Die meisten Produkte sind online-abschlussfähig. Für die Geldanlage gibt es RoboAdvisor. Und Vergleichsportale helfen den Verbrauchern bei der Suche und beim Abschluss von Versicherungs- und Finanzprodukten. Für was braucht es im digitalen Zeitalter überhaupt noch einen persönlichen Berater?
Oliver Brüß: Der Faktor Mensch wird in der Beratung immer eine große Rolle spielen – auch im digitalen Zeitalter. Das zeigt auch unsere jüngste Befragung zum Thema Beratung und Digitalisierung: Die mit Abstand meisten Deutschen vertrauen bei Abschluss eines neuen Vertrages auf einen Versicherungsberater – bei Abschluss einer Lebensversicherung oder Altersvorsorge sind es sogar 74 Prozent.
Ulrich Neumann: Verbraucher suchen sich heute Versicherungsschutz viel situativer, nutzen unterschiedliche Kanäle und sie vergleichen auch viel mehr. Sobald es kompliziert wird, brauchen sie Experten, die sich auskennen. Bei komplexen Vorsorgethemen zum Beispiel ist der Online-Abschluss wenig beliebt, bei einfacher Privathaftpflicht aber schon.
Ich bin total überzeugt davon, dass die persönliche Beziehung zwischen Makler und Kunde in der digitalen Welt sogar noch an Bedeutung gewinnen wird – allen Vergleichsportalen und RoboAdvisor zum Trotz, aber anders, als wir sie früher kannten.
Also alles gut? Rosige Aussichten für den Maklermarkt?
Oliver Brüß: Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt schon einige Hausaufgaben in puncto Digitalisierung zu erledigen – für Berater, aber natürlich auf für uns als Versicherungsunternehmen. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Kommunikation: Immer mehr Kunden wünschen sich – nicht zuletzt getrieben durch Corona – Online- oder Video-Beratung. An dem Punkt professionell und gut per Video beraten zu können, sind aber einige Makler noch lange nicht. Genauso müssen aber auch die Versicherer ihre technischen Prozesse, aber auch ihre Mitarbeiter so entwickeln, dass Video- und Online-Kommunikation zwischen Versicherungsunternehmen und Makler deutlich komfortabler wird.
Ulrich Neumann: Was sich außerdem natürlich massiv verändert hat, ist der Prozess von der Information zum Abschluss. Ein Kunde ist heute ganz anders vorinformiert als früher. Darauf müssen Berater vorbereitet sein.
Das heißt?
Ulrich Neumann: Der Makler muss seiner Rolle als unangefochtener Fachmann gerecht werden. Der Kunde erwartet von ihm eine punktgenaue, kompetente Beratung und Unterstützung. Um das bieten zu können, bedarf es eines hohen Maßes an Qualifikation und Expertise, die kontinuierlich gepflegt und ausgebaut werden müssen. Im digitalen Zeitalter wird die Welt immer komplexer. Um hier den Expertenstatus zu halten, ist eine Spezialisierung für den Makler unabwendbar. Der Trend geht weg vom Generalisten hin zum Spezialisten. Gerade der Gewerbeversicherungsbereich erfordert ein umfangreiches Know-how. Das Gleiche gilt für die betriebliche Krankenversicherung (bKV) sowie die betriebliche Altersvorsorge (bAV) – beides vielversprechende Geschäftsfelder mit hohem Kundenbindungspotential, aber auch viel notwendigem Spezialwissen.
Oliver Brüß: Und genau da bietet die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Statt zeitaufwändig von Kongress zu Kongress zu reisen, werden viele Schulungsangebote online angeboten. Die Gothaer bietet beispielsweise vielfältige Online-Webinare und andere digitale Informationsangebote. Das Themenspektrum reicht von Sales Stories über Expertenvorträge zu aktuellen Trends bis zu Fachvorträgen aus den Sparten. Über Webinare, immer häufiger auch im Bewegtbild-Format, liefern wir dem Makler zeitsparend und ohne lange Wege das nötige Fachwissen. Genauso ist aber auch Convenience für den Kunden gefragt. Hohe Erreichbarkeit, schnelle Reaktion auf Anfragen und Transparenz für den Kunden sind entscheidende Faktoren im Wettbewerb. Das alles ist nur mit einem hohen Grad an Digitalisierung zu leisten.
„Hohe Erreichbarkeit, schnelle Reaktion auf Anfragen und Transparenz für den Kunden sind entscheidende Faktoren im Wettbewerb“
Gutes Stichwort: Wie steht es denn bei der Gothaer um den Digitalisierungsgrad?
Oliver Brüß: Klar, auch wir haben hier noch einiges zu tun, gleichzeitig aber auch schon einiges geschafft. Wir wollen Maklern insbesondere eine komfortable Anbindung und schlanke Prozesse bieten. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg sind die BiPro-Normen. Über diese standardisierten Schnittstellen können alle Dokumente und Daten zwischen Makler und Versicherungsnehmer digital ausgetauscht und in den jeweiligen Verwaltungssystemen direkt verarbeitet werden. Dies führt auf beiden Seiten zu Kostenvorteilen und erheblichen Effizienzgewinnen. Wertvolle Zeit, die Makler für die Beratung und den Kundenservice nutzen können. Die Gothaer ist hier einer der Vorreiter im Markt.
Ulrich Neumann: Zudem setzen wir voll auf Automatisierung und Dunkelverarbeitung bei Tarifierung, Angebotserstellung und Antrag. Nehmen wir zum Beispiel unser Produkt Gothaer GewerbeProtect. Hierbei handelt es sich um einen maßgeschneiderten Versicherungsschutz für KMU mit hoher Flexibilität in einem modularen Produktbaukasten – direkt abschlussfähig am Point of Sale. Neben dem reinen Versicherungsprodukt spielen die Technik und die dahinter liegenden Prozesse eine immer größere Rolle.
Und was glauben Sie persönlich: Wie wird der Maklermarkt – sagen wir im Jahr 2030 – aussehen?
Ulrich Neumann: Machen wir uns nichts vor: In zehn Jahren wird die Zahl der Versicherungsunternehmen und der unabhängigen Vermittler gegenüber heute deutlich gesunken sein. Erfolgreich am Markt sind Unternehmen und Berater, die das Thema Digitalisierung schnell und kundenorientiert umgesetzt haben. Sie bieten ihren Kunden einen Rundum- Service weit über das Thema Versicherungen hinaus und stehen ihnen jederzeit, an jedem Ort und über alle verfügbaren Kommunikationskanäle mit Rat und Tat zur Seite. Ich bin mir sicher: Die Gothaer wird eines dieser Unternehmen sein.
Oliver Brüß: Ich blicke grundsätzlich sehr optimistisch in die Zukunft. Daran kann auch die Corona-Krise nichts ändern. Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit unseren Vertriebspartnern glaube ich an einen guten Mix. Mit einer ausgewogenen Mischung aus digitalen Prozessen und persönlichem Kontakt können sowohl Makler als auch wir optimistisch in die Zukunft schauen. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass wir im Jahr 2030 immer noch stark am Markt vertreten sein werden – das hat ja schließlich schon die letzten 200 Jahre ganz gut geklappt.
Vielen Dank für das Gespräch.