Aktuell betragen die Mindestversicherungssummen für die Berufshaftpflichtversicherung 1.300.380 EUR für jeden einzelnen Schadensfall und 1.924.560 EUR für alle Schadensfälle eines Jahres. Gem. Art.10 Abs. 7 der Richtlinie 2016/97 über den Versicherungsvertrieb (IDD), überprüft die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA regelmäßig die Höhe der Mindestversicherungssummen, um den von Eurostat veröffentlichten Änderungen des Europäischen Verbraucherpreisindexes Rechnung zu tragen. Dazu führte die EIOPA aktuell eine Konsultation durch.
Danach ist für die Berufshaftpflichtversicherung eine Anpassung der Mindestversicherungssummen
• auf 1.564.610 Euro (+ 264.230 Euro) für jeden einzelnen Schadenfall und
• auf 2.315.610 Euro (+ 391.050 Euro) für alle Schadensfälle eines Jahres
vorgesehen.
EIOPA wird Vorschlag vorlegen
Die Konsultationsfrist ist am 6. Mai 2023 abgelaufen. Bis Ende Juni wird die EIOPA nun der EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen. Dieser muss schließlich noch angenommen und die Summen in einer delegierten Verordnung bekannt gegeben werden. Damit ist zu rechnen.
Durch die geplante Anpassung liegt im Falle einer entsprechenden Umsetzung seit Einführung der Pflichtversicherung zum 22.05.2007 die höchste Summen-Anpassung vor, die bisher im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Anpassungsintervalle umgesetzt wurden.
Insgesamt würde die gesetzliche Mindestversicherungssumme von 1.000.000 Euro aus dem Jahr 2007 dann um über 500.000 Euro auf 1.564.610 Euro je Versicherungsfall angehoben sein. Die jetzt geplante Erhöhung um rund 264.000 Euro stellt dabei die deutlichste Anpassung dar.
Die derzeit gängigen Einstiegsversicherungssummen der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer in Deutschland betragen üblicherweise 1.350.000 Euro, 1.400.000 Euro bzw. 1.500.000 Euro. Diese Versicherungssummen werden künftig nicht mehr ausreichen. Es bleibt also abzuwarten, wie der Markt reagieren wird.
Globalerklärung in Planung
Versicherungsvermittler und -berater mit bestehenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen werden von einem möglichen Verwaltungsaufwand verschont. Es zeichnet sich ab, dass – wie schon bei den vorherigen Anpassungen – zwischen dem GdV und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) eine Globalerklärung abgestimmt werden soll.
Mit dieser können die Berufshaftpflichtversicherer bestätigen, dass die Versicherungsverträge zum Stichtag die dann geltenden Mindestversicherungssummen aufweisen. Während der Verbraucherpreisindex im letzten Betrachtungszeitraum um lediglich 4,03 % gestiegen ist und die Versicherer daher weit überwiegend auf Beitragserhöhungen im Bestand verzichtet haben, liegt nunmehr eine Erhöhung um 20,32 % vor. Es bleibt abzuwarten, ob die Summenerhöhungen im Bestand beitragsneutral erfolgen werden oder nicht.
Zustimmung des AfW
Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V. begrüßt die Anpassung der Pflichtversicherungssumme auf den gestiegenen Verbraucherpreisindex. „Diese regelmäßigen Anpassungen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass unsere Mitglieder weitestgehend kostenfrei von höheren Versicherungssummen profitierten – ohne einen großen Mehraufwand für jeden Einzelnen zu verursachen“, so Franziska Geusen, Vorständin.
„Sollte auch diese Anpassung wieder beitragsneutral erfolgen, können die Versicherungsvermittler auf mehr als das 1,5-fache der Summe von 2007 zurückgreifen, bei im Schnitt gesunkenen Prämien“, so Geusen weiter.
Letztlich müssen sich Versicherungsvermittler und -berater auch trotz dieser deutlichen Erhöhung der Versicherungssumme grundsätzlich fragen, ob diese Versicherungssumme im Ernstfall tatsächlich ausreicht.
Auch wenn die meisten Schäden deutlich unter der gesetzlichen Mindestversicherungssumme liegen und Millionenschäden nur äußerst selten auftreten, besteht ein entsprechendes Risiko. Dies hat nicht zuletzt das medial vielbeachtete Urteil des LG Hamburg vom 9. September 2021 (Az. 413 HKO 27/20) gezeigt.
Risiken im Blick behalten
Die Kriterien zur Beurteilung der individuell angezeigten, eigenen „Bedarfsdeckungssumme“ können dabei vielschichtig sein: So sollten Versicherungsmakler neben der „Art, Umfang und Zahl der Aufträge“, der „Zahl und Qualifikation der Mitarbeiter“ insbesondere auch die konkret zu versichernden Risiken beim Kunden im Blick behalten.
Zwar mögen gewerbliche/industrielle Risiken per se bereits sehr hoch sein und damit eine eigene hohe Versicherungssumme des Maklers rechtfertigen, doch gilt dieses auch für biometrische Risiken und Haftpflichtrisiken.
Denn auch Personenschäden bergen grundsätzlich das potentielle Risiko, dass die gesetzliche Mindestversicherungssumme des Versicherungsmaklers im Schadensfall nicht ausreicht. So kann beispielsweise eine Falschberatung im Zusammenhang mit einer nicht abgeschlossenen Fahrerschutzversicherung durchaus hohe Schäden nach sich ziehen.
Zusätzlicher Schutzschirm über Gruppen-Excendenten
Lösungsmöglichkeiten gibt es sicherlich viele. So kann nicht nur die eigene Grunddeckung erhöht werden, auch der Abschluss von Excedenten sollte als Option in Betracht gezogen werden.
Zuletzt bieten auch einige Anbieter von Vermögensschaden-Haftpflichtversicherern, spezialisierte Versicherungsmakler aus diesem Bereich oder Vertriebe ihren Kunden/Mitgliedern über Gruppen-Excedenten einen zusätzlichen Schutzschirm.
Der AfW verweist in diesem Zusammenhang grundsätzlich noch einmal auf die von ihm frei zur Verfügung gestellte VSH-Checkliste, mit der Vermittlerinnen und Vermittler für sich prüfen können, ob sie auch richtig abgesichert sind. Diese ist hier zu finden: https://www.bundesverband-finanzdienstleistung.de/vsh-checkliste/