Kaum Eigenkapital, hohe Kredite zu variablen Zinsen, geringe Tilgung: Das war der Cocktail, mit dem sich die USA und Spanien vor rund zehn Jahren eine Immobilienblase geschaffen haben. Insbesondere in den USA wurden (bis zu 57 Prozent in der Spitze 2006) Darlehen mit variablen Zinssätzen an einkommensschwache Kreditnehmer vergeben. Als dann die Zinsen stiegen, konnten Millionen Haushalte ihre Raten nicht mehr bedienen. Häufig dienten zudem voll finanzierte Objekte durch ihren »imaginären freien Vermögenswert« (Differenz zwischen Verkehrswert und Hypothekendarlehen) als Sicherheit für weitere Darlehen, Häuser und Anschaffungen. Nachdem die Immobilienpreise massiv fielen, verlangten die Kreditgeber eine Nachbesicherung oder die Rückzahlung der ungesicherten Darlehensmittel mit sehr kurzen Fristigkeiten – ein giftiger Cocktail: Millionen Menschen in den USA waren gezwungen ihr Haus zu verkaufen oder es wurde zwangsversteigert. Das wiederum ließ die Preise immer weiter ins Bodenlose fallen – und die Blase platze in der Folge auch in anderen Ländern mit ähnlich schwacher Kreditvergabe-Policy. Um derartige Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, beobachten Researchspezialisten die Preisentwicklung weltweit seit Jahren sehr genau, darunter auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Auf Basis von OECD-Daten haben die Ökonomen für insgesamt 20 Länder untersucht, wie sich die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Dabei fanden sie anhand des Verhältnisses von Kaufpreisen zu Mieten Hinweise auf ein teilweise spekulatives Anlageverhalten. Beispielsweise sind gemäß DIW Spekulationsblasen im Vereinigten Königreich, in Portugal und in Schweden wahrscheinlich.
Seit dem Jahr 2010 sind die Kaufpreise für Wohnimmobilien im Verhältnis zu den Mieten in Deutschland um 20 Prozent stärker gestiegen, was als Signal für eine Überbewertung gelten könnte. Um die Wahrscheinlichkeit einer Preisblase genauer einschätzen zu können, haben die Ökonomen des DIW in einer zusätzlichen Untersuchung verschiedene weitere Indikatoren untersucht, die die Wahrscheinlichkeit einer Spekulationsblase anzeigen. Dazu zählen die Verschuldung des privaten Sektors und der öffentlichen Hand, der langfristige Zins, das Bevölkerungswachstum, das Wirtschaftswachstum und die allgemeine Preisentwicklung. Für Deutschland machen lediglich die sehr niedrigen Zinsen und das vergleichsweise hohe Bevölkerungswachstum, das sich in Zukunft jedoch wieder abschwächen dürfte, eine partielle Überbewertung möglich. »Insbesondere die vergleichsweise geringe private Verschuldung hierzulande und die solide Finanzierung von Immobilienkäufen sprechen unter dem Strich gegen eine spekulativ getriebene Fehlentwicklung im gesamten Land«, resümiert das DIW. Und Dr. Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum, ergänzt nach einer Analyse zur Erschwinglichkeit von Wohneigentum: »Insgesamt ist es trotz der in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Preise für die Haushalte noch nie so günstig, Wohneigentum zu erwerben.«
Solide Finanzierung
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) kommt in einem aktuellen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die wesentlichen Indikatoren gegen eine Blasenentwicklung in Deutschland sprechen: So liegt etwa die Fremdkapitalquote stabil bei 80 Prozent und die Tilgungsrate ist sogar gestiegen. »Von 2003 bis 2017 ist das Volumen der Immobilienkredite in Deutschland um insgesamt 28 Prozent gewachsen – in Spanien dagegen um 120 Prozent«, argumentieren die Kölner Wissenschaftler.
Wenn sich demnach also keine Blase abzeichnet, worauf sind dann die steigenden Kauf- und Mietpreise zurückzuführen? »Hauptverantwortlicher Preistreiber der vergangenen Jahre ist vor allem die geringe Verfügbarkeit von Wohnraum in den deutschen Metropolregionen, die zudem von einer ausgesprochen hohen Zuwanderung profitieren. Dementsprechend intensiv wird die Nachfrage befeuert, was die Preise treibt. Überlagert wird diese Entwicklung vom anhaltenden Niedrigzinsniveau, das den Erwerb von Wohneigentum begünstigt«, bestätigt Ottmar Heinen, Vorstand beim Kapitalanlage- und Immobilienspezialisten PROJECT Investment. Das Unternehmen mit Hauptsitz im fränkischen Bamberg gehört mit rund drei Milliarden Euro Immobilienentwicklungsvolumen zu den Top 10 Entwicklern und Abverkäufern auf dem deutschen Markt und legt stichhaltige Zahlen vor: Von den rund 380 000 pro Jahr benötigten Wohnungen, die das IW Köln ermittelt hat, wurden gemäß Statistischem Bundesamt nur 284 800 Wohnungen in 2017 fertiggestellt – rund 100 000 Wohnungen pro Jahr zu wenig, um den massivem Bedarf in den Metropolregionen zu decken. Gleichzeitig sanken im vergangenen Jahr die Baugenehmigungszahlen um 7,3 Prozent auf 384 100 Wohnungen. Damit wurden 27 300 weniger Baugenehmigungen von Wohnungen erteilt als im Jahr 2016. »Der Preisanstieg ist auf eine annähernd 15 Jahre währende zu geringe Neubautätigkeit zurückzuführen«, so Professor Vornholz. Der jährliche Bedarf an Wohnraum ist durch die Bautätigkeit aktuell nur teilweise gedeckt. Zusätzlich bleibt der Nachholbedarf aus den Versäumnissen vergangener Jahre weiterhin bestehen.
Hohe Baukosten und langsame Genehmigungsverfahren
Auch hinsichtlich der Geschwindigkeit bei der Erteilung von Baugenehmigungen gibt es nach wie vor teilweise erheblichen Optimierungsbedarf. »Vor allem München und Wien bilden mit rund zwölf Monaten das größte Nadelöhr innerhalb der sieben A-Städte Deutschlands. Hamburg und Frankfurt liegen bei circa sieben bis acht Monaten, Nürnberg bei etwa sechs Monaten. Mit vier bis fünf Monaten gehört Berlin zu den Städten mit den schnellsten Genehmigungsverfahren«, bestätigt Heinen. Wenn man sich die gestiegenen Kosten für eine Immobilienentwicklung bzw. einen Hauptgrund für die noch immer zu geringe Bautätigkeit anschaut, dann liegt dieser vor allem auch in den bautechnischen Auflagen, die in Deutschland vorzufinden sind. Solange dadurch weder der Ersatz, noch der bestehende Grundbedarf geschaffen werden können und die Kreditvergabepolitik der deutschen Banken und Sparkassen weiterhin konservativ fortgesetzt wird, werden die Kaufpreise weiter anziehen, ohne dass diese Entwicklung auf eine sich aufblähende Blase zurückzuführen ist.
(Project Beteiligungen AG)