dass sich dieses Jahr die Marktlage für Wohn- und Sozialimmobilien gegenüber dem letzten Jahr wieder deutlich verbessert. Die Differenzierung in den jeweiligen Segmenten, Standorten und Marktteilnehmern ist dabei entscheidend.

Wir sind davon überzeugt, dass sich die pessimistische Einschätzung einiger Experten hinsichtlich des Immobilienmarkts nicht bewahrheiten wird. Die Indikatoren für den Wirtschaftsraum haben sich in den letzten Monaten deutlich aufgehellt. Die Energiepreise haben sich wieder zurückgebildet – teilweise auf das Niveau vor der Ukraine-Krise, die Erzeugerpreise sind deutlich gefallen und die Inflationsraten haben ebenfalls ihr Topniveau verlassen. Das BIP hat sich trotz der enormen Krisen gegen viele Erwartungen im Vorjahr 2022 leicht positiv mit einer Rate von 1,9 Prozent gezeigt. Diese Kennzahlen dürften einen positiven Einfluss auf den Immobilienmarkt haben. Obwohl sich die Preise etwa für Wohnimmobilien negativ – mit Raten von minus 4 bis 6 Prozent – entwickelt haben, liegen sie aber immer noch über den Preisen von 2021. Die Zurückhaltung vieler Investoren, die zu Stornierungen von Projekten und einem geringeren Transaktionsvolumen geführt haben, wird sich nach unserer Ansicht zur Mitte des Jahres 2023 auflösen. Wir sehen insgesamt für den Markt keine Trendumkehr, sondern vielmehr eine Delle im langjährigen Aufwärtstrend – bei geringerer, abnehmender Dynamik bei den Preisen, aber mit neuer Dynamik bei den Mieten.

Rückstand beim Neubauvolumen verschärft Wohnungsnot

Insgesamt ist festzuhalten, dass das zur Verfügung gestellte Neubauvolumen im Jahr 2022 den Bedarf an neuen Wohnungen bei weitem nicht abdeckt. In diesem Jahr rechnen wir mit einem Neubauvolumen von maximal 250.000 Einheiten bei einem Mindestbedarf von 400.000 neuen Wohnungen. Diese Unterdeckung begleitet uns nunmehr seit einigen Jahren. Damit wird die Lücke infolge der durch Zuwanderung deutlich wachsenden Bevölkerung von Jahr zu Jahr größer. Die aktuellen Leerstandsquoten in Städten und Regionen verschärfen zudem die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland weiter.

Kaltmieten steigen 2023 weiter

Ein Blick auf diese Situation untermauert unsere Einschätzung, dass wir im Wohnungssegment keine sinkenden Preise sehen werden. Damit schließen wir nicht aus, dass sich die Preise in bestimmten Regionen setzen und keine Steigerungsdynamik mehr aufweisen, da der ein oder andere Interessent von einem Kauf absieht. Auf der anderen Seite dürften jedoch die Kaltmieten insgesamt weiter ansteigen. Somit erwarten wir, dass die Minderentwicklung der Mieten zu den Kaufpreisen beendet ist und ab 2023 die Mieten wieder die Mehrrendite für die Investoren erzielen werden.

Makroumfeld hellt sich allmählich auf

Mit Blick auf das allgemeine Makroumfeld beobachten wir eine Stabilisierung bzw. Verringerung der Inflationsraten in den letzten Monaten. Der Vorreiter – USA – hat nunmehr im 5. Monat rückläufige Raten vermeldet. Auch in Europa berechtigen die aktuellen Zahlen zu der Hoffnung, dass auch im Euroraum die Höchststände der Inflation hinter uns liegen. Damit werden die Zinsschritte der Notenbanken verlangsamt und nicht mehr die Dynamik des letzten halben Jahres haben. Eine weitere drastische Verteuerung der Finanzierungszinsen bleibt unseres Erachtens im Jahr 2023 aus.
Der Eurokurs hat sich inzwischen ebenfalls von seinen Tiefpunkten gelöst und liegt aktuell wieder stabil über der US-Dollar-Parität. Zusammen mit den Daten zum Auftragseingang und zur Industrieproduktion sprechen wir in Europa und den USA nicht mehr von einer tiefen Rezession.

Trotz Stornierungen bei Projektentwicklern: Licht am Ende des Tunnels

Täglich verkündet der Markt, dass Projekte storniert und auf „Hold“ gestellt werden. Verteuerte Kreditzinsen und steigende Preise für Baumaterialien und Handwerker erschweren die Kalkulation für Neubauten und Sanierungen. Die „Big Five“ haben ihre Projektentwicklungen um 50 Prozent reduziert und wir erleben auch die ersten Insolvenzen im Immobilienmarkt. Meist betrifft dies Immobilienunternehmen, die in allen Segmenten unterwegs waren und eine äußerst geringe Eigenkapitaldecke haben. Wie immer bleiben in einem „angegriffenen“ Markt diese zuerst auf der Strecke. Andererseits werden bislang knappe Kapazitäten – auch in Bezug auf Handwerkerleistungen – wieder verfügbarer; die Preise für Baumaterialien etwa haben ihren Höhepunkt bereits im März und April letzten Jahres erreicht und gehen in diesem Jahr wieder deutlich zurück.

