Sachwerte / Immobilien

Der Tod des Share Deals

Gerechtigkeit oder Kassentuning?

R.I.P. Nach langer Krankheit, aber am Ende doch schnell und überraschend verstarb der Share Deal. Der Bundestag verabschiedete Mitte April das entsprechende Gesetz. Das Handeln von Gesellschaftsanteilen statt von Immobilien sparte knapp 95 Prozent der Grunderwerbsteuer von 3,5 bis 6,5 Prozent des Immobilienwertes je nach Bundesland. Im Zeitalter schneller Spekulationen mit Durchhandeln von Wertsteigerungen innerhalb weniger Jahre machte das in der Summe durchaus zwölf Prozent des Immobilienwertes pro An- und Verkaufsvorgang aus, die beim echten Immobiliendeal fällig geworden wären. Unter Berück- sichtigung sonstiger Erwerbsnebenkosten mit Makler, Objektprüfung sowie steuerlichen, betriebswirt- schaftlichen und rechtlichen Gutachten und den üblichen Nebenkosten des Notars sind die drei bis sechs Prozent Mehrkosten pro Vorgang durchaus prohibitiv.

Seit Jahren war der Share Deal als mißbräuchliche Gestaltung in der Diskussion. Es fragt sich schließlich für den gerechtigkeits- und oft sozialorientierten Politiker, Normalbürger und Journalisten, warum das Ehepaar, das nach dem Auszug der Kinder sein Einfamilienhaus verkaufen will, um eine citynahe Eigentumswohnung zu erwerben, und damit erheblichen Wohnraum für junge Familien verfügbar macht, doppelt mit bis zu 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer im Einkauf und indirekt durch den Preis auch beim Verkauf belastet wird. Es bleibt sozialpolitisch auch ungeklärt, warum die junge Familie, die ein Haus erwerben möchte, bis zu 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer, also insgesamt mit Makler und sonstigen Kosten 13 Prozent und mehr Nebenkosten aus gespartem Eigenkapital bezahlen muss, während Spekulanten mit Wohnungsportfolios fast steuerfrei handeln können. Die Volksmeinung dazu machte die ARD in einer interessanten Sendung über Signa/ GKK Galeria Karstadt Kaufhof beziehungsweise Rene Benko am Montag, 26. April 2021, deutlich (einsehbar in der Mediathek, 45 Minuten).

Aber ganz so einfach ist die Wertung nicht. Die Konstruktion machte den Markt liquider. Wie viele Milliarden so am Fiskus vorbeigeschleust werden, weiß niemand. Aber statt diese Milliarden jetzt zur Senkung einer einheitlichen Grunderwerbsteuer für alle oder zur Begünstigung sozial sinnvoller Erwerbsvorgänge zu verwenden, schließt der Gesetzgeber lediglich das Steuerloch und hält die Steuern hoch. Das kann durchaus auch wieder den Sparer treffen. Abwertungen zwischen zwei und fünf Prozent könnten jetzt Immobilien oder gehaltene Gesellschaften in großen Kapitalanlageportfolien im aktuell unglücklichen Pandemie-Umfeld treffen. Viele Geschäfte lohnen sich jetzt nicht mehr. Andererseits weiß auch niemand, wie viele heutige alternativzinsabhängige Deals ohne den Steuereffekt gar nicht stattgefunden hätten oder zukünftig nicht stattfinden werden.

Jahrzehnte war es im professionellen Umfeld auch bei steigenden Steuern vergleichsweise ruhig um die Gestaltung. Deutschland war Vorbild. In der Ausbildungszeit des Autors lachten wir über unsere Nachbarn mit horrenden Erwerbsnebenkosten bis zu 15 Prozent. Deutschland senkte die Grunderwerbsteuer sogar noch von fünf Prozent auf einheitlich zwei Prozent. Damit lohnte sich der Aufwand für Share Deals nicht mehr. Die gab es damals schon und hatten den Sinn, generationenübergreifende Neustrukturierungen mittelständischer Konstruktionen nicht mit Steuern zu behindern. Erst mit der erneuten Explosion der Grunderwerbsteuer je nach Bundesland auf 3,5 Prozent bis 6,5 Prozent wurde das Thema wieder lohnenswert und so Thema der öffentlichen Gerechtigkeitsdiskussion.

Ab dem 1. Juli 2021 muss der Verkäufer selber mit mindestens zehn Prozent für zehn Jahre beteiligt bleiben, erläuterte Rechtsanwalt Klaus Beine, Real Estate Leiter bei Beiten Burkhardt. Lediglich Anteils- übergänge, die auf Grund eines Geschäfts über eine anerkannte Börse erfolgen, lösen keine Grunderwerb- steuer aus. Nach bestehendem Recht mussten Verkäufer oder Dritte fünf Prozent der Anteile für fünf Jahre halten. Das ermöglichte Dritt-Gestaltungen im Interessenbereich des Käufers, im Volksmund „Strohmann“ genannt. Dies ist zukünftig ausgeschlossen. Der Share Deal sei damit faktisch tot. Das originäre Verkaufs- und Gewinnrealisierungsinteresse des Verkäufers könne so nicht realisiert werden. Der Käufer wiederum könne über zehn Jahre keinen realen Zugriff auf die Immobilie ausüben. Damit sei eine solche Konstruk- tion weder im Sinne des Verkäufers noch des Käufers. Die Immobilienwirtschaft ist naturgemäß unglück- lich und hat renommierteste Gutachter aufgeboten, die das Verfahren über Jahre verzögerten.

Konsequenzen für Produktionsunternehmen auch bei Kleinstübertragungen seien ungerecht. Auslands- investitionen von börsennotierten Unternehmen müßten jetzt über mehrere Beteiligungsebenen über- wacht werden. „Das ist undurchführbar“, erklärt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. Sicher muss das noch überprüft und vielleicht nachgebessert werden, aber der „gesunde Politikerverstand“ und wohl auch die Mehrheit der Medien geht zunächst davon aus, dass jemand, der komplizierte Gestaltungen durchführen kann, diese auch weiter nachvollziehen können muss. R.I.P., requiescat in pace, rest in peace, ruhe in Frieden, lieber Share Deal.

(WERNER ROHMERT)

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