Herr Rosemeyer, Ende April haben Sie sich als Vorstand der A.S.I. Wirtschaftsberatung AG nach 19 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Wie sind die letzten Wochen Ihrer Tätigkeit verlaufen und bedeutet Ruhestand für Sie tatsächlich die vollständige Verabschiedung aus der Branche?
FRANZ-JOSEF ROSEMEYER: Die letzten Wochen waren hoch spannend, vor allem weil sie wegen der Corona-Krise völlig anders verlaufen sind, als geplant. Bereits Anfang März haben wir einen Krisenstab gebildet, um die wichtigsten Funktionsabläufe in der Zentrale sicherzustellen, auch für den Fall einer vorübergehenden quarantänebedingten Schließung. Dabei ging es natürlich nicht nur um unsere eigenen administrativen Belange, sondern auch darum, unseren Kunden jeweilsbrandaktuelle Informationen zum Thema Corona, wie zum Beispiel die Beantragung von finanziellen Unterstützungsleistungen etc., zu liefern.
Was die Zukunft betrifft, gehe ich davon aus, auch weiterhin in einigen Themenfeldern der Branche aktiv zu sein. Zur Zeit bin ich ja auch ehrenamtlich im Votum-Verband tätig. Allein diese Tätigkeit erfordert es, dass ich mich mit den Fragestellungen der Branche intensiv auseinandersetze. Ich kann mir aber auch sehr gut vorstellen, auf Produktgeberseite Produktentwicklungen beziehungsweise deren Markteinführung projekttechnisch zu begleiten. Das kann auch Vertriebstrainings auf Vermittlerseite beinhalten. Thematisch würde ich mich allerdings auf die Themen BU, Altersvorsorge, Ruhestandsplanung und Immobilie als Kapitalanlage beschränken.
Wenn Sie Corona ansprechen, wie wird sich die Beraterwelt nach Corona verändern?
FRANZ-JOSEF ROSEMEYER: In den letzten Wochen war die Lernkurve aus meiner Wahrnehmung sowohl auf Beraterseite als auch auf Kundenseite ungeheuer steil. Auch bei den älteren Kunden und Beratern kamen plötzlich technische Mittel zur Anwendung, die bisher nicht zur Beratungsroutine gehörten.
Allen voran die Videoberatung. Sie wird in Zukunft sicher nicht die persönliche Beratung ablösen, aber sie wird bei weniger komplexen Fragestellungen auf beiden Seiten das Mittel der Wahl werden. Das ist allerdings nur ein Beispiel.
Auch andere administrative Themen wie Datenaustausch, Dokumentation, Vertriebsunterstützung etc. werden digitaler. So verrückt es klingt, in vielen Gesprächen auch mit anderen Marktteilnehmern wurde mir bestätigt, dass die Corona-Krise der Digitalisierungsgeschwindigkeit in unserer Branche einen positiven Schub gegeben hat.
Was werden Vermittler tun müssen, um erfolgreich zu bleiben?
FRANZ-JOSEF ROSEMEYER: Ich glaube, im Moment trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer aktuell die Chancen nutzt, die sich aus der Krise ergeben, nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch als Ansprechpartner in dieser Phase für die Kunden präsent ist, wird auch zukünftig erfolgreich sein können. Eine klare Präzisierung des Geschäftsmodells oder eine spezifische Positionierung im Markt können zusätzliche Erfolgsparameter sein.
Warum bleibt die Altersvorsorge ein wichtiges Thema für Sie?
FRANZ-JOSEF ROSEMEYER: Weil sie eines der wichtigsten Themen der Zukunft für unsere Gesellschaft ist. Darüber hinaus unterliegt sie einem permanenten Wandel. Mit dem Alterseinkünfte-Gesetz 2005 hat es einen Paradigmenwechsel gegeben, weg von der Anhäufung von Kapital zum Rentenbeginn mit anschließender Verzehrphase und der Hoffnung, dass das Kapital bis zum Lebensende reicht, hin zur Sicherstellung lebenslanger Liquidität.
Seitdem wurde in der Produktwelt von der kapitalbildenden Lebensversicherung auf die Rentenver-
sicherung umgestellt. Nach Finanz- und Bankenkrise, anschließender Staatschuldenkrise und der sich daraus entwickelten dauerhaften Niedrigzinsphase ergab sich ein weiterer Produktwechsel, weg von den klassischen und den Deutschen so geliebten Produkten mit Garantieverzinsung hin zu stärker ertragsorientierten fondsbasierten Produkten mit eingeschränkten Garantien.
Die Altersvorsorge und deren Instrumente wandeln sich also mit der wirtschaftlichen und gesellschaft-
lichen Entwicklung. Deshalb fasziniert mich das Thema. Mit der Weiterentwicklung von Produkten und den gesetzgeberischen Maßnahmen (zuletzt BRSG) sind wir dem Ziel der weitgehenden Vermeidung von Altersarmut vielleicht ein Stück näher gekommen, erreicht haben wir es noch nicht.
„ Die Flexibilität zur Anpassung der Produkte auf sich verändernde
Lebensumstände ist noch längst nicht ausgereizt.“
Was reizt Sie an Projektarbeiten?
FRANZ-JOSEF ROSEMEYER: Nehmen wir das oben stehende Thema. Die Komplexität der Produkt-
möglichkeiten und die Anzahl der Durchführungswege nehmen stetig weiter zu. Die Flexibilität zur Anpassung der Produkte auf sich verändernde Lebensumstände ist noch längst nicht ausgereizt.
Das gilt insbesondere bei der sinnvollen Koppelung mit anderen Produkten, zum Beispiel der Berufsunfähigkeitsabsicherung oder der Pflegeversicherung.
Warum ist die Absicherung der BU verhältnismäßig gering verbreitet und warum ist bei den BU-Versicherten die Absicherungshöhe in den meisten Fällen deutlich unter dem objektiven Bedarf?
Warum „fliegt“ die Pflegeversicherung nicht? Auch hier ist evident, dass der Bedarf objektiv
vorhanden ist. Die Abdeckung ist aber deutlich steigerungsfähig. Ich glaube, dass ich hier Ideen einbringen kann und vor allem auch nutzenorientierte Argumentationsunterstützung geben kann.
Hier einen Beitrag zu leisten, reizt mich kolossal.
Vielen Dank für das Gespräch.