Sachwerte / Immobilien

Kippt die Immobilienstimmung?

ESG- und Zinslogik machen miese Laune

Glaubt man den Matadoren der Immobilienwirtschaft, stören weder Krisen noch Kriege. Das Zahlenwerk zeigt sich unbeeinflusst, wie die Maklerberichtsflut deutlich machte. Büros werden unverändert weiter gebraucht, heißt es da. Wohnen zeigt sich gegen alles resilient und wird in der Kriegsfolge noch verstärkt nachgefragt. Hotels kriechen aus dem Pandemieloch. Logistik strebt in die Höhe. Die Multiplikatoren aller Assetklassen bis auf Handel nehmen immer weiter zu. Die 40-fache Jahresmiete für gute Wohnungen im Schnitt oder für gute Büros und die über 30-fache Jahresmiete für Logistik setzen die Mathematik einer Immobilie mit Zinsen, Tilgung, Verwaltung, Instandhaltung, Mietrisiken, Sanierungsvorsorge und vielem mehr längst außer Kraft.

Doch jetzt spüren die Marktteilnehmer Gegenwind. Die Hypothekenzinsen haben sich gegenüber dem Tiefststand verdoppelt. Die Bauwirtschaft hat kein Material mehr. Die Konjunktur bröckelt. Die Konsumstimmung ist im Tief. Sanktions- und Energieangst verhageln die Laune. Die Banken kostet ein neuer „antizyklischer Kapitalpuffer“ spürbar Geld. Das wird Kredite knapper und teurer machen. Und die Politik erkennt die Immobilieneigentümer als die wehrlosesten und immer reichen Klimaretter.

Zunächst ein Blick auf die Zinsen. Auf dem absoluten Tiefstand aller Zeiten, im Dezember 2020, kosteten 10-Jahres-Wohnbaukredite an private Haushalte laut Bundesbank effektiv 1,07 Prozent – knapp 900 Euro Zinsen im Monat für eine Million Euro. Die Deutschen stürzten sich ins Immobilienvergnügen wie früher – nur aus Inflationsangst oder von der Steuer getrieben. Seit der Zinssenkungsorgie nach der Finanzkrise haben sich die Preise für Wohnimmobilien im Schnitt verdoppelt. In den Metropolen ging es zunehmend steiler bis Faktor 3 nach oben.

Im privaten Bereich zeigten lange Zinsbindungen den gesunden Menschenverstand des Häuslebauers. Im professionellen Geschäft, das den Hebel auf das letzte Zehntel Prozent nutzt, ist sich der Autor eher unsicher. Deshalb könnte jetzt wirklich Zins-Unglück drohen. Die europäischen Bestrebungen zur Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden drohen in Verbindung mit nationalen Regelungen Ungemach an.

Schon in fünf Jahren müssten Banken und Branche über Finanzierungs- und Vermietungseinschränkungen nachgedacht haben. Der Teufelskreis der sogenannten Stranded Assets, die „wie Blei im Markt liegen“, könnte wiederkommen. Das Phänomen kennen wir noch vor damals konjunkturellem und immobilienwirtschaftlichem Hintergrund aus den 90er-Jahren. In jedem Zyklushoch ist die Branche sicher, jetzt Häuser zu bauen, die zukunftssicher sind. Das hörten wir schon in den frühen 90ern. Die Investoren mussten dazulernen. Und heute stellen wir fest, dass selbst neue Gebäude der Ausdifferenzierung neuer flexibler Arbeitswelten, die die Pandemie pushte, nicht gewachsen sein könnten, meint Klaus Franken von Catella im Background- Gespräch.

Der nächste Circulus Vitiosus sieht dann so aus: Die jeweils schlechtesten 15 Prozent Immobilien eines Marktes können bald ohne energetische Sanierung rein formal nicht mehr vermietet werden. Da sie vom Markt verschwinden oder saniert werden, ziehen sie automatisch die nächste Kategorie nach unten, über die eine Bank oder ein Investor schon frühzeitig nachdenken müsste. Ohne Vermietung bei gleichzeitiger Vermietungsverbotsdrohung gibt es keine Finanzierung. Ohne Finanzierung gibt es keine Sanierung und keine Mieter. Eigentlich müssten sich Banken bereits heute unter Risikogesichtspunkten darauf vorbereiten.

Trotz eines Marktes, der sich vordergründig resilient gegen alle Krankheiten und Kriege zeigt, bestehen auch im Wohnungsbereich vergleichbare Risiken. So machen die Vorstände großer Wohnimmobilien-AGs, die jetzt nach Plan mit einer Sanierungswalze aus eigenen Handwerkern ihre Immobilien durchgehen und ertüchtigen, im Background deutlich, dass man sich nicht vorstellen könne, wie kleinere Wohnungsgesellschaften mit 5.000 oder 10.000 Einheiten oder Family Offices mit sogar noch regional gestreutem Besitz ohne Kapitalmarktzugang und eigenen Handwerkerkolonnen den anstehenden Aufgaben gerecht werden sollen. Von dem privaten Zinshausbesitzer in höherem Alter sei gar nicht zu sprechen. Andererseits steht in den Sternen, wo Handwerker und Material herkommen sollen.

Inwieweit diese Langfristüberlegungen bereits in der weiteren, aktuellen Stimmungsverschlechterung im Deutsche Hypo/ bulwiengesa-Immobilienklimaindex Auswirkungen haben oder ob eher die kurzfristigen Befürchtungen der Ukraine- und Sanktionierungsfolgen im Vordergrund stehen, ist offen. Nach dem Rückschlag im März setzte sich die negative Entwicklung beim Immobilienklimaindex im April weiter fort. Die einzelnen Assetklassen wiesen im April heterogene Dynamiken auf. So ging das Logistikklima nach einer zuletzt positiven Entwicklung wieder um deutliche 4,2 Prozent zurück. Die Negativserie des Büroklimas wurde auch im April mit einem weiteren Rückgang um 0,9 Prozent nicht unterbrochen. Schlusslicht bildet weiterhin das Handelsklima mit einer weiteren leichten Abnahme auf einen neuen Tiefststand. Zu den Assetklassen mit positiver Tendenz zählen
das Wohn- sowie das Hotelklima.

Am Ende bleiben mit Blick auf die Zukunft die Chancen und Risiken aus alten Erfahrungen, von denen aber klar ist, dass sie im generell geänderten Zins- und Globalisierungsumfeld nicht einfach übertragbar sind. Einerseits wird „nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“. Am langen Ende ist auch die Politik realistisch. Die Branche sieht hier locker Aufgaben für Jahrzehnte. Der Politik geht es um den Startschuss. Andererseits steigen die Zinsen nach einer Wende schneller als gedacht und eine Stimmungswende kommt schneller und steiler als erwartet. Der Markt ist emotional. Rational seitwärts geht es selten, vor allem dann, wenn die Immobilienmathematik beim
Ankauf schon eine positive Zukunftsentwicklung eingepreist hatte.

WERNER ROHMERT

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