Als Folge daraus können private Kreditnehmer sofort aus den Darlehen aussteigen und ihre Zinskosten deutlich senken.
Diese Nachricht dürfte neuen Schwung in den Widerruf von Baufinanzierungen bringen: Denn betroffen sind einige hunderttausend Verbraucher, die ab Mitte 2010 eine Baufinanzierung bei der ING Diba abgeschlossen haben. Sie können den Widerrufsjoker ziehen und das (aus heutiger Sicht) teure Darlehen sofort beenden. Besonders ein Fehler dürfte der Diba dabei zum Verhängnis werden.
Dabei geht es um folgendes: Der Gesetzgeber hat in seiner Neugestaltung der Regelungen für Baufinanzierung Mitte 2010 verschiedene sogenannte Pflichtangaben definiert (§492 Abs. 2 BGB). Diese muss das Kreditinstitut dem Kreditnehmer im Darlehensvertrag mitteilen. Geschieht dies nicht, beginnt auch die Widerrufsfrist des Darlehens (üblicherweise 14 Tage) nicht zu laufen – das wäre die Voraussetzung für den Widerrufsjoker.
Zu diesen Pflichtangaben zählt unter anderem die Vertragslaufzeit. Damit ist gemeint, dass die Bank dem Kunden mitteilen muss, wie lange das Darlehen laufen würde, bis es unter den gegebenen Voraussetzungen (gewählte anfängliche Tilgung und gewählter Zinssatz) vollständig zurückgezahlt wäre. Das Ganze ist zwar in der Regel nur eine theoretische Angabe, da sich nach Ende der Zinsbindung die Parameter in der Regel verschieben und damit auch die Kreditlaufzeit neu berechnet werden muss.
Dennoch gibt die Kreditlaufzeit dem Verbraucher eine wichtige Information, wie lange ihn seine Baufinanzierung möglicherweise „begleitet“. Bei einer anfänglichen Tilgung von einem Prozent handelt es sich immerhin um einen Wert von etwa 35 Jahren. Bei höheren anfänglichen Tilgungssätzen sinkt die Vertragsdauer rapide.
Und genau hier hat die ING Diba nach Untersuchungen der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) geschlampt – und damit die Voraussetzungen für den Widerrufsjoker geschaffen.
Denn in zahlreichen Kreditverträgen aus dem Zeitraum 2010 bis 2014 fehlt die Angabe der Kreditlaufzeit und somit eine entscheidende Pflichtangabe. Zwar nennen die Kreditverträge die Dauer der Zinsfestschreibung (in der Regel zehn bis 15 Jahre nach Abschluss), doch ist diese Angabe in keinem Fall zu verwechseln mit der Darlehenslaufzeit – diese fehlt.
Eine fehlende Pflichtangabe aber bedeutet, dass die Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist nicht gegeben sind. Auch Jahre nach Abschluss des Darlehens können Verbraucher somit ihre Baufinanzierung noch widerrufen, Experten sprechen hier auch vom „ewigen“ Widerrufsrecht.
Auch die im vergangenen Jahr heiß diskutierte Gesetzesregelung zur Beendigung des Widerrufsjokers greift hier nicht: Denn sie betrifft nur Baufinanzierungen, die vor dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden. Die fehlende Nennung der Kreditlaufzeit betrifft jedoch Kredite, die nach dem 10. Juni 2010 unterzeichnet wurden.
Damit bietet der Widerrufsjoker Kunden der ING Diba die Chance auf eine erhebliche Ersparnis. Eine Baufinanzierung aus dem Zeitraum 2010 bis 2012 hat nach unseren Untersuchungen zumeist einen Zinssatz von rund vier Prozent. Bei einer Kreditsumme von 200.000 Euro zahlt der Kunde also 8.000 Euro Zinsen (Tilgungseffekte seien hier der Einfachheit halber außen vor gelassen).
Gelingt es durch den Widerrufsjoker, in eine Baufinanzierung zu wechseln, die auf dem aktuellen Marktniveau (ca. 1,5 Prozent) verzinst ist, so werden nur noch 3.000 Euro Zinsen fällig – eine Ersparnis von 5.000 Euro pro Jahr!
Auch wenn die Kreditverträge eindeutig fehlerhaft sind: Es ist damit zu rechnen, dass sich die ING Diba bei diesem Thema nicht ohne Widerstand geschlagen geben wird. Ein freundliches Schreiben des Kunden dürfte also nicht viel bringen. Die Hilfe eines Anwalts und möglicherweise auch eine Klage werden daher nötig sein.
Betroffene Verbraucher sollten daher über das Prüfungsformular der IG Widerruf anwaltlich prüfen lassen, ob ihr Kreditvertrag den genannten Fehler aufweist oder anderweitig angreifbar ist. Diese Prüfung ist kostenlos und unverbindlich. Zeigt sich, dass der Darlehensvertrag fehlerhaft ist, dann wird Ihnen der Anwalt erläutern, welche Schritte nötig sind, um den Widerrufsjoker erfolgreich zu ziehen. Das kann – je nach Ausgangsposition – ein außergerichtliches Vorgehen oder eine Klage sein. Die Kosten dafür übernimmt in etlichen Fällen eine Rechtsschutzversicherung. (Böhm Consult)