Beim Umwelt- und Klimaschutz trennen sich die Spreu vom Weizen

Das Thema Umwelt- und Klimaschutz rollt nunmehr in einer großen Welle auf den Immobilienmarkt zu. War es in der nahen Vergangenheit ein viel diskutiertes Thema auf Immobilienkongressen und in der Politik, ist die Entwicklung der Energiekosten für den „Betrieb“ einer Immobilie, verursacht durch den Ukraine-Krieg, die neue Nummer eins auf der Agenda. Die Reduktion des CO2-Fußabdrucks der Städte ist seit 2022 nicht mehr ein Zukunftsthema, sondern direkt im Geldbeutel der Menschen angekommen. Nebenkosten von unsanierten Wohnungen, Büros und Betriebsstätten dürften weiterhin deutlich ansteigen. Diese Entwicklung wirkt direkt auf die Preise und Kaltmieten. Unsanierte Wohnimmobilien werden deshalb weniger nachgefragt und verlieren deutlich an Wert. Erste Zahlen belegen eine Preisdifferenz von bis zu 30 Prozent gegenüber vollsanierten bzw. Neubauwohneinheiten. Energieeffizienz im Gebäudesektor ist demnach unumgänglich. Bei Neuinvestments sollte daher die Energiebilanz des Gebäudes eine hohe Gewichtung erfahren.

Wohnraumfrage bestimmt die Agenda für Gesellschaft und Politik

Die Wohnraumfrage ist oberstes Thema in der Gesellschaft und spielt auch eine wichtige Rolle in der Politik. Das ursprünglich ausgegebene Ziel von einem zusätzlichen Bedarf von 400.000 Wohnungen pro Jahr wird dennoch seit Jahren nicht erreicht. Alle Marktteilnehmer sind sich darüber einig, dass die Sanierung von Wohnraum und der Neubau die entscheidenden Elemente hierfür sind. Daher beschäftigt sich die Politik mit weiteren Überlegungen, inwieweit sie eine höhere Produktivität, sprich Neubauvolumen unterstützen kann. Erste politische Beschlüsse wurden bereits gefasst, weitere werden folgen. Daher gehen wir davon aus, dass die Politik für eine Stabilität des Immobiliensektors sorgen wird und Neubauprojekte mit finanziellen Anreizen, neben den bereits beschlossenen Maßnahmen, wieder bezahlbar machen wird.

Wohnen und Sozialimmobilien bleiben auch in diesem Jahr Favoriten

Zusammengefasst rechnen wir mit einer positiven Entwicklung für den Wohnimmobilienmarkt im Jahr 2023: Wohnen in Bezug auf energetisch optimierte Neubauprojekte wird sowohl bei der Mietpreisentwicklung wie auch der Preisentwicklung die anderen Segmente positiv „schlagen“. Hauptgrund ist und bleibt der starke Nachfrageüberhang, der sich bei weiterhin nicht ausreichender Bautätigkeit noch ausweiten wird. Stimmen die prognostizierten Zahlen zur Zuwanderung mit einem Anstieg der Bevölkerung auf eine Zielmarke von nahezu 86 Millionen Menschen, dürfte die Lücke über Jahre bestehen bleiben.

Neben den zuvor beschriebenen wirtschaftlichen Faktoren erwarten wir auch weitere staatliche Maßnahmen – neben den bereits beschlossenen Verbesserungen bei den Abschreibungen – die den Wohnungsmarkt positiv beeinflussen werden.

Wohnen in Sozialimmobilien mit der Fokussierung auf betreutes und altersgerechtes Wohnen sowie Ärztehäuser werden aufgrund der negativen Dynamik der Bevölkerungsentwicklung der zweite Gewinner in der Assetklasse Immobilien sein. Das Jahr 2022 zeigte in diesen Segmenten ein erhöhtes Umsatzvolumen. Pflegeheime brachten einen Umsatz von 864 Mio. Euro (48 Prozent); betreutes Wohnen und Ärztehäuser inklusive medizinischer Versorgungszentren kamen zusammen auf einen Umsatz von 704 Mio. Euro (40 Prozent). Für das Jahr 2023 erwarten wir weiter steigende Umsatzzahlen und eine deutlich erhöhte Nachfrage seitens institutioneller Investoren.

Generell sind Private-Debt-Investments in diesen Segmenten weiterhin gefragt und weisen ein positives Rendite-/Risiko-Profil auf.

(AGORA GROUP)

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