Sachwerte / Immobilien

Die neue Dekade: Performen Immobilien weiter?

Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Das ist eine alte Anlageweisheit, über die wir neu nachdenken müssen.

 

Willkommen in der neuen Dekade, in der die Nutzung von Geld beschenkt wird und der Besitz von Geld bestraft wird. Das ist die Ausgangslage der neuen Dekade. Die EZB flutet die Märkte weiter. Professionelle, internationale Anleger leben von der Hoffnung, dass die Nutzung von Geldkapital kostenlos bleibt, während die Mieter weiter für die Nutzung von Realkapital zahlen. Immobilieninflation ist die erkennbare Konsequenz. Arbitrageüberlegungen ließen das erwarten.

Professionelle Immobilieninvestments haben mit ca. 70 Milliarden Euro für Gewerbe und 20 Milliarden Euro für gewerbliche Wohnungsinvestoren mit über 90 Milliarden Euro laut JLL wieder die Rekorde gebrochen. Und große deutsche Investoren kaufen den Privatanlegern die neuen Eigentumswohnungen weg, da sie laut JLL mit durchschnittlich 4.600 Euro pro Quadratmeter für neue, „normale“ Bestände einfach mehr bezahlen als bei Privatkäufern unter Berücksichtigung von Vertriebskosten und Vertriebsrisiken überhaupt zu erzielen sind. Und auch bei Büros in den Top 7 Städten sind die 33fache Jahresmiete längst Standard. Da ruhen die Hoffnungen auf den Wertsteigerungen. Das gilt aus internationaler Sicht vor allem für Gewerbeimmobilien. Aus den deutschen Wohnungsmärkten haben sich die Ausländer zurückgezogen. Deutlich über 90 Prozent wurden im letzten Jahr durch Deutsche investiert.

Zurück zu erfolgversprechenden Strategien. Schon die letzte Dekade hat die Veränderung gezeigt. Nur da glaubten wir, die Zinssituation bleibe die Ausnahme und Zinsänderungsrisiken müssten starke Beachtung finden. Jetzt ist sich die Mehrheit sicher, dass die Zinssituation bleibt, da keinem Volkswirt mehr ein Ausweg aus der Zinsfalle einfällt, ohne eine möglicherweise weltweite, brutale Anpassungsrezession in Kauf zu nehmen. Entsprechend wuchern die Theorien, nach denen Null- und Negativzinsen etwas völlig Normales seien und die Zinsen seit Jahrhunderten fallen. Die Risiken bei Staatsfinanzierung seien heute geringer als früher bei Fürsten-Finanzierungen von Kriegen und Schlössern und die Menschen würden heute älter und hätten deshalb keine so hohe Liquiditätspräferenz mehr. Deshalb würden immer höhere Negativzinsen Standard, meinte kürzlich Harvard-Wissenschaftler Paul Schmelzing.

So könnte auch die neue Dekade von denselben Trends getrieben werden wie die letzte. Der laufende Gedanke der älteren Generation an den möglichen „Schwarzen Schwan“ eines völlig unvorhersehbaren Ereignisses mit bösem Ausgang oder auch die volkswirtschaftliche Sicherheit, dass die derzeitige Zinssituation, die die unse rer Volkswirtschaft zu Grunde liegenden Zusammenhänge und Geschäftsmodelle des Finanzwesens und der Altersvorsorge zerstört, an auf Dauer „nicht geht“, lenken von heutigen Chancen ab.

Schon die letzte Dekade zeigte, dass die Zombie-Strategie des sich Totstellens die meisten anderen Anlagestrategien outperformte. Pauschale Immobilieninvestitionen in den Markt oder in führerlose Boote, die als ETFs einfach in ausgewählte Strömungen gesetzt wurden, überholten oft manche gesteuerten Fonds-Schnellboote. Deren Kapitäne fuhren mit dauernden Manövern oft im monetären Kreis von Zins- und Währungssicherungen und Hedge-Ideen, um etwaigen Wasserfällen auszuweichen, die es aber nicht gab. Die Anleger bewerten Verlustrisiken emotional höher als Gewinnchancen. Die Immobilienwirtschaft lernte sogar, dass die vermeintlichen konjunkturellen und weltwirtschaftlichen Wasserfälle sich als harmlose Stromschnellen herausstellten, die das Boot sogar noch beschleunigten. Gleichzeitig sorgt der Generationen-Kalender dafür, dass immer mehr Bootsführer Wasserfälle nur noch aus Erzählungen ihrer Eltern kennen.

Immer weiter steigende Preise überdecken den Produktmangel, den die Makler vorhersagten. Beinahe im Jahresrhythmus melden viele große Immobilienhäuser den Weiterverkauf ihrer Investments und den Einstieg in Immobilien, die die anderen verkaufen. Und der Witz ist, im Topsegment der großen, internationalen Investoren geht das noch weiter. Aus externer Sicht ist Deutschland nach wie vor sicher und preiswert. Unser Anlageuniversum lässt sich derzeit super darstellen. Dafür zählen ja nur das immer reicher werdende obere Segment und die institutionellen Kapitalsammelstellen. Der DAX hat Aufholpotential zu den Weltbörsen, die sowieso nur den Weg nach oben kennen. Immer weiter fallende Zinsen lassen Kurse und Immobilienbewertungen immer weiter steigen. Es gibt immer mehr (freiwerdendes) Geld zur Anlage, von dem immer mehr Geld in Immobilien umgeschichtet werden muss. Qualifizierte Anlageimmobilien werden immer knapper. Konsequenzen sind immer weiter steigende Preise der Core-Immobilien und die Erweiterung des Qualitätsbegriffes. Anlagedruck begräbt Immobilien-Mathematik und füllt den Renditekrug am Geldbrunnen nun einmal solange, bis er bricht. Das kann aber durchaus noch länger als die kommende Dekade dauern.

(Werner Rohmert)

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