Sachwerte / Immobilien

Bleiben Immobilien resilient?


Vor anderthalb Jahren wusste kaum jemand, was Resilienz bedeutet. Heute wissen wir: Die Immobilie ist es. Und nicht nur das, die Immobilie profitiert sogar. Andererseits neigt man mit Erfahrung aus vier Zyklen ebenso wenig zu Crash-Überlegungen wie zu euphorischen Aufschwung-Prognosen. Die Statistik führt zu falschen Hoffnungen.

Es ist klar, dass nach einem Einbruch um fünf Prozent, weil ein großer Teil der privaten Volkswirtschaft abgeschlossen wurde, im Folgejahr ein hoher Normalisierungsanstieg zu erwarten ist. Dennoch sind die Erwartungen hier rückläufig. Allein in 2020 sind die deutschen Staatsschulden um 275 Milliarden Euro auf 2,33 Billionen Euro gestiegen (Bundesbank). Die Schuldenquote hat von 59,7 auf 70 Prozent zugelegt. Und es geht weiter so im laufenden und im nächsten Jahr. Anfang Juli rutschten 30-jährige Bundesobligationen wieder in den negativen Bereich (-0,05 % Effektivverzinsung). Fünf-Jahres-Obligationen landen bei -0,77 Prozent. Gleichzeitig stieg die Inflation auf vier Prozent. Daraus ergeben sich negative Realzinsen von über 4,5 Prozent. Das ist ein trauriger Rekord seit den 1950er-Jahren. Noch schlimmer ist die dahinter liegende Täuschung. Denn der Staat hat den BIP-Einbruch von minus fünf Prozent durch künstliche Umsätze „schönsubventioniert“. Die Staatsquote ist von 45,2 Prozent in 2019 auf 51,3 Prozent letztes Jahr gestiegen (Statista). Der echte private Sektor, der am Ende ja alles bezahlen muss, ist also nicht um fünf Prozent, wie es gerne dargestellt wird, sondern ohne Inflationsberücksichtigung und ohne Schönrechnung durch BIP-Sponsoring mindestens um ca. 16 Prozent gesunken.

Im Moment freuen wir uns aber über eine „Fast-wieder-wie-vor-der-Krise“-Wirtschaft. Auf der einen Seite gibt die Multiplikation von vielen „fast“ immer weniger als 100 Prozent. Optimistisch stimmen dagegen die China- und US-Konjunktur und die riesige Sparsumme der Deutschen mit historischer Sparquote und Nachholstau. Mal sehen, was dabei herauskommt. So richtig fehlt aber die Euphorie. Viele Bereiche unserer Volkswirtschaft müssen über ihre Geschäftsmodelle nachdenken. Die Automobilindustrie geht mit Selbstmord- Versprechen voran. Für ein tempolimitiertes, autonomes Sharing-E-Smartphone auf Rädern braucht es aber keine Spaltmaßoptimierung, keine Hochleistungsverbrenner, keine 5.000 Vordersitz- Varianten wie allein bei der E-Klasse und keine Hochleistungsreifen. Wieder wird die Forschung an weltweit führenden Technologien am Höhepunkt eingestellt.

Das alles interessiert die Immobilienwirtschaft nicht. Die Vermietungsumsätze bei Büros erreichten im ersten Halbjahr wieder den Lethargie-Vorjahresumsatz. In immobilienwirtschaftlicher Logik mit zukünftig steigendem Angebot steigen auch wieder die Umsätze und auch die Mieten. Trotz Krise blieben die Büromieten weitgehend unverändert. Moderne und flexibel gestaltbare Büros blieben nachgefragt. Starre und weniger nachhaltige Büros bekämen Probleme. Da dürften einige Investoren verblüfft auf ihre vielleicht fünf Jahre alten „Berater“-Maklerrechnungen schauen. Logistik bleibt im Boom, Wohnen sowieso. Einzelhandel kommt wieder. Hotels expandieren erneut.

Zur Jahresmitte 2021 sind alle Bedenken zerstreut. Die Zinssituation kennt keine Alternativen. Ein Megadeal jagt den nächsten. Mit dem Turm 1 des Frankfurter „Four“ wurde mit 1,4 Milliarden Euro der teuerste Deal einer Einzelimmobilie durchgeführt. Es geht aufwärts. Nachdem der deutsche Investment- markt Ende des ersten Quartals laut JLL noch ein Minus von über 40 Prozent gegenüber dem starken Vorjahresquartal verzeichnete, schrumpfte das Minus im Halbjahresvergleich auf „nur“ noch 20 Prozent. Die Vonovia-Übernahme der Deutsche Wohnen macht dabei den Markt. Klappt der Deal, schließt das Jahr sogar mit Rekord ab. Klappt’s nicht, wird’s schlicht.

Das Vonovia-Wechselbad zeigte noch eine ganz andere Entwicklung auf. Mehr theoretisch war vor den Folgen des ETF-Booms gewarnt worden. Allerdings hatte aus handfester immobilienwirtschaftlicher Sicht die brandaktuelle Bedeutung der Passivitätsverpflichtung der Indexfonds wohl noch niemand auf dem Schirm. Ähnlich wie 2008 in der Finanzkrise werden Zusammenhänge oft erst sichtbar, wenn etwas schiefgeht. Passive ETFs mit überschlagsweise 20 Prozent Aktienanteil konnten ihre Aktien nicht übertragen. Etwa 30 Prozent hielten die zockenden Hedgefonds. Damit ging die letzte Übernahme trotz der riesigen Mehrheit der „normalen“ Aktionäre, die mit 47,5 Prozent zu über 90 Prozent rechnerisch zustimmten, schief. Der zunehmende Anteil passiver Fonds auf dem Markt dürfte damit Großdeals mit Indexunternehmen erschweren. Unabhängig vom Ausgang des nächsten, nachgebesserten Versuchs wäre der Schaden beherrschbar geblieben. Der Wohnungsmarkt gibt derzeit genug Optimismus her. In einer anderen Marktsituation könnte das aber auch anders aussehen, wenn sich der größte Aktionär dann von seinen Aktien trennt und die Zocker ebenfalls verkaufen müssen. Die Indexfonds müssen sich an den dann neuen Indexanteil anpassen. Private Anleger bekommen dann traditionell kalte Füße. Zum Glück
ist die Wohnimmobilie beziehungsweise der Glaube an die Wohnimmobilie dafür aber zu resilient – NOCH.

 

WERNER ROHMERT,
Seit 1988 als Wirtschaftsjournalist mit dem Schwerpunkt Immobilien tätig. Er ist der Immobilienspezialist des wöchentlich erscheinenden „Der Platow Brief “, Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Thema Immobilien und seit 2001 Herausgeber von „Der Immobilienbrief“. 2004 übernahm Werner Rohmert den Vorsitz des immpresseclub e. V., der Arbeitsgemeinschaft deutscher Immobilienjournalisten.

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