Versicherungsgebundene Wertpapiere – kurz ILS oder Cat Bonds – sind vor allem für ihre Engagements bei Risiken von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Orkane bekannt. Darüber hinaus bietet eine kleine, weniger bekannte ILS-Kategorie die Absicherung von Risiken, die man als exotisch oder unmittelbar vom Menschen verursacht bezeichnen könnte. Dazu gehören Pandemie-, Terrorismus- oder Cyberrisiken. In der Regel stellen sie keine Kernallokation in einem typischen ILS-Portfolio dar, zudem sind einige Anleger in Bezug auf exotische ILS-Risiken eher skeptisch. Aus diesem Grund ist es durchaus berechtigt zu fragen: Weshalb sollte man sich überhaupt mit exotischen Risiken befassen?
Um die Abdeckung von ILS-Risiken angemessen zu quantifizieren, sollte eine vernünftige Obergrenze für das geschätzte Risiko und somit ein Risiko-Ertrags-Verhältnis festgelegt werden. Ob ein Risiko «modellierbar» ist, wird häufig missverstanden. Manchmal wird behauptet, das Risiko von Naturkatastrophen ließe sich modellieren, nicht jedoch die sogenannten vom Menschen verursachten Risiken. Diese Ansicht teilen wir nicht. Der Trugschluss beruht vermutlich auf der Vorstellung, dass sich komplexe Marktrisiken nur schlecht am Modell abbilden lassen. Obwohl diese Vorstellung durchaus den Tatsachen entspricht, ist der Katalog der quantifizierbaren, vom Menschen verursachten Risiken umfangreich. Das Hauptproblem liegt jedoch darin, dass diese Risiken häufig nicht gut vom Markt kompensiert werden. In der Praxis ergibt sich die «Modellierbarkeit» aus der Höhe der zulässigen Fehlertoleranz, sprich dem Grad an Unsicherheit, der bei der Modellierung akzeptiert wird. Sollte ein Risiko nicht gut kompensiert werden, muss die Risikoeinschätzung häufig genauer sein als praktisch machbar ist. Wird ein Risiko jedoch außerordentlich gut kompensiert, kann eine angemessene Risiko-Obergrenze festgelegt werden, die als Grundlage für eine vernünftige Anlageentscheidung dient.
Risiken durch Naturkatastrophen übersteigen vom Menschen verursachte Risiken
Vom Menschen verursachte Risiken sind ein natürlicher Teil der Versicherungsmärkte. Schließlich unterliegen Versicherungsansprüche selbst signifikanten verhaltensbedingten Elementen. Obwohl menschliches Verhalten vermutlich kein Erdbeben auslösen kann, wirkt sich der Umfang der Forderungen einzelner Versicherungsnehmer dennoch auf die Gesamtsumme aus, die nach einem Erdbeben für resultierende Schadensforderungen gezahlt werden muss. Wenn es um ILS-Risiken geht, sind die Risiken in Bezug auf das Verhalten von Versicherungsnehmern unseres Erachtens relativ gut eingegrenzt – zumindest im Vergleich zu den signifikanten Unsicherheiten im Zusammenhang mit globalen makroökonomischen Risiken. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass ein Element der letztendlichen Versicherungsforderung verhaltensbedingt ist.
Am Versicherungsmarkt heißt es, die Zerstörung eines einzigen Hauses durch einen Wirbelsturm stellt auch dann für den Eigentümer eine Katastrophe dar, wenn sie noch keine Katastrophe für den Versicherer ist. Alle Schäden an menschlichen Besitztümern sind für deren Eigentümer wichtig. Doch in Bezug auf das große Ganze werden Aktivitäten von Menschen – ganz gleich, welche verheerenden Auswirkungen diese haben – durch das Zerstörungspotenzial von Mutter Natur bei Weitem in den Schatten gestellt. Ein Erdbeben oder Orkan setzt in der Regel die Energie von hundert Atombomben frei. Daher übersteigen versicherte Verluste aus Naturereignissen häufig die Kapazität von Versicherungs- und Rückversicherungsmärkten. Infolgedessen werden in der Regel mehr Naturkatastrophenrisiken an den ILS-Markt gebracht als vom Menschen verursachte Risiken. Dies ist zwar eine ausgeprägte Tendenz, aber keine Regel, die von Menschen verursachte ILS-Risiken ausschließen würde. In einigen Fällen können solche Risiken attraktive Diversifikationsmöglichkeiten für ILS-Portfolios schaffen.
Terrorismusrisiken gut abgedeckt
Ein Beispiel für ein vor Kurzem lanciertes exotisches ILS ist die ausschließlich auf Terror-Katastrophen ausgerichtete Anleihe von Pool Re, einem öffentlich-privaten Versicherungspool zur Deckung von Terrorrisiken, der Rückversicherungen für Schäden an Gewerbeimmobilien und Betriebsunterbrechungen durch Terroranschläge in Großbritannien übernimmt. Diese Anleihe mit dem Namen Baltic PCC Ltd. wurde im ersten Quartal 2019 mit einem Volumen von 75 Millionen Britische Pfund emittiert. Zweck der Anleihe ist die Schaffung eines größeren Abstands zwischen dem britischen Schatzamt und dem britischen Steuerzahler gegenüber Forderungen im Falle eines großen Terroranschlags oder mehrerer Anschläge. Diese Transaktion war aus zwei Gründen beachtenswert: Erstens wurde sie an den Markt gebracht, um vordergründig ein Problem von nationaler Bedeutung anzugehen. Zweitens waren die Risiken ausreichend detailliert beschrieben, sodass Anleger die Risikomodellierung der Anleihe nachvollziehen und ihre eigenen Sensitivitäts- und Modell-Stresstests durchführen konnten.
Die einzige Überraschung ist, dass diese Transaktion überhaupt an den ILS-Markt gebracht wurde. So abschreckend Terrorrisiken auch sein mögen, werden sie jedoch vom traditionellen Rückversicherungsmarkt gut abgedeckt. Zudem verfügt Pool Re verdientermaßen über eine starke Unterstützung auf dem privaten Rückversicherungsmarkt. Hinter der Motivation des Transaktionssponsors steckt offenbar der Wunsch, gute Beziehungen zum ILS-Markt aufzubauen. Der ILS-Markt stellt nicht nur eine andersartige, diversifizierende Kapitalquelle des traditionellen Rückversicherungsmarktes dar. Aufgrund der Tatsache, dass er Teil eines größeren Kapitalmarktes ist, dürfte er auch die ergiebigste Kapitalquelle darstellen und somit in der Lage sein, Verluste besser zu verkraften als jede andere Versicherungslösung.
Ausblick: Weniger exotische, mehr physische und virtuelle Risiken
Bei ILS-Konferenzen werden wir häufig gefragt, ob es weitere Terrorrisiko-Anleihen oder sogar Cyberrisiko-Anleihen geben wird. Obwohl unklar ist, wie sich der Markt entwickeln wird, sind wir der Ansicht, dass exotische Risiken – zumindest gemessen am nominalen ausstehenden Risikoengagement – auf kurze Sicht weiterhin einen geringeren Teil des ILS-Marktes ausmachen werden. Diese Einschätzung beruht auf der Beobachtung, dass Naturkatastrophenrisiken um ein Vielfaches größer sind als exotische ILS-Risiken.
Da die Menschheit und die Produktivität fortschreiten, werden zunehmend neue physische und virtuelle Risiken auftauchen. Einige davon werden möglicherweise zu versicherten Verlusten führen, die den aktuellen Sachrisiken aus Naturkatastrophen gleichkommen oder diese sogar übertreffen. Daher ist es langfristig gut möglich, dass die Nachfrage nach Risikokapazitäten allmählich das verfügbare Rückversicherungsangebot übersteigt. In zehn Jahren könnten ILS-Risiken, die wir derzeit als exotisch bezeichnen, deshalb vielleicht gar nicht mehr so exotisch sein. Für uns ist dies ein guter Grund, die derzeit entstehenden Anlagechancen schon heute genau zu beobachten.
(GAM)