Versicherungen

Frontalangriff auf die Lebensversicherung

Der vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegte Entwurf des Lebensversicherungsreformgesetzes sieht drastische Veränderungen für die Lebensversicherung vor. Diese könnten sich zum Teil für Gesetzgeber und Versicherte als Bumerang erweisen. Auch für Vermittler sollen neue Zeiten anbrechen: Sie sollen künftig ihre Provisionen offenlegen. Wie dies in der Praxis geschehen soll, bleibt unklar. Der Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte liest sich streckenweise wie eine Kampfansage an die Lebensversicherung. Die Absenkung des Höchstrechnungszinses von 1,75 auf 1,25 Prozent erscheint vor dem Hintergrund der länger andauernden Niedrigzinsphase sinnvoll.

Dringend erwartet wurde eine Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven. Laut Entwurf werden Versicherte künftig nur dann anteilig an Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen beteiligt, wenn die Bewertungsreserven einen etwaigen Sicherungsbedarf des Versicherers überschreiten. Es ist davon auszugehen, dass ausscheidende Versicherte nach Inkrafttreten der Reform eine ganze Weile nicht mehr an den Bewertungsreserven bei festverzinslichen Anlagen beteiligt werden. An Bewertungsreserven bei Aktien und Immobilien bleiben Versicherte aber weiterhin beteiligt. Diese Maßnahme erscheint im Hinblick auf einen fairen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen im Versichertenkollektiv sinnvoll. „Mit der jetzt entworfenen Lösung wird die Balance zwischen ausscheidenden und im Kollektiv verbleibenden Versicherten wiederhergestellt“, resümiert Dr. Mark Ortmann, Geschäftsführer des Instituts für Transparenz (ITA).

Ausschüttungssperre könnte sich als Bumerang erweisen

Für die Versicherer und deren Aktionäre hätte die ebenfalls vorgesehene Ausschüttungssperre drastische Folgen: Bei einem bestehenden Sicherungsbedarf dürften keine Dividenden mehr ausgezahlt werden. Damit würden Investitionen in Lebensversicherer uninteressant. Deren Finanzierung würde erheblich erschwert. Dies könnte den Rückzug einiger Lebensversicherer vom Markt bewirken. Überlegungen von Vorständen, das Neugeschäft einzustellen und die Gesellschaft in den sogenannten Run-off zu schicken, könnten beschleunigt werden. Denn ohne langfristige Erträge macht eine Investition keinen Sinn. „Damit könnte sich die Regelung als Bumerang erweisen“, gibt Ortmann zu bedenken.

Mit seinem Reformpaket rüstet der Staat für den Fall auf, dass Versicherer durch dauerhaft niedrige Zinsen in die Knie gehen. Die Deutsche Bundesbank hat diese Situation simuliert. Das Ergebnis ist bedrückend: Ein Drittel der Lebensversicherer könnten im Jahr 2023 die Eigenmittelanforderungen nicht mehr erfüllen. Nach Inkrafttreten der Solvabilität II-Vorschriften erwartet die Bundesbank noch schlechtere Ergebnisse.

Versicherungsvorstände freuen sich auf höhere Gehälter

Versicherer und Aufsicht müssen Risiken frühzeitiger erkennen und danach handeln. Daher sieht der Entwurf vor, dass Versicherer künftig mehrjährige Prognoserechnungen und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde einen Sanierungsplan erstellen müssen. Wenn sich abzeichnet, dass Versicherer die Risiken langfristig nicht tragen können, erhält die Aufsicht künftig mehr Handlungsspielraum. So kann sie etwa variable Vergütungen der Vorstände kürzen oder streichen. Die vorgesehenen Maßnahmen erscheinen angesichts des nicht völlig unwahrscheinlichen Szenarios langfristig niedriger Zinsen sinnvoll. Allerdings ist es wohl nur eine Frage kurzer Zeit, wann die fixen Vergütungen der Vorstände in die Höhe schnellen, um zu streichende Boni im Krisenfall zu umgehen.

Versicherer schachern um Höhe der Abschlussprovisionen

Lebensversicherer erwirtschaften heute vor allem Risikoüberschüsse. Im Entwurf ist vorgesehen, dass die Versicherten künftig nicht mehr zu 75 Prozent, sondern zu 90 Prozent an diesen Risikoüberschüssen beteiligt werden. Auch wenn dies für Versicherer schmerzhaft ist: Für Kunden ist das eine gute und sinnvolle Regelung. „Damit wird Versicherern der Anreiz genommen, zu vorsichtige Annahmen hinsichtlich der Sterblichkeit und anderer Risiken zu machen“, so Ortmann. Weiter stellt der Geschäftsführer des ITA fest: „Versicherer sollten ihre Erträge grundsätzlich aus Gebühren erzielen, die transparent vereinbart wurden.“ Ortmann fordert außerdem: „Wenn Versicherte ganz oder überwiegend an den Überschüssen beteiligt werden, sollten Versicherer Gebühren vereinbaren können, die ausschließlich dem Versicherer zustehen.“

Auch für die Vermittler brechen neue Zeiten an. Der Höchstzillmersatz soll von 40 auf 25 Promille gesenkt werden. Damit sinken aber nicht zwangsläufig die Abschlussprovisionen. Es wird nur schwieriger für Versicherer, hohe Abschlussprovisionen zu zahlen, da diese überwiegend aus laufenden Beiträgen finanziert werden müssen. Es wird ein Geschacher um die höchsten Abschlussprovisionen einsetzen. Versicherer werden ausloten, wie viel sie ihren Vertrieben als einmalige Abschlussprovisionen zahlen können. Wenn dann ab 1. Januar 2015 bekannt ist, was die anderen Versicherer zahlen, wird sich der Markt wie bisher vermutlich auf dem höchsten Provisionsniveau einpendeln. Damit würde die Regelung leider ins Gegenteil verkehrt. Sinnvoller wäre eine gesetzliche Obergrenze für die kalkulatorischen Abschlusskosten. „Eine Begrenzung der hohen Abschlusskosten in Deutschland erscheint aus verschiedenen Gründen durchaus erwägenswert, der vorgeschlagene Weg wird vermutlich aber keinen großen Beitrag dazu leisten“, zweifelt Ortmann.

Höhe der auszuweisenden Provision unklar

Eine Regelung dürfte vielen Vermittlern Bauchschmerzen bereiten: Die Abschlussprovision muss gegenüber Kunden ausgewiesen und dokumentiert werden, und zwar als Gesamtbetrag in Euro. Damit soll Vergütungstransparenz hergestellt und der Weg zur Honorarberatung geebnet werden. Eine wesentliche Frage bleibt (Beispiel): Muss der Vermittler die 20 Promille Provision ausweisen, die er selbst erhält, oder die 60 Promille, die seine Vertriebsorganisation erhält? Es versteht sich von selbst, dass diese Regelung nur dann Sinn macht, wenn die höhere Provision an die Vertriebsorganisation ausgewiesen wird. Allerdings wäre der Ausweis einer Gesamtkostenquote, mit der Kunden die gesamten Produktkosten einfach vergleichen können, sinnvoller. Denn bei gleich hohen Produktkosten ist es für den Kunden egal, ob ein Vermittler mehr oder weniger verdient als ein anderer.

Wem nützen und schaden die neuen Regelungen? Freuen können sich alle Versicherten, die noch viele Jahre versichert bleiben. Jetzt ausscheidende Kunden bekommen zugunsten der bleibenden Kunden weniger ausgezahlt. Profitieren werden Produktanbieter, die von diesen Regelungen nicht betroffen sind, zum Beispiel Fondsgesellschaften. Vermittler, die schon heute offen und fair mit ihren Kunden umgehen, können sich behaupten. Dagegen sind die neuen Regelungen eine Kampfansage an Vermittler, denen ihr eigener Verdienst wichtiger ist als das Kundeninteresse. Lebensversicherer, die als Aktiengesellschaft organisiert sind und die schon finanziell schwach aufgestellt sind, könnten schneller in den Run-off gehen als bisher.

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