Corona beschleunigt den digitalen Wandel, zunehmende außergewöhnliche Wetterphänomene und Umweltkatastrophen fördern das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und das niedrige Zinsniveau steigert die Attraktivität kapitalmarktnaher Versicherungsprodukte. Die Altersvorsorgeanbieter bieten mittlerweile ein breites Portfolio an Flexibilitäten an, die sich nicht nur an verschiedenste Lebensläufe anpassen lassen, sondern auch auf gesetzliche Änderungen oder Anforderungen reagieren können.
NACHHALTIGKEIT IM FOKUS: ESG – ZEITPLAN UND AUSWIRKUNG
„ESG“, „SDG“, „CSR-Richtlinie“, „Transparenz-Verordnung“, „Taxonomie-Verordnung“ – Schlagworte, die spätestens seit Anfang des Jahres in der Lebensversicherungs- und Investmentbranche in aller Munde sind. Die EU hat eine Reihe von Verordnungen verabschiedet, die Kunden, Vermittlern und Unternehmen helfen sollen, auch „unsichtbare“ Werte transparent zu machen. Zum Beispiel: Wie nachhaltig investiert das Versicherungsunternehmen, bei dem die Altersvorsorge abgeschlossen wird? Oder wie findet man nachhaltige Fonds, die Bestandteil einer fondsgebundenen Rentenversicherung sind?
Die ESG-Kriterien enthalten weit mehr als nur Umweltziele: Die Abkürzung steht für E – Environmental (Umwelt), S – Sozial (Soziales) und G – Governance (Unternehmensführung). Berücksichtigt werden neben vielen positiven Kriterien auch Ausschlusskriterien sowie kontroverse Sektoren. Unter Umweltkriterien versteht man zum Beispiel Wasser- und Energiemanagement, Biodiversität und Verpackung. Der Bereich „Soziales“ enthält Kriterien wie faire Arbeitsbedingungen, Vielfalt und Integration sowie auch Themen wie Versammlungsfreiheit. Die Unternehmensführung sollte unter anderem für nachweislich positives Verhalten im Risikomanagement, Wettbewerb und in der Unternehmensethik sorgen. Diese Kriterien sollen künftig helfen, Versicherungsgesellschaften, Vermittler und Versicherungsprodukte nach Nachhaltigkeitsaspekten zu differenzieren.
Eine Sache hinkt dem Zeitplan allerdings hinterher: Es gibt noch keinen verabschiedeten Standard, nach dem Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsfaktoren wie Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung bewerten und offenlegen können. Eine vergleichbare Bewertung nach ESG für Unternehmen, Versicherungsprodukte und Fonds ist danach noch nicht möglich, soll aber 2021 kommen.
Ascore und Softfair prüfen seit Jahren die enthaltenen Fondslisten der Altersvorsorgeprodukte – von anfangs zaghaften ein oder zwei enthaltenen nachhaltigen Fonds haben viele Versicherer mittlerweile auf 15 oder mehr aufgestockt. Wobei man genau hinsehen muss, denn grün ist nicht gleich grün. Nur wer nachprüfbar nachhaltig ist, wird zum Beispiel in den Softfair-Vergleichsprogrammen anhand der ESG-EDA-Kriterien als nachhaltig ausgewiesen. Die Anzahl der Anbieter, die komplett nachhaltig ausgerichtete Altersvorsorgeprodukte mit eigenem und transparentem Anlageportfolio anbieten, ist aktuell sehr überschaubar. Aber der Trend ist bereits unübersehbar – hier sind viele weitere Produkte im Kommen.
DER RECHNUNGSZINS SINKT WEITER – IST DAS EIN PROBLEM?
Der Höchstrechnungszins (= garantierte maximale Guthabenverzinsung) hat seit 2000 eine Talfahrt hingelegt, die sich der glatten Null annähert. Steht er aktuell noch bei 0,9 Prozent, so wird er zum 1. Januar 2022 auf 0,5 Prozent sinken. Es drängt sich die Frage auf: Brauchen wir noch einen vom Gesetzgeber vorgegebenen Höchstrechnungszins? Die Frage ist berechtigt, denn viele Produktkonzepte kommen bereits ohne oder mit einem reduzierten Rechnungszins aus. Dem Kunden schadet das keineswegs, denn längst bieten Lebens- und Rentenversicherungsanbieter weit mehr als nur Tarife mit starrem Rechnungs- zins. Moderne fondsgebundene Tarife nutzen die Möglichkeiten des Kapitalmarkts und können so attraktive Renditen für die Altersvorsorge erwirtschaften. Die fondsgebundenen Produkte gibt es in der Bandbreite ohne Garantien, mit flexibel wählbaren Garantien, mit gemanagten Anlagekonzepten, Indexkonzepten und einer großen Auswahl an Fonds und ETFs. Mit Lock-in oder Anlagensicherungen sowie An- und Ablaufmanagements – um nur einige zu nennen – stehen Sicherungsbausteine zur Verfügung, die dem individuellen Sicherheitsbedürfnis eines Kunden angepasst werden können.
PROVISIONSDECKEL: JA, NEIN, DOCH, VIELLEICHT ODER NUR EIN BISSCHEN …
Wir sind im Superwahljahr und natürlich wird mit den Abschlussprovisionen in der Lebens- und Restschuldversicherung wieder ein Thema strapaziert, das eigentlich schon ad acta gelegt war, nachdem sich die Große Koalition nicht einigen konnte. Jetzt machen die Grünen die Provisionen wieder zum Thema, wenngleich auch nur für die Restschuldversicherung. Ob es dann bei der Restschuldversicherung bleibt, ist fraglich. Eine Versicherungsberatung, insbesondere im Bereich der Altersvorsorge, ist nichts, was man sich in einem VHS-Wochenendkurs aneignet, da gehört mehr dazu. Es gilt abhängig vom familiären, beruflichen und wirtschaftlichen Status das Passende und Beste für den Kunden zu ermitteln. Welche Kombination aus Schicht-1-, Schicht-2- und Schicht-3-Tarifen ist ideal? Wie wirkt sich das aktuell und später steuerlich aus? Wie kann der Kunde von Förderungen profitieren? Welche Tariftypen aus Hybriden, Index- und Fondstarifen und mit welchen Ausprägungen kommen in Frage? Das und vieles mehr klärt der Versicherungsexperte im Beratungsgespräch und schützt den Kunden auch vor Fehlabschlüssen, die den Kunden womöglich unnötig Geld kosten würden. Für viele Leistungen wie zum Beispiel eine anwaltliche oder eine steuerrechtliche Beratung ist man selbstverständlich bereit, Geld zu zahlen.
Ist es nicht gerechtfertigt, auch eine umfassende Versicherungsberatung entsprechend zu entlohnen?
ELLEN LUDWIG, ASCORE DAS SCORING GMBH