Wohnungsnot in Deutschland herrscht bereits seit geraumer Zeit. Zuzug und steigende Ansprüche bei Wohnraum führen insbesondere in den größeren Ballungsräumen zu steigender Nachfrage und Wohnungsmangel. Infolge der Krise am Immobilienmarkt hat sich das Problem nochmals verschärft, da der Bau von neuen Wohnimmobilien ins Stocken geraten ist.
Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge wird die Zahl der fertiggestellten Wohnungen von knapp 259.000 im Jahr 2022 auf 235.000 in diesem Jahr fallen. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl genehmigter Wohnungen im Jahr 2023 nochmals um 27 Prozent auf nur noch 260.000 zurückgegangen. Ein niedrigeres Niveau gab es lediglich im Jahr 2012 mit 241.000. Und auch für dieses Jahr ist keine Belebung in Sicht. So dürfte der Wohnungsneubau daher eventuell sogar unter die Schwelle von 200.000 fallen und als Folge der aktuell geringen Neubaugenehmigungen bis mindestens ins Jahr 2025 auf sehr niedrigem Niveau verharren.
Das Ziel der Bundesregierung sind 400.000 Wohnungen, die als Mindestanzahl jährlich benötigt werden. Aufgrund des starken Zuzugs und der zu niedrigen Bautätigkeit über Jahre hinweg wären sogar eher 700.000 Wohnungen erforderlich. Besonders im unteren Preissegment besteht ein hoher Bedarf. Der Bestand an Sozialwohnungen ist in den vergangenen 30 Jahren von annähernd 2,9 Millionen im Jahr 1990 auf knapp 1,1 Millionen im Jahr 2022 gesunken. Bis Ende 2024 wird die Gesamtzahl der Sozialwohnungen voraussichtlich unter die Millionenschwelle fallen. Bis 2035 fallen jedes Jahr rund 40.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Ziel der Bundesregierung ist es, 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zu bauen. Im Jahr 2022 sind allerdings nur 22.755 gebaut worden.
Mieten steigen
Gestiegene Zinsen, gestiegene Baukosten und weniger Neubau haben zu einer Verschärfung der Wohnungsnot beigetragen und zu einer Beschleunigung des Mietwachstums geführt. Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Menschen mieten wollen, anstatt zu kaufen. Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) lag das Mietwachstum bundesweit bei 5,3 Prozent im letzten Jahr bzw. binnen zwei Jahren bei 8,7 Prozent. Eine weitere Verschärfung der ohnehin im europäischen Vergleich strengen Mietregulierung ist derzeit keine Option. Damit würde man die ohnehin schon schlechte Investorenstimmung gefährden und den kompletten Einbruch bei Neubauaktivitäten riskieren.
Das Experiment „Mietendeckel“ in Berlin ist gescheitert. Es wurde als verfassungswidrig eingestuft und führte während der Einführung zu einem Einbruch der Angebote an Mietwohnungen um mehr als 50 Prozent. Zudem ist das Investorenvertrauen nachhaltig beschädigt worden, so dass Berlin mittlerweile bundesweit das höchste Angebot an möblierten Wohnungen – diese unterliegen nicht der Mietregulierung – besitzt. Der Anteil an der Neuvermietung ist von 13 Prozent im Jahr 2018 auf 51 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Im Zeitraum von 2018 bis 2022 stiegen die Mieten in Berlin zudem um 34 Prozent; das ist das höchste Mietwachstum unter den deutschen Großstädten. Laut Statista beschleunigte sich auch hier das Mietwachstum im Jahr 2023 auf 19 Prozent. Die durchschnittliche Kaltmiete beträgt nun 14,3 Euro pro Quadratmeter. Damit ist Berlin nach München die zweitteuerste Stadt Deutschlands.
Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung des Mietwachstums wäre zweifellos ein größeres Angebot an Mietwohnungen. Die bisherigen Förderungsmaßnahmen der Bundesregierung werden jedoch nicht ausreichen, um die Wende bei den Neubauaktivitäten herbeizuführen. So bleibt nur die Hoffnung, dass die Zinsen schnell wieder sinken. Der starke Zinsanstieg innerhalb kurzer Zeit ist der treibende Kostenfaktor bei der Wohnungsvermietung. Eine Entlastung dürfte den Druck auf die Mieten entschärfen und zu einer erhöhten Neubauaktivität führen.
Ist der Tiefpunkt bei den Immobilienpreisen erreicht?
Deutsche Wohnimmobilien haben zuletzt gegenüber ihrem Höchststand bei größeren Wohnportfolios und Mehrfamilienhäusern knapp 20 Prozent und bei Einzelimmobilien zehn bis 15 Prozent an Wert verloren – so viel wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Der außergewöhnlich hohe Preisrückgang dürfte auf eine Kombination aus stark gestiegenen Preisen im Vorfeld sowie einem starken und schnellen Zinsanstieg zurückzuführen sein. Im vierten Quartal 2023 scheinen sich die Preise aber stabilisiert zu haben. Bei Eigentumswohnungen ist laut des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sogar ein leichter Preisanstieg von 0,8 Prozent zu verzeichnen. Zugleich steigen Transaktionen zumindest für den Einzelverkauf wieder leicht an.
Oftmals ist das ein Indikator dafür, dass das Zyklustief erreicht ist. Dank stark gefallener Preise sowie dem beschleunigten Mietwachstum konnten sich die Mietrenditen deutlich verbessern. Sie betragen nun je nach Qualität und Lage der Immobilie zwischen drei und vier Prozent. Eine auskömmliche Rendite ist hiermit zwar immer noch nicht zu erzielen, jedoch sind sie zumindest auf Höhe der aktuellen Zinskosten. Bei weiter steigenden Mieten und idealerweise leicht fallenden Zinsen wäre somit wieder ein positiver Zinsspread von 100 Basispunkten in Reichweite.
Weitere Zinsentwicklung entscheidend
Da Wohnimmobilien auf absehbare Zeit knapp bleiben, ist die weitere Zinsentwicklung der entscheidende Faktor. Aktuell liegen die Zinskosten je nach Bonität und Eigenkapitalquote bei einer Laufzeit von zehn Jahren bei 3,5 bis vier Prozent für Privatpersonen bzw. eher bei vier Prozent für Bestandshalter von größeren Wohnportfolios. Ein Zinsrückgang um 50 bis 100 Basispunkte in Kombination mit weiter steigenden Mieten würde dazu führen, dass sich die Vermietung wieder rentiert und die Preise sogar wieder steigen könnten – zumindest im Einklang mit dem Mietwachstum.
Wohnimmobilien-Aktien immer noch deutlich unter Buchwert
Insgesamt hat sich das Umfeld für deutsche Wohnimmobilienaktien deutlich verbessert. Der Tiefpunkt im Zyklus könnte erreicht sein und die Immobilienpreise stabilisieren sich. Das anhaltend hohe Mietwachstum und fallende Preise haben die Mietrenditen ansteigen lassen, wenngleich sie nur marginal über den Zinskosten liegen. Weiter steigende Mieten sowie leicht fallende Zinsen könnten allerdings wieder zu „auskömmlichen“ Renditen aus dem Vermietungsgeschäft führen. Der Markt hat dies im vergangenen Jahr bereits teilweise antizipiert. So sind die Aktien zweier großer deutscher Wohnbestandshalter um je 30 Prozent bzw. bei einem weiteren im MDAX gelisteten Immobilienunternehmen sogar um 118 Prozent gestiegen.
Die Zinssenkungseuphorie hat sich zumindest in den USA etwas gebremst, was in diesem Jahr zu einer Korrektur bei Immobilienwerten geführt hat. Entscheidend ist jedoch nicht, wann die Zinssenkungsphase eingeläutet wird, sondern dass die Leitzinsen bei Fed und EZB früher oder später gesenkt werden.
Trotz des erfolgten Kursanstiegs im vergangenen Jahr notieren deutsche Immobilienaktien deutlich unter ihren Nettovermögenswert (NTA). Hier ist zu berücksichtigen, dass einige Unternehmen einen weiteren Abschreibungsbedarf zwischen drei und fünf Prozent im vierten Quartal angekündigt haben, was die Nettovermögenswerte nochmals um sechs bis zehn Prozent reduzieren sollte. Die Bewertung nach Ertragskraft (FFO, Funds from Operation, entspricht dem nachhaltigen Cashflow) ist laut Kurs im Verhältnis zum nachhaltigen Cashflow historisch gesehen unter dem Durchschnitt. Hierbei ist zu beachten, dass der Gewinn in den nächsten beiden Jahren möglicherweise stagnieren könnte. Das beschleunigte Mietwachstum von drei bis vier Prozent pro Jahr dürfte durch gestiegene Zinskosten kompensiert werden.
Um Gewinnwachstum zu erzielen, wären zusätzliche Investitionen in die energetische Sanierung – in der Regel mit acht Prozent umlegbar, bei Luft-Wärme-Pumpen sogar mit zehn Prozent – oder der Zukauf von Wohnportfolios erforderlich. Da alle Bestandshalter jedoch recht hoch verschuldet sind (Beleihungsquote im Schnitt bei 45%), müssten Wachstumsinvestitionen durch Kapitalerhöhungen finanziert werden. Ein Bestandshalter von Logistikimmobilien hat in Großbritannien als erstes Unternehmen diesen Schritt gewagt. In einem beschleunigten Verfahren konnten acht Prozent neue Aktien zu einem Abschlag von drei Prozent zum letzten Kurs platziert werden.
Der führende Immobilienkonzern in Deutschland besitzt zudem ein umfangreiches Portfolio in Schweden und Österreich. Etwa 30 Prozent seines Bestands konzentrieren sich auf Berlin, was ein überdurchschnittliches Mietwachstum ermöglicht. Möglicherweise kann der Konzern in Zukunft von einer Erholung seines Bereichs für Projektentwicklungen profitieren.
Ein anderes Unternehmen hat sich auf Nordrhein-Westfalen spezialisiert und zeichnet sich durch eine außergewöhnlich hohe Gewinnqualität aus. Die Einnahmen stammen fast ausschließlich aus dem Vermietungsgeschäft und konzentrieren sich komplett auf deutsche Wohnimmobilien. Ein dritter Akteur fokussiert sich auf den Norden und Osten Deutschlands und ist ebenfalls in Polen präsent. Das Unternehmen ist in wichtigen polnischen Städten wie Warschau, Danzig und Breslau tätig und entwickelt und vermietet Immobilien.
Fazit
Das Umfeld für deutsche Wohnimmobilienaktien hat sich verbessert. Die Inflation scheint unter Kontrolle zu sein, was Spielraum für Zinssenkungen gibt. Erste Transaktionen bei Wohnimmobilien finden wieder statt und die Preise scheinen sich zu stabilisieren. Zudem notieren alle gelisteten Bestandshalter von Wohnimmobilien immer noch deutlich unter dem Nettovermögenswert. Letztendlich ist die weitere Zinsentwicklung der entscheidende Faktor. Das aktuelle Zinsniveau muss zumindest stabil bleiben, damit Investoren wieder Mut fassen und die Immobilienaktien steigen können.
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