Zu diesem Ergebnis kommt Zielke Research Consult in seiner aktuellen Auswertung der Solvenzberichte der Lebensversicherungen. Das gilt auch für die strengeren Anforderungen des Analysehauses an die Solvenzquote, bei denen die gesetzlich erlaubten Übergangsmaßnahmen nicht berücksichtigt werden.
Für die Kundinnen und Kunden der Lebensversicherungen ändert sich endgültig die Perspektive. „In der Niedrigzinsphase konnten sie noch von Garantiezinsen profitieren, die im Vergleich zu den dürftig verzinsten Festgeldanlagen oft deutlich besser abschnitten, mussten aber stellenweise um die Durchhaltefähigkeit ihres Vertragspartners fürchten. Jetzt haben sie hinsichtlich der Rentabilität ihrer Geldanlage das Nachsehen“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke.
Der Anlagezins auf dem Markt liegt mit deutlich über 3,25 Prozent in einer Höhe, die der Höchstrechnungszins von Lebensversicherungen zuletzt vor zwanzig Jahren erreichte. Auf höhere zusätzliche Gewinnbeteiligungen – die Überschussbeteiligungen – werden die Versicherten noch geraume Zeit warten müssen. Denn viele Versicherer haben in den vergangenen Jahren ihren Bestand mit niedrig verzinsten Kapitalanlagen gefüllt, die sie nun erst langsam umschichten können.
Infolge der Zinswende werden aus den vormals stillen Reserven stille Lasten. „Lebensversicherungen erreichen damit weiterhin nicht ansatzweise das Minimalziel einer jeden Geldanlage, nämlich das Vermögen gegen die Inflation zu schützen“, sagt Rehmke.
Weiterhin große Herausforderung
Die große Herausforderung für die Lebensversicherungen bleibt es, ein unrentables Produkt weiterhin unters Volk zu bringen. Einige Unternehmen haben ihre Bestände bereits in den Run-Off geschickt und an Abwicklungsgesellschaften veräußert. Das Bestreben hält an, die Run-Off-Gesellschaften arbeiten nach der Analyse von Zielke solide. Das Geschäft ist gleichwohl ins Stocken geraten, weil das Private-Equity-Unternehmen Cinven, das hinter dem großen Aufkäufer Viridium und dessen Gesellschaft Proxalto Lebensversicherung steckt, sich wenig verlässlich zeigt und den Markt offenkundig schon wieder verlassen will.
Eine neue Gefahr könnte nach Ansicht des Analyseteams einigen Lebensversicherungsgesellschaften drohen, die eine hohe Zahl an stillen Lasten tragen und wenig diversifiziert beziehungsweise stark in Staatsanleihen investiert sind. Bleibt aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit des Produkts nennenswertes Neugeschäft aus, während viele Bestandskundinnen und -kunden ihre Verträge zugunsten rentablerer Anlagen auflösen, könnte das ohne hinreichende Eigenmittel zu unangenehmen Liquiditätsengpässen führen.
Die Analystinnen und Analysten haben über verschiedene Kenngrößen die Situation von 78 Lebensversichereungen unter die Lupe genommen. Neben dem Solvabilitätsniveau (Solvenzquote) prüften sie unter anderem das Marktrisiko, die Gewinnerwartungen, den Grad der Diversifikation der Kapitalanlagen, die Beteiligung der Versicherten an den Überschüssen sowie der Umgang mit Nachhaltigkeits- beziehungsweise ESG-Risiken.
„Versicherte müssen wissen, dass der Zinsanstieg zwar die Solvenz ihres Anbieters verbessert haben dürfte, ihr Lebensversicherungsvertrag dadurch aber erst einmal nicht ertragreicher wird. Sie sind gut beraten, wenn sie die Zeit der Stabilität und attraktiven Alternativen aktiv nutzen und überprüfen, ob Anlageziel und Anlageprodukt noch zusammenpassen. Lebensversicherungen werden dabei keinen guten Schnitt machen“, sagt Rehmke.
Das Ergebnis der Auswertung ist die „Solvency II – Qualität Total“, eine Gesamtnote, die über ein Punktesystem ermittelt wurde. Die Studie mit der Notenübersicht stellt der Bund der Versicherten e. V. (BdV) auf seiner Website zum Download zur Verfügung, weitere Einzelheiten hier.