Die Grundfähigkeitsversicherung ist stark im Kommen und stellt sowohl die Erwerbsunfähigkeitsversicherung als auch die MultiRisk (Funktionale Invaliditätsversicherung, kurz FIV) in puncto Beliebtheit in den Schatten und die jüngsten Produktentwicklungen zeigen, dass hier noch weiteres Potenzial steckt. Vor fünf, sechs Jahren sah das noch anders aus. Makler und Vermittler machten eher einen Bogen darum, Kunden kannten sie nicht, Presseberichte gab es wenige, nur Vergleicher machten ihre ersten zaghaften Schritte, diese Tarife ins Portfolio der Arbeitskraftabsicherung aufzunehmen. Der Grund: Jahrelang, oder besser gesagt Jahrzehntelang wurde gepredigt, dass für die Arbeitskraftabsicherung nur eine Berufsunfähigkeitsabsicherung in Frage kommt. Diese ist sicherlich die beste und umfangreichste Absicherung, die man zur Existenzabsicherung abschließen kann, aber eben nicht die einzige.
DER WERT DER ARBEITSKRAFT
Viele Menschen machen sich nicht bewusst, welchen Wert ihre Arbeitskraft hat. Dabei ist das leicht zu veranschaulichen. Zum Beispiel würde einem 40-Jährigen bis zum Rentenalter von 67 Jahren bei einem aktuellem Nettoverdienst von 3.000 Euro monatlich für das restliche Berufsleben eine erhebliche Summe fehlen: Ohne Inflation, Gehaltssteigerungen, Preissteigerungen, Mietindizierung etc. fehlen ihm 972.000 Euro. Berücksichtigt man eine moderate Steigerung von zwei Prozent, fehlen bereits ca. 1.300.000 Euro, bei drei Prozent Steigerung bereits ca. 1.500.000 Euro. Wer kann das schon aus dem Ersparten finanzieren?
DIE GRUNDFÄHIGKEITSVERSICHERUNG
Die Grundfähigkeitsversicherung sichert den Verlust von Fähigkeiten wie Sehen, Sprechen, Greifen, Gehen, Treppensteigen oder Autofahren etc. – sogenannte Grundfähigkeiten – und in verschiedenen Ausprägungen auch kognitive Leistungen wie Einschränkungen bei Gedächtnisleistungen oder eigenverantwortliches Handeln ab. Je nach Berufs- und Arbeitsumfeld sind der Verlust einer oder mehrerer Grundfähigkeiten oft auch ursächlich für den Verlust der Arbeitskraft. ABER: Ob der Versicherte nach einem Unfall oder einer Krankheit weiterarbeiten kann oder nicht, spielt für die Leistungserbringung keine Rolle. Es kommt einzig und allein darauf an, ob die versicherte Fähigkeit verloren gegangen ist. Das ist der wichtigste Unterschied zu Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitstarifen, die auch dem Kunden deutlich gemacht werden müssen. Dennoch sollen auch Grundfähigkeitskunden möglichst gut abgesichert sein. Die jüngsten Produktentwicklungen zeigen eine entsprechende und schnelle Reaktion auf Markterfordernisse und haben bereits weitere Fähigkeiten wie „Riechen und Schmecken“ und psychische
Fähigkeiten wie zum Beispiel „schwere Depression“ integriert. Dass die Grundfähigkeitstarife auch die Notwendigkeiten des modernen Arbeitsumfeldes abbilden können, zeigen versicherte Fähigkeiten wie „Bildschirmarbeit“, „Nutzung Tastatur oder Smartphone“ sowie „grüne Mobilität“ wie Fahrradfahren und Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln neben der bekannten Mobilität im Sinne von Autofahren. Die Gesundheitsprüfung ist hierbei aber einfacher und der Beitrag wesentlich günstiger als bei einer BU. Für Berufsgruppen mit hoher Abhängigkeit von den Grundfähigkeiten, das sind vor allem soziale, pflegende und körperliche Berufe wie zum Beispiel Handwerker, Pfleger, kinderbetreuende Hausfrauen und Erzieher, aber auch Künstler. Gerade bei Kindern spielen Grundfähigkeiten eine wichtige Rolle, daher ist eine Grundfähigkeitsversicherung – idealerweise in Verbindung mit einer BU-Option für später – eine ausgezeichnete Absicherung für Kinder.
UMFANG PRÜFEN UND UNTERSCHIEDE CHECKEN
Der aktuelle Jahrgang des Grundfähigkeits-Scorings von Ascore Analyse bietet mit 36 Tarifen von 13 Anbietern einen vollständigen Marktüberblick. Mittels 128 Einzelkriterien werden die Tarife analysiert und verglichen. Dabei werden vor allem die Inhalte der Versicherungsbedingungen und die konkrete Beschreibung genauestens auf den Prüfstand gestellt. Bei den Grundfähigkeitstarifen sind, einerseits durch die aktuell recht dynamische Produktentwicklung, andererseits durch das eher junge Alter dieser Tarifart, die Unterschiede deutlich größer als zum Beispiel bei Berufsunfähigkeitsversicherungen. BU-Tarife lassen durch die jahrelange Bedingungs-Rallye mittlerweile wenig Spielraum für Differenzierungen. Bei der Wahl des Grundfähigkeitstarifs sollte man daher auf die folgenden Punkte besonders achten:
1. Der Umfang der Grundfähigkeiten: Welche Grundfähigkeiten und zusätzliche Fähigkeiten sind in den jeweiligen Tarifen abgesichert? Diese sollten speziell auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sein.
2. Anzahl der Grundfähigkeiten: Leistet der Versicherer bereits bei einer fehlenden Grundfähigkeit oder müssen mehrere gleichzeitig für einen Leistungsanspruch erfüllt sein?
3. Die Formulierungen in den Bedingungen. Da sich diese in vielen Punkten unterscheiden, ist genaues Hinsehen gefragt. Am Beispiel „Heben und Tragen“ kann man das gut verdeutlichen: Müssen beide Hände betroffen sein oder nur eine Hand? Welches Gewicht ist ausschlaggebend? Manche leisten bereits bei zwei Kilo, andere erwarten fünf Kilo.
FÜR KUNDEN VERSTÄNDLICH
Die Grundfähigkeitsversicherung bietet sowohl in der Kundengewinnung als auch in der Produktentwicklung aktuell den größten Spielraum und ein großes Weiterentwicklungspotenzial. Durch die flexiblen Möglichkeiten, Fähigkeiten als Leistungsauslöser zu definieren und weitere hinzuzufügen, ist sie für diverse Berufsbilder interessant und weitere Berufsbilder können dadurch auf relativ simple Weise erschlossen werden. Ein weiterer Vorteil ist der geringe Abstraktionsgrad. Unter den Leistungsauslösern für körperliche und geistige Grundfähigkeiten können sich die meisten Kunden etwas vorstellen. Der Berater kann so, gemeinsam mit dem Kunden, die gewünschten Ausprägungen für den Leistungsumfang einfach „zusammensuchen“. Professionelle Vergleichstools wie der ASCORE Navigator (Link: https://www.dasscoring. de/bestellung/) bieten detaillierte Vergleiche der Tarife auf Knopfdruck und ermöglichen so dem Vermittler, für den Kunden das Passende zu finden. Bedenkt man, dass fast ein Drittel der Erwerbstätigen keinen BU-Schutz hat, so ist das Potenzial für eine Grundfähigkeitsversicherung als Alternative hier groß. Die Grundfähigkeitsversicherung ist kein Rundum-Sorglos-Paket wie eine BU, das sollte man wissen, aber sie sichert einen großen Teil der Risiken ab.
ELLEN LUDWIG