Derzeit gibt es in Deutschland keine Pflicht für Hauseigentümer, sich gegen Überflutungsschäden zu versichern. Rund 46 Prozent aller Gebäude sind freiwillig versichert, aber innerhalb Deutschlands gibt es große Unterschiede.
In Baden-Württemberg haben 94 Prozent eine Versicherung, im besonders betroffenen Rheinland-Pfalz sind es aktuell 37 Prozent in Bremen sogar nur 23 Prozent.
Eine amtliche Statistik darüber, wie viele Häuser in den Gebieten, die besonders von Hochwasser bedroht sind, versichert sind, gibt es nicht.
Gesamtwirtschaftliche Schäden reduzieren
Eine Versicherungspflicht erscheint ökonomisch sinnvoll, sofern sie geeignet ausgestaltet wird. Dann kann sie dazu beitragen, langfristig die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch Überflutungen zu reduzieren.
Die Versicherung schafft einen Anreiz, Neubauten eher in weniger gefährdeten Gebieten zu errichten.
Wenn die grundsätzlich gute Idee einer Pflichtversicherung jedochim politischen Prozess verwässert wird – und darauf deutet die aktuelle Debatte bereits hin – würde eine solche Versicherungspflicht mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Das Samariterdilemma des Staates
Das wichtigste Argument für eine Pflichtversicherung ist das Samariterdilemma des Staates.
Ist ein Elementarschaden wie bei der aktuellen Flutkatastrophe eingetreten und sind die betroffenen Gebäude nicht versichert, bleibt dem Staat kaum etwas anderes übrig, als die helfende Hand auszu- strecken.
Die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft in der Not ist lobenswert, sie zu verweigern, würde auf Unverständnis stoßen. Die Unterstützung hat aber Rückwirkungen auf die Bereitschaft der Bürger, sich überhaupt zu versichern.
In der Abwägung zwischen teurer Elementarschadenversicherung und dem Risiko, unversichert einen Schaden zu erleiden, fällt die Entscheidung oft gegen eine Versicherung aus, und das umso eher, je größer die staatliche Hilfe ist, die man erwarten kann, wenn es doch schiefgeht.
Wichtiger noch ist: Gleicht man die Schäden aus, ohne dass Versicherungsprämien erhoben werden,
deren Höhe den Risiken entspricht, fehlt der Anreiz, besonders gefährdete Gebiete zu meiden.
Tendenziell werden daher zu viele Gebäude in gefährdeten Lagen errichtet. Die Kosten dieser exzessiven Risikoübernahme trägt dann – zumindest teilweise – über die staatlichen Hilfen die Allgemeinheit.
Steuerungswirkung einer risikogerechte Versicherungsprämie
Bei Versicherungsprämien, die lokale Risiken angemessen abbilden, müssten hingegen Immobilien- besitzer in gefährdeten Lagen mehr zahlen als in relativ sicheren.
Die Folge: Neue Gebäude entstünden vermehrt in weniger bedrohten Gebieten.
Die Eigentümer von Immobilien in Überflutungslagen würden sich außerdem stärker dafür einsetzen, dass staatliche Stellen den Hochwasserschutz zum Beispiel durch zusätzliche Überflutungsflächen und Rückbau von Flussbegradigungen verbessern.
Die Resilienz gegenüber Naturkatastrophen würde sich durch eine so ausgestaltete Pflichtversicherung erhöhen.
Gelegentlich wird gegen eine umfassende Versicherungspflicht eingewandt, dass ein entsprechendes Versicherungsangebot gar nicht existiere. Dabei wird allerdings übersehen: Das Versicherungsangebot wird gerade wegen der staatlichen Hilfen zurückgedrängt.
Da in gefährdeten Gebieten die Versicherungsprämien hoch wären und sich im Vertrauen auf staatliche Hilfen kaum jemand versichern würde, lohnt es sich für die Versicherungen nicht, dieses Produkt überhaupt zu entwickeln.
Markt für private Versicherungen könnte entstehen
Mit einer umfassenden Versicherungspflicht entstünde jedoch ein großer Markt in Deutschland, den private Versicherungen erschließen könnten.
Angesichts der relativ geringen Größe Deutschlands im Weltmaßstab wäre auch nicht zu befürchten,
dass sich diese Risiken im globalen Rückversicherungsmarkt nicht diversifizieren ließen.
Nach dem Elbehochwasser 2002 wurde schon einmal eine Versicherungspflicht diskutiert. Damals bestätigte die deutsche Versicherungswirtschaft, dass internationale Rückversicherer zumindest einen erheblichen Teil der Risiken absichern könnten. Zur Einführung einer Pflichtversicherung kam es aber nicht.
Versicherungspflicht nur für neue Immobilien
Gegen eine Versicherungspflicht könnte man ferner einwenden, sie würde Eigentümer bereits bestehender Häuser, die sie womöglich erst kürzlich zu hohen Preisen gekauft haben, unzumutbar belasten. Ihre Immobilien könnten noch mehr an Wert verlieren, als dies durch die wachsenden Flutrisiken ohnehin schon der Fall ist.
Um auf diese Gruppe Rücksicht zu nehmen, könnte die Politik die Pflichtversicherung auf neu errichtete Häuser beschränken. Damit wäre zumindest dafür gesorgt, dass bei Neubauten Standorte mit Überflutungsrisiken vermieden werden.
(Ifo Institut) / surpress