Herr Thies, Sie haben eine Produktoffensive für dieses Jahr angekündigt. Bis vor kurzem bestand Ihre Produktpalette praktisch ausschließlich aus Schuldverschreibungen zur Finanzierung von Wohnprojekten. Jetzt wird die Auswahl sowohl der Investmentstrategien als auch der Anlagevehikel deutlich ausgeweitet. Ist das alte Kerngeschäft nicht mehr attraktiv?
MALTE THIES: Doch, absolut! Schließlich haben wir im vergangenen Jahr rund 180 Millionen Euro platziert, was für ein ungebrochen großes Interesse spricht. Denn die Story ist auch unter veränderten Marktbedingungen intakt: Wohnprojektentwickler – und übrigens nicht nur die – stehen vor der Schwierigkeit, ausreichende Finanzierungsmittel zu finden. Da klassische Finanzierer wie Banken aus regulatorischen Gründen bei der Kreditvergabe äußerst zurückhaltend sind, setzen Projektentwickler auf alternative Finanzierungsquellen. Und genau diese stellt die ONE GROUP bereit. Hinzu kommt, dass mit den Immobilienbewertungen derzeit auch der LTV sinkt. Es ist also damit zu rechnen, dass die Banken in Sachen Kreditvergabe noch reservierter werden. Das verbessert das Umfeld für uns zusätzlich.
Natürlich stehen Projektentwickler derzeit vor besonderen Herausforderungen. Die Finanzierungsengpässe werden von langwierigen Genehmigungsprozessen und hohen Baukosten flankiert. Selbst große Bestandshalter müssen daher ihre Neubaupläne auf Eis legen. Anders verhält es sich bei unserem wichtigsten Projektpartner und Mutterkonzern. SORAVIA setzt seit jeher auf eine langfristige Strategie, die den Lebenszyklus der gesamten Immobilie einschließt. Das ist auch der Grund, warum wir nach wie vor spannende und rentable Projekte in Deutschland und Österreich in der Pipeline haben. Der strukturelle Bedarf an Wohnraum, aber auch an Flächen anderer Nutzungsarten, ist ja nach wie vor vorhanden.
Warum dann der Schwenk hin zu anderen Anlageprodukten?
MALTE THIES: Weil wir unsere Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft haben. Unser Ziel ist es, den SORAVIA-eigenen 360-Grad-Blick auf Immobilien auf das Investment zu übertragen. Das heißt, wir wollen über die komplette Wertschöpfungskette und die gesamte Kapitalstruktur ein Investment-Ökosystem schaffen. Die Ressource Immobilie ist mit 400 Millionen Euro im Bestand und 5,6 Milliarden Euro sind in der Pipeline schon vorhanden. Das ermöglicht es uns, weitere individuelle Investmentprodukte für unterschiedliche Zielgruppen zu entwickeln.
Der „ProReal Kapstadtring“ – ein hochwertiges Objekt im Marktsegment „Serviced Apartments“ – ist dafür ein gutes Beispiel. Statt die finale Instandsetzung über eine zusätzliche Finanzierung darzustellen, haben wir mittels eines Spezial-AIFs Eigenkapital eingeworben. Dieser ist auf eine hohe Nachfrage bei semi- und professionellen Investoren gestossen. Unsere Investoren profitieren davon, dass die ONE GROUP selbst mit 10,1 Prozent an der Objektgesellschaft beteiligt ist. Hinzu kommen die erfolgsabhängige Vergütung der ONE GROUP sowie die faire Aufteilung des Mehrertrags. Das sind genau die PS, die wir jetzt auf die Straße bringen.
Weshalb?
MALTE THIES: Mit dem ganzheitlichen Ansatz des Investment-Ökosystems haben wir in Sachen Produktgestaltung einen großen Aktionsradius. Die potenziellen Assets und das Know-how sind vorhanden – davon sollen unsere Anleger profitieren. Der Erfolg des „ProReal Kapstadtrings“, der eine hohe Nachfrage aufweist, gibt uns in meinen Augen recht. Deshalb sondieren wir die Pipeline der SORAVIA und den Markt, schauen, wo Angebotslücken klaffen und liefern Lösungen. Immerhin gehören wir bei der Platzierung von Publikumsfonds und Vermögensanlagen deutschlandweit inzwischen zu den größten Anbietern.
Im zweiten Halbjahr 2022 ist kein neues Produkt aus Ihrer klassischen Kurzläuferserie „ProReal“ an den Markt gekommen. Warum nicht?
MALTE THIES: Es ist schlichtweg zu ungeplanten Verzögerungen bei der Produktfreigabe durch die Aufsicht gekommen. Mittlerweile hat sich die Schlagzahl bei den Gesetzesänderungen erhöht – und das ist im Interesse des Verbraucherschutzes auch gut und richtig. Nur ist das für uns – ohne Glaskugel – bei der Entwicklung unserer Produkte nicht vorherzusehen. Solche Zäsuren nutzen wir, um uns noch zukunftssicherer aufzustellen. Nicht von ungefähr waren wir der erste Anbieter am Markt, der eine verwahrstellenähnliche Mittelverwendungskontrolle eingeführt hat. Von daher steht außer Frage, dass wir die „ProReal“-Erfolgsserie auch in Zukunft fortsetzen – zum Teil mit neuen Anlageideen und Strukturierungsansätzen.
Was bedeuten die höheren Zinsen für Ihre Anlagestrategie und Ihre Anleger?
MALTE THIES: Für unsere Anleger sind die gestiegenen Zinsen erst einmal gute Nachrichten. Der Markt befindet sich einerseits in Schockstarre, andererseits bereinigt er sich gerade. Jetzt schlägt die Stunde der professionellen Projektentwickler. Aber auch diese sind angesichts der hohen Kreditzinsen und sich zierender Banken auf alternative Finanzierungen angewiesen. Sprich: Die Unsicherheiten stärken Mezzanine. Das ist ein roter Teppich für unsere Anlagestrategie, den wir nur zu gern beschreiten. Bislang war jedes Produkt der „ProReal“-Serie voll im Plan.
Wo sehen Sie die ONE GROUP in einem Jahr?
MALTE THIES: Wir werden einer der führenden Anbieter für innovative und zum Teil auch außergewöhnliche Investmentchancen im Sachwertebereich für Privatanleger, semiprofessionelle und institutionelle Investoren mit dem Schwerpunkt „Immobilie“ sein: kein austauschbarer Anbieter von 08/15-Produkten oder Bauchladen, sondern ein Spezialist für wirklich ausgefeilte und gut durchdachte Immobilien-Investments.
Vielen Dank für das Gespräch